Der letzte Tag

Georg kroch aus dem schlammigen Graben in den stickigen Stollen. In der Mitte stand ein qualmender kleiner Ofen, der wenigstens etwas Wärme abgab. Bei der einzigen Öllampe saß der Richtkanonier, der mit Dreiecken, Mittelsenkrechten und Kreisen berechnete, wie die Kanonen auszurichten waren. Sie sollten Deckung geben, während er und noch fünf andere dazu befohlen wurden, die Drahtverhaue, die vor ihnen lagen, aufzuschneiden, bevor die anderen die Steigung hinaufzustürmen hatten. Es war ein Himmelfahrtskommando. Georg spürte, dass sein letzter Tag in diesem Irrsinnskrieg angebrochen war. Er dachte an seine Frau und die kleine Tochter. Nur nicht nachdenken. Dann kam das Kommando.

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Tödlicher Übermut

Der Zug hat Verspätung. Wieder einmal. Der Bahnhof ist zugig und vernachlässigt. Die wenigen Bänke sind mit aufgekratzten Schülern belegt, die laut miteinander frotzelnd die Energie an den Tag legen, die sie in der Schule haben vermissen lassen. Eine mittelalte Frau mit einem etwa 7 Jahre alten Jungen, der einen Football unter dem Arm trägt, hält vorsichtshalber Abstand. Die grölende Gruppe kommt immer mehr in Fahrt. Schon wird auf dem Bahnsteig wild hintereinander hergejagt. Einer schlägt dem kleinen Jungen den Ball aus dem Arm. Er kullert ins nahe Gleisbett, der kleine Junge hinterher. Der entsetzte Zugführer löst eine Notbremsung aus.

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Der neue Winter

Als Kind kannte ich noch tief verschneite Winterwälder, lange Frostperioden, endlose Zeit, bis im März endlich der Schneematsch verschwand. Dieses Jahr hatte es bei uns bisher keinen Schnee, noch nicht einmal einen Hauch davon. Eine Woche lang gab es leichten Nachfrost, im Schnitt nur -1.5°. Der neue Winter fühlt sich an wie ein kühler Frühling, die ersten Gänseblümchen blühen und die Tulpen ragen weit heraus. Das Gras fängt an zu wachsen, die Haselnuß blüht. Anstatt glitzernden Schnee bei knackig kaltem Winterwetter über lange Wochen alles grau in grau. Auf die Politik ist nicht zu hoffen. Das ist der neue Winter.

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Morgenspaziergang

Es ist noch dunkel als sie aus der Klosterpforte huscht, den Weg den Klosterhügel hinunter nimmt, einen kleinen Bach quert und auf dem vertrauten Trampelpfad in den Wald einbiegt. Gestern hatte es noch geregnet, deshalb ist der Weg glitschig und sie muss aufpassen, dass sie nicht ausrutscht. Gleich kommt die kleine Lichtung, die ihr Ziel ist, ins Blickfeld. Nebelschwaden dampfen über der feuchten Wiese, Rinder grasen, dem Bullen ist der Stolz auf seine Herde anzusehen. Die Sonne bricht durch den Horizont und taucht alles in ein unwirklich funkelndes Licht, mit gottgegebener Begabung umjubelt von einem vielstimmigen Vogelchor. Welch ein Frieden!

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Geisterhaus

Von dem alten, zerfallenen Haus geht ein morbider Charme aus. Der Blick durch die schmutzigen Glasscheiben lässt mich erschaudern. Wer da wohl gewohnt hat? Wieso ist das großbürgerliche Haus in so einem bedauernswerten Zustand? Es scheint fluchtartig verlassen worden zu sein. Das Inventar wartet darauf, dass das Haus zu neuem Leben erwacht. Durch einen Terassenspalt husche ich hinein. Viel Staub, auf einer Anrichte stehen noch halbgefüllte Karaffen, ein wohlbestücktes Bücherregal mit allerhand Lexika und medizinischer Fachliteratur zeugen von der Belesenheit der ehemaligen Bewohner. Auf einem Sideboard liegt eine Theatervorschau. Plötzlich schrecke ich zusammen. Ich spüre, dass hinter mir jemand steht.

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Silvester

Silvester. Sanitätsdienst. Paul blickte mit Sorge auf die kommende Nacht. Noch war alles ruhig. Der Asphalt blitzte in der Sonne, gutgelaunte Menschen auf der Straße, Feierlaune in der Luft. In der Ferne explodierten mit lautem Knall die ersten Böller. Paul dachte an seine Familie, seine Frau und seine beiden Kinder. Würde er die Nacht heil überstehen? Es werden sicher wieder Chaoten unterwegs sein, die Sanitäter im Einsatz als ihre Feinde ansehen, die es ohne Rücksicht auf Verluste zu bekämpfen gilt. Ungestraft. Sie sind Freiwild. Die Heckenschützen verstecken sich in der Masse und hinter ihrer Vermummung. Wie krank ist diese Gesellschaft?

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Öffis

Keine Lust Mittagessen zu kochen? Vielleicht essen gehen? Die Theoretiker, die mit Dienstmercedes und Chauffeur unterwegs sind, meinen ja, man solle Öffis nehmen. Auf dem Dorf gibt es inzwischen zwar 3 Kindergärten, aber keine Kneipe mehr. Vielleicht einen Bürgerbus? Laut Google fährt der: 9.05, 10.05, 11.05, 12.05. Von Montag bis Freitag. Bis zur Samtgemeindehauptstadt, ein etwas größeres Dorf. Zurück kommt man später nicht mehr. Welches Datum haben wir? 31.12.? Samstag. Wochenende. Da gibt es grundsätzlich keinen Bus. Praxis der Öffis auf dem Land. 85% der Bevölkerung wohnt in Orten unter 100000 Einwohnern. Fasten ist nach Weihnachten auch nicht so schlecht.

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Sturm

Ahmad lässt sich auf ein Abenteuer auf Leben und Tod ein. Es kann gelingen oder auch nicht. Dann sitzt er eines nachts in einem völlig untauglichen und überfüllten Bötchen und schwankt durch das rauhe und kalte Wasser des Ärmelkanals. Der Wind pfeift, es schüttet und alle Passagiere sind völlig durchnässt. Decken werden notdürftig über die Schultern gezogen, die Zähne klappern – vor Kälte und Angst. Hoffentlich geraten sie nicht in eine Grenzkontrolle. Welche Taktik sollte er dann anwenden? War dann alles verloren? Auf einen vermeintlichen Kontakt in UK verweisen? Was, wenn das Boot im Sturm kentert? Er versucht nicht nachzudenken.

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Vom Fliegen

Das Leben ist wie ein Segelflug durch unterschiedliche Wetterzonen. Als Kind sind wir darauf angewiesen, dass unsere Eltern genug Energie aufbringen, dass uns Flügel wachsen können. Fehlt der Rückenwind, stürzt sich der ein oder andere ins Unbekannte, um ins Fliegen zu kommen. Vorher sollte ein solcher Flieger aber wissen, woher die Winde kommen. Und werden wir dann flügge, erheben uns in die Lüfte, entfliehen unserem angestammten Publikum, ist unser Segelflugzeug immer von Turbulenzen bedroht. Manchmal segeln wir im Aufwind, manchmal herrscht Gegenwind, manchmal funktionieren wir wie von einer Fernbedienung gesteuert, manchmal stürzen wir ab. Meistens heißt es aber: Kurs halten.

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Moral

Ein modernes Märchen. Es war einmal ein Ritter Eberhardus zu Eltz, der im Jahr 690 lebte. Und ein Verteidigungsminister, der Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg hieß, 1971 geboren, hoch privilegiert aufgewachsen mit Vater und Stiefmutter.  Seine Mutter war eine gewisse Christine, Gräfin zu Eltz, eine Nachfahrin besagten Ritters. Adel verpflichtet. So heiratete er eine Gräfin von Bismarck-Schönhausen, eine Nachfahrin des eisernen Kanzlers. Derart gewappnet und auf den Spuren der adeligen Vorfahren wandelnd, wollte Karl-Theodor der Bundeswehr neuen Wind einhauchen. Jedoch fegte ein unerwarteter Sturm ihn hinweg. Und die Moral von der Geschicht?

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Energien

Manchmal denkt man, man habe den dritten Frühling. Energien und Ideen schießen über, man sucht Gesellschaft, ruft Freunde an, tauscht sich aus. Die Energiepreise und die Frage, wie man sie reduzieren könnte, trendet. Jeder hat da so seine eigene Meinung. Eine Photovoltaikanlage auf das Dach setzen? Eine Wärmepumpe auf die Terrasse stellen? Zwangsläufig folgt die Frage, ob man vielleicht für das ein oder andere eine Förderung erhalten kann. Hat man dieses Stadium erst einmal erreicht, tut sich das Dickicht des deutschen Regelungsdschungels vor einem auf. Energieberater sind, welche Überraschung, lange ausgebucht. Energie im Keller. Warten auf den nächsten Frühling.

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Hülle

Viele denken, dass sich ihre Chancen im Leben verbessern, wenn sie ins Fitnessstudio rennen, an ihrer „Shape“ arbeiten, Sixpacks aufbauen, Bauchfett abschwitzen, den Bizeps trainieren. Man will etwas hermachen, kein Schlaffi sein. Die Hülle formen, damit die Fassade nicht aufträgt und möglichst verbirgt, dass dahinter wenig trägt. Etwa 10 Millionen Menschen rennen – besser fahren mit dem Auto- regelmäßig ins Fitnessstudio. Oder sind jedenfalls Mitglied, macht ja auch schon was her. Für die Korrektur ihrer Fassade greifen sie tief in die Tasche. Rund 2,3 Milliarden Euro setzt die deutsche Fitnessbranche im Jahr um. Und wenn der Elan vorbei ist? Alles erschlafft!

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Party

Democratic Party im doppelten Sinne. Die Trumpwalze blieb bei den US Midterms, obwohl von allen erwartet, wie durch ein Wunder aus. Allenthalben macht sich bei den Demokraten, und nicht nur bei denen, Erleichterung breit. Weniger darüber, dass das Repräsentantenhaus verloren ist und die Regierung damit bei allen strittigen Gesetzesvorhaben – und was ist nicht strittig – blockiert sein wird. Erleichterung herrscht vielmehr darüber, dass genug Menschen, obwohl ihnen jede Menge Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden, sich nicht davon abhalten ließen, ihre Demokratie zu verteidigen. Erleichterung, dass es noch genug Wähler gibt, die verstanden haben, um was es wirklich geht. Democratic Party🥳

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Familienbild

In Deutschland leben etwa 7-13% der Familien zusammengewürfelt als Stiefmutter und Stiefvater, als Stiefbruder und Stiefschwester, meistens als Scheidungsgeprüfte. Viele Kinder werden außerhalb einer Ehe geboren, und alles hat seine Richtigkeit. Die heile Welt des traditionellen Familienbildes ist mehr Illusion als Realität, in der Gegenwart und in der Vergangenheit. 1772 wurde die Ehe als Ziviltrauung in Frankreich eingeführt und mit den napoleonischen Reformen auch nach Deutschland exportiert. Unser Eheidealbild ist weitgehend von den christlichen Kirchen geprägt, denen in unseren Sphären zunehmend weniger Menschen anhängen. Es wäre wünschenswert, dass der Umstieg in ein modernes Familienbild analog erfolgt, ohne erhobenen moralischen Zeigefinger.

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Bankrott

#drabbletuesday

Polaroid Corporation brachte 1948 die erste Sofortbildkamera heraus. Sie wurde schnell ein Verkaufsschlager, entsprach der Zeit, dem amerikanischen Selbstbewusstsein, ein Kultprodukt, überflüssiger Spaß-Wegwerf-Müll zur schnellen Dokumentation des American Way of Life. Doch mit der Digitalisierung der Welt ging es dann abwärts, so wie mit „der“ amerikanischen Lebensart, sollte sie es je gegeben haben. Inzwischen geht ein tiefer Graben durch die US Gesellschaft. Diese Woche wird in den Midterms gewählt und es gibt ernstzunehmende Befürchtungen, dass dies zum Ende der Demokratie in diesem Land führt. 2001 ging Polaroid bankrott, diese Woche eventuell die US Demokratie. Mit fatalen Konsequenzen für uns alle.

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Wer sich für Polaroid interessiert, hier eine interessante Untersuchung:

https://www.grin.com/document/57271

Kinderehe

Alana war letzte Woche 13 geworden. Jetzt blickte sie in das Pokergesicht des fremden Mannes, der sie unverholen taxierte, bevor er sich wieder ihrem Vater zuwandte. Sein Blick sagte: Deal. Der Heiratsantrag an ihren Vater war nur Formsache, schließlich hatte er sie dem fremden Mann, der über 40 Jahre älter als sie war, angeboten. Die Männer zogen sich zurück, um den Handel zu besprechen und zu betrinken. Die Nacht würde lang werden. Alana wusste, dass die Armut den Vater zu ihrem Verkauf getrieben hatte. Von dem Verdienst würde die restliche Familie einige Zeit über die Runden kommen. Sie hatte Angst.

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Schätzungsweise 12 Millionen Mädchen werden jährlich gezwungen, Kinderehen einzugehen:

https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/kinderehen-weltweit-fragen-und-antworten/274028

Party’s Over

Gesellschaften machen im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Rückschritte. Öffentliche Denk- und Redeverbote sind der Anfang. Wenn öffentlich nur noch vermeintliche Mehrheitsmeinungen geäußert werden dürfen, wenn man Gefahr läuft, öffentlich geschlachtet zu werden, sobald man abweichende Ansichten vertritt. Oder noch schlimmer, gleich verhaftet wird oder von der Bildfläche verschwindet. Die sich selbst knebelnden Gesellschaften rammen sich den tödlichen Pfeil selbst ins Herz. Demokratie und Pluralismus sterben, wenn nur noch Meinungen zugelassen werden, die der lautstärkere oder mächtigere Teil der Gesellschaft in die Welt hinausposaunt. Es herrscht Krieg. Sozial, wirtschaftlich, politisch, faktisch. Leichen pflastern den unseligen Weg. Party over, Chancen verspielt.

Näheres zum Drabble Dienstag, den Regeln und den verwendeten Wörtern  – PARTY – VERBOT – PFEIL siehe bei Wupperpostille:

https://wupperpostille.wordpress.com/2022/10/14/drabble-3-worter-fur-dienstag-den-18-10-2022/

Sintflut

Buntstifte wabberten, neben anderem Haus- und Unrat, aufgeweichten Lebensmitteln und Tierkadavern durch die braune stinkende Brühe, in der sie kniehoch stand, um zu sehen, was von ihrem Hab und Gut noch zu retten war. Sie lächelte unter Tränen. Das einzig Bunte an diesem trostlosen Ort, der gestern noch ihr Zuhause war. Im Lichtkegel der Taschenlampe musste sie feststellen, dass sie nichts mehr hatten, als die nassen schmutzigen Kleider, die sie an ihrem Leib trugen. Die Sintflut hatte alles mit sich gerissen. Wie sollte sie ihre vier Kinder durchbringen, die ihre Mutter aus verstörten Augen ansahen? Zukunft? Hilfe? Sie waren allein.

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Rente

Seit September in Rente. Über Jahrzehnte war die Arbeit ein wichtiges – der Arbeitgeber ein bestimmendes – Element in meinem Leben, neben der Familie. Ein Workaholic-Arbeitsleben, der Versuch, Arbeit, Familie, politisches und soziales Engagement in Einklang zu bringen. Diszipliniert, ohne zu klagen. Zu Beginn ist man noch idealistisch, glaubt, man habe Möglichkeiten wie Alice im Wunderland, steht immer unter Volldampf und – schließt vor der Überforderung die Augen. Keine Zeit, sich damit aufzuhalten. Am Ende ist der Dampf verflogen, der Rücken schmerzt und die Nebelschwaden der Illusionen haben sich gelichtet. Was ich am Rentnerleben am meisten genieße? Disziplinlosigkeit. Endlich Herrin meiner Zeit – fast.

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Rückschritt

Tiere kommunizieren miteinander, wie es ihre angeborene Natur ist. Mit der menschlichen Kommunikation ist es dagegen ein Kreuz. Kommunikation meint ein MITeinander Teilen, sich mitteilen, den anderen teilhaben lassen an dem, was einen bewegt. Kommunikation funktioniert nicht mit dem Kopfhörer auf Ohren und Gehirn. Sie funktioniert genauso wenig, wenn auf Social Media die Dachluken geöffnet werden und die Hasskommentare, Hetztiraden und Fake-News unter Fake-Accounts und im Schutz der Anonymität in die Welt entfleuchen, aus dem ursprünglichen MITeinander ein Gegeneinander wird. Die Fähigkeit, MITeinander zu kommunizieren, war ein Fortschritt in der Menschheitsgeschichte. Mißbräuchliche digitale Kommunikation macht aus menschlichem Fortschritt menschlichen Rückschritt.

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