(06.09.12)
Die Strecke zwischen Steinfeld und Damme ist die schönste. Meine Vorfreude war berechtigt. Fast nur Wald, zwar viel rauf und runter, aber – wie ich schon geschrieben habe – im Wald laufe ich wie beflügelt.

Ein Fest für alle Sinne. Der Geruch nach Moder und Nadelbäume, das Spiel des Lichts zwischen den Blättern und Baumstämmen, das Tuscheln der Blätter mit dem Wind, der weiche Waldboden, die Spuren, die Wassermassen auf den Wegen hinterlassen haben und sie teilweise fast nicht passierbar machen. Und auch noch ein paar Vögel singen ihr Lied.
Am meisten liebe ich den Dammer Wald am frühen Morgen. Deshalb wollte ich früh los, habe es aber erst um 7.30 geschafft. Dann laufe ich und laufe, 3 ½ Stunden am Stück, ohne dass ich ein einziges Mal das Bedürfnis nach einer Pause gehabt hätte. Um 11.15 hatte ich bereits den Dammer Bergsee erreicht, ich war also kurz vor dem Ziel. Das brauchte Vorbereitung und so richtete ich mich direkt am Wasser ein.

Es war recht frisch, der Wind wehte kalt und ich musste mich dick einmummeln, damit ich bleiben konnte. Die Luft war klar, Wolken wechselten mit tiefblauem Himmel und Sonnenschein. Ein herrliches Licht. So saß ich drei Stunden am Ufer des Bergsees und schaute dem Wasser zu.
Außer mir kein Mensch. Was mache ich Mensch damit?
Es braucht fast 3 Stunden, bis ich den Zauber des Augenblickes begreife und bereit bin in vollen Zügen in mich einfließen zu lassen.
Zuvor bin ich mit mir selbst beschäftigt. Mich auf die Ankunft in Damme vorbereiten. Wo übernachte ich? Wann fahre ich wie zurück nach Wildeshausen? Ich starte das Notebook, um die Fahrpläne und Taxi Telefonnummer herauszubekommen. Aber es ist zu hell, ich kann rein nichts auf den Bildschirm erkennen. Das ist ein Wink des Himmels, denke ich, lass es. Ach ja, am Montag muss ich schon wieder arbeiten. Wegschieben. Und so weiter.
Irgendwann wird mir klar, dass ich alles Mögliche tue, nur nicht diese kostbare Zeit, in der ich hier am See sitze, zu genießen. Ich fange an, mich auf den Augenblick zu konzentrieren.
Das Bild auf dem Wasser wechselt laufend, je nach Wind und Wolkenspiel. Jeden Augenblick sieht das Wasser anders aus. Die Sonnenstrahlen surfen in silbernen Glanz wie einzelne Lichter über die Wasseroberfläche. In der anderen Richtung bilden sich grüne Samtbahnen, die sich in Falten legen. Am Ufer gegenüber schwimmen Schwäne. Ringsumher dichte Laubwälder, die mit ihrem noch grünen Kleid die Hügel säumen. Der Wind unterhält sich mit den Blättern. Links von mir biegt sich eine Zitterpappel im Wind. Die Wolken liefern sich mit der Sonne ein Wettrennen um die Oberhand. Sie gewinnen abwechselnd. Alles ist in stetiger Veränderung.
Ich komme mir vor wie Morgana, die Herrin vom See. Reiche Augenblicke, von denen ich lange zehren kann. Ich will von keinem etwas, keiner will von mir etwas. Ich sitze hier einfach und bin Teil dieser sich bewegenden Veränderung. Friede um mich herum, Stille in mir.

Dann gehe ich weiter. Auch die restliche Strecke um den Bergsee ist grandios, ich kann keine angemessene Beschreibung finden.
Den letzten Teil auf das Kloster zu nehme ich den unteren Weg, an der Bexadde entlang. Ich bin ihn schon viele Male gelaufen, aber noch nie mit so einem schweren Rucksack auf dem Rücken. Da auch er ziemlich ausgespült ist, bin ich froh um meine Stöcke, die mir Halt geben. Jedes Mal, wenn ich die hier entlang gehe denke ich, ich gehe den Weg zum ersten Mal. Meine Wahrnehmung richtet sich nach meinem inneren Zustand.
Den steilen Berg im Wald zum Kloster hinauf schaffe ich leichtfüßig. Ich gehe direkt in die Kapelle, um erst einmal anzukommen. Danach laufe ich das Labyrinth, mit Rucksack das Mantra singend, das ich schon in der Osternacht dort gesungen habe. Das Labyrinth kennt mich schon in vielen Variationen.
Nun muss ich mich entscheiden. Heute noch zurück nach Wildeshausen oder im Kloster um Pilgerherberge fragen? Ich möchte einen würdigen Abschluss dieser Pilgertour und so gehe ich den Berg zum Klostereingang hoch. Ich werde im Kloster übernachten. Mit Vesper, Komplet, Laudes und Messe kann ich in kurzer Zeit noch viel für meine Seele tun.
(07.09.12)
Die Laudes habe ich heute morgen verschlafen. Wanderer sind müde.

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