Arbeitslohn

Kann man sich zu Tode arbeiten?
Ich glaube ich bin dabei, es herauszufinden.

Und die Moral von der Geschicht?
Weh tut es nicht.

Solange hier noch etwas gepostet wird,
heißt es, für mich gilt das nicht.

Wenn hier plötzlich Stille einkehrt,
ist der Arbeitslohn gewährt.

 Fischer in der Abensonne am Meer

Tote Orte

Es hat sich erfüllt,
was an die Wurzeln
meines Blogs rührt.

Mein Blog hat mit einer
Pilgerreise zu diesem Ort angefangen,
der Ort, an dem ich noch etwas erledigen musste.

Ich sehe mich noch dort,
in der letzten Bank,
in mich hineinhorchend,
wie dieser Ort,
nach vielen Turbulenzen,
für mich klingt.

Ohne Segen,
habe ich gedacht,
der Segen ist
von diesem Ort
gewichen.

Gott, Glaube,
Gottes Gegenwart,
bedarf Inspiration,
von Gott inspirierter Menschen.
Ohne, verödet der Ort.

Gott kann man nicht administrieren,
im Alltagstrott abhandeln.
Diese Übung gerät zu allgegenwärtig
greifbarer Scheinheiligkeit.

Ich habe diesen Ort seither
nie wieder betreten.

Nun, etwas mehr
als 3 Jahre später,
die Nachricht:

Das Priorat wird aufgegeben.
Personalmangel, die vordergründige Begründung.
Geschäftssinn der hintergründige.

Gut abzustoßen,
werden doch Flüchtlingsunterkünfte
händeringend gesucht.
Eine bessere Gelegenheit
kommt nie wieder.

Mein weißer Bruder weint.
Es ist nur ein Ort,
versuche ich ihn zu trösten.

Unendlich sein Schmerz,
wieso muss ich
das noch erleben?
Wieso bin ich nicht endlich tot?

Er blättert
in meinem Bildband,
den ich ihm vor Jahren geschenkt habe,
die Tränen rinnen über sein Gesicht.

Die Bäume,
mein Bruder,
die du umarmt hast,
bleiben.
Die Gebäude,
sind nichts als kaltes Gemäuer.

Der Ort,
der zu einem fülligen,
einem heiligen Ort wird,
wird durch die Gegenwart Gottes
in den Menschen
an diesem Ort.

Gehen die Menschen,
die Gott vergegenwärtigen,
geht Gott.

Was dich wärmt,
mein Bruder,
und was kein Mensch auflösen kann,
ist die Erinnerung
an Gottes Gegenwart
an diesem Ort.

Gottes Gegenwart
bleibt bei dir,
ist unabhängig von jedem Ort,
nur abhängig von
der Bereitschaft der Seele
Gott zu empfangen.

Der Ort,
dem du nachtrauerst,
ist zu einem toten Ort geworden.

Das habe ich damals schon
in der letzten Bank erkannt.

Hier ist Ende,
habe ich gedacht
und so ist es gekommen.

Der Wald,
den sie gnadenlos niedergemacht haben,
sein schmerzvolles Schreien,
ein frühes Zeichen dessen,
was nun eingetreten ist.
Tödliche Zustandsbeschreibung.

https://deborrahs.com/2012/08/28/pilgerrreise/

Dammer Abgesang
Man erntet, was man sät.

Rallye Paris – Dakar

Jahreswechsel ist immer ein Zeitpunkt, um Bilanz des vergangenen Jahres zu ziehen und in sich hineinzuhören, wie das neue Jahr klingt. Ich schreibe das gern auf, um für mich klar zu werden und im Rückblick zu verstehen und einordnen zu können. Wenn ich nachlese, wie es mir vor einem Jahr gegangen ist, bin ich verwundert. Ein Jahr ist das schon her, dass ich das geschrieben habe? Kommt mir vor wie gestern, so nah ist es mir.

Das vergangene Jahr war angefüllt, immer überfüllt, und doch von einer gewissen Gelassenheit geprägt, immer von einem Tag auf den nächsten auf Gott vertrauend, dass er meinen Tag schon mit mir richten wird. Und er hat. Ausnahmslos, jeden Tag. Was will ich mehr? Meine Jahreslosung war mir ein guter Ratgeber (Hiob 11, 13-20):

Vertraue auf Gott und die Mühsal wird wie Wasser vorbeiziehen.

Beinahe hätte ich es vergessen zu erwähnen, so abgehakt ist das für mich mittlerweile: Ich bin 2015 aus der evangelischen – lutherischen Kirche ausgetreten. Nicht wegen der Kirchensteuern, sondern weil ich die Irrlehren erkannt habe, die sie verbreitet. Es war ein Austritt mit Schmerzen, aber es war ein guter Schritt. Es hat sehr zu meinem Seelenfrieden beigetragen. Im Nachhinein denke ich, es war ein Schritt, der Heilung erst ermöglicht hat, wenn auch noch die ein oder andere Wunde gelegentlich schmerzt. Auch das Teil meiner Jahreslosung 2015:

So bitte nun um Spätregen, so wird der HERR dir Gewölk machen und dir Regen genug geben zu allem Gewächs auf deinem Feld (Sacharja 10,1). Fürchte dich nicht und stärke deine Hände. Rede einer mit dem anderen Wahrheit, richtet recht, schafft Frieden in euren Toren (Sacharja 8, 13-17)

Nachdem ich 2014 die gesamte Bibel gelesen hatte, habe ich 2015 völlig ohne Bibelleseplan gelebt und – ich habe es – bewusst – genossen, nicht noch bis spät abends nach der Arbeit 5 Kapitel in der Bibel durcharbeiten zu müssen, eine Disziplin, die ich mir selbst auferlegt hatte. Jeden Abend war mir der Unterschied zum Vorjahr bewusst und auch die Disziplinlosigkeit, der ich mich hingebe, was das regelmäßige Bibellesen angeht. Es macht ein seltsames Geräusch, in diese stumme Leere hineinzuhören. Am Ende des Jahres hat die Leere mich förmlich angeschrien. Wie ein stummer Schrei meiner Seele, dass ihr etwas fehlt und sie wieder Nahrung braucht. Ich habe dieses Rufen gehört und so weiß ich, was zu tun ist.

Die Vorbereitungen laufen schon auf vollen Touren, damit ich überhaupt eine Chance habe und mich nicht überfordere. Wer den Blog verfolgt, wird es bemerkt haben. Ich habe einen neuen Bibelleseplan angefangen: Psalmen und Sprüche in 372 Tagen, ich habe schon davon berichtet. Jeden Tag einen Psalm und ein Kapitel aus Salomons Sprüchen. Die Lesefrüchte sind in der Psalmen- und Sprüchegalerie zu verfolgen. Mein Ziel ist, jeden Tag das, was für mich das Essenzielle ist,  zu teilen. Verschriftlichung ist für mich persönlich wichtig. Jeder Tag wie eine Wegmarke einen Schritt voran. Damit ich diesen kleinen Schritt auch von meinem französischen Hoteldomizil aus täglich neben meinem 13 Stundentag bewältigen kann, muss ich logistisch vorsorgen. Aber ich liebe Herausforderungen und wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so schnell kapituliere. Das Jahr 2016 liegt vor mir wie eine Rallye Paris – Dakar. Eine gute Vorbereitung ist alles.

Schaue ich nach innen, habe ich eine Vorfreude auf das Jahr, von der ich nicht weiß, woher sie kommt. Irgendwie ein Gefühl der unbändigen Freiheit und Freude, trotz der vielen Arbeit, die auf mich wartet. Als befinde ich mich auf einem großen ruhigen strahlendblauen Wasser, ohne störende Horizonte, ohne Land. Innere Freiheit, Freiheit, die Gott als Quelle hat, ist unabhängig vom Arbeitspensum. Ganz im Gegenteil, je mehr Gottes Freiheit in einem wirkt, desto mehr scheint Gottes Größe aus einem im täglichen Alltag.

Meine Jahreslosung ist geworden: (1.Samuel 3, 16-18):

Da rief ihn Eli und sprach: Samuel, mein Sohn! Er antwortete: Siehe, hier bin ich! Er sprach: Was ist das Wort, das dir gesagt ist? Verschweige mir nichts. Gott tue dir dies und das, wo du mir etwas verschweigst, das dir gesagt ist. Da sagte es Samuel alles an und verschwieg ihm nichts. Er aber sprach: Es ist der HERR; er tue, was ihm wohl gefällt.

Was diese Jahreslosung für mich bedeutet und was sie bringen mag, das weiß ich morgen, d.h. nächstes Jahr. Ich habe aber das Gefühl, es wird ein sehr spirituelles Jahr.

PS: Was ich noch vergessen habe: Ich lese das ganze Jahr aus der Elberfelder Übersetzung von 1871, 2014 hatte ich aus der Lutherbibel 1912 gelesen. All meine Zitate und Sinnerfassung werden also aus dieser Fassung kommen. Die Sinn- Unterschiede zwischen Lutherübersetzung und Elberfelder sind schon zum Teil gravierend.

Jahres – Rallye

Mit Gottes Segen

Seltsam unbestimmt gehe ich ins Neue Jahr. Wenn ich in mich hineinsehe, sehe ich nicht viel: wenig Emotionen, wenig Erwartungen, eine Landschaft im Dämmerlicht, ohne Berg und Tal, reine Ebene.

Ein Wüstenjahr habe ich hinter mir. Ich bin dankbar, dass ich es durchwandert habe. Ohne die Einsamkeit der Wüste, das Verlassen sein oder Verlassen, wäre ich niemals den Weg gegangen, den ich gegangen bin, wäre zwischendrin abgelenkt worden, hätte der Bequemlichkeit des Denkens und Handelns Platz gelassen. Die Wüste eröffnet einem innere Horizonte, die man niemals sehen würde, wenn sie von äußeren Gebäuden und Mauern verstellt wären. In der Wüste braucht man nichts, außer?

Die Bibel, mein Bibelleseplan hat mich durch das ganze Jahr begleitet. Überall hin. Ich habe gelernt und erfahren, dass die Bibelkapitel, die ich jeden Tag gelesen habe, mir Kraft, Ruhe und Frieden gegeben haben. Was ich jeden Tag gelesen habe, habe ich gebraucht. Es hat immer gepasst und mich bei mir und in meiner Mitte gehalten. Ich habe gelernt, dass es nichts außer Gott für mich braucht. Das Jahr in der Wüste hat mich unabhängig und frei gemacht. Gott sorgt für mich. Ich habe verstanden, was es heißt, wenn Jesus sagt: Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? (Mt 6, 26).

Er hat mich dorthin geführt, wo ich hin sollte. Ich habe das ganze vergangene Jahr keinen Gottesdienst besucht, an keinem Abendmahl teilgenommen, seit der Vorweihnachtswoche keine Kirche mehr betreten. Es ist eine Art Sterben, das Absterben von etwas, was man gemeint hat, zu brauchen. Mein Jahr mit Gottes Wort allein hat mich weit abrücken lassen von Kirche, insbesondere von kirchlicher Lehre. Es hat mir einen neuen Blick, neue Einsichten, viel neues Verstehen gegeben. Ich denke nicht, dass ich dahin gekommen wäre, wenn ich weiterhin mitgeschwommen wäre. Alles hat seinen Sinn. Wenn ich konsequent wäre, müsste ich austreten, aber davor schrecke ich immer noch zurück. Auch das wird seinen Sinn haben.

Mein Leben hat sich im vergangenen Jahr komplett verändert. Ich arbeite fast nur noch im Ausland. Abgesehen von den hohen Reisestrapazen und den Auswirkungen auf meine frei verfügbare Zeit, ist die Herausforderung groß, Menschen aus anderer Kultur sind mir gegeben, ich ein Fremdling dort, mit meiner deutschen Art. Aber gerade als Fremdling findet man Gott im Nächsten, ist gezwungen, Sprach- und Kulturbarrieren zu überwinden, denjenigen, der dir gegenübersteht, genau anzusehen, sorgsam und feinfühlig mit ihm umzugehen, wie mit einem kostbaren Gut. Das ist schwer und nicht immer zu schaffen im generellen Anspruch, ohne Gott habe ich keine Chance und ich schaffe nur, was ich mit seiner Leitung und seinem Segen tue. So ist meine Jahreslosung für 2015:

Wenn du dein Herz richtest, deine Hände ausbreitest, die Untugenden von deiner Hand fern hältst und die Augen aufhebst ohne Tadel, bist du fest und brauchst dich nicht zu fürchten. Dann siehst du die Mühsal wie Wasser, das vorüberzieht, das Leben geht auf wie die Sonne am Mittag, das Finstere wird zum lichten Morgen und du tröstest dich an der Hoffnung. Du legst dich in Sicherheit schlafen, ruhst in dir und niemand kann dich aufschrecken (nach Hiob 11, 13-20).

So bitte nun um Spätregen, so wird der HERR dir Gewölk machen und dir Regen genug geben zu allem Gewächs auf deinem Feld (Sacharja 10, 1). Fürchte dich nicht und stärke deine Hände. Das ist es was ihr tun sollt: Rede einer mit dem anderen Wahrheit, richtet recht, schafft Frieden in euren Toren, denke keiner Arges in seinem Herzen wider seinen Nächsten und schwört keine falschen Eide. Dann werdet ihr zu einem Segen! (nach Sacharja 8, 13-17)

Überraschungsgast

Tag für Tag
trägst du deinen Unfrieden vor Gott.
Tag für Tag
bittest du für Ruhe in dir.
Tag für Tag
hoffst du, er möge es gewähren.

Du wartest,
und wartest
und wartest.
Ungeduldig
diskutierst du,
haderst,
deine Seele schreit.

Plötzlich ist er da,
der Überraschungsgast,
der weihnachtliche Friede.
Ganz unvermittelt.
Ganz unerwartet.
Wie aus dem Nichts.
Still,
bescheiden,
unspektakulär.

Gebranntes Kind,
traut dem Frieden nicht.
Selbst wenn ein Nach-Weihnachten kommt,
bleibt die Erinnerung, die dich wärmt,
bleibt die Hoffnung, die dich hält,
bleibt die Wurzel, die
die Rose nährt,
die dein Überraschungsgast
beim nächsten Besuch
dir verehrt.

Duftrose

Im aufgewühlten Meer

„Fast zwanzig Jahre trieb ich wie auf einem aufgewühlten Meer. Fallen, kurz aufstehen, und wieder hinfallen. Das war sehr anstrengend, denn ich fand mein Glück weder bei Gott noch in der Welt. Ich weiß nicht, wie ich das so viele Jahre aushalten konnte“
(Teresa de Jesus, Vida 8,2)

Teresa, meine Schwester.

Aufgewühltes Meer

Zwischen den Welten

Zwischen den Welten
leben und fragen
nach der Wahrheit,
dem Sinn, dem Warum,

Zwischen den Welten
suchen und finden
die Richtung,
den Weg und das Ziel.

Zwischen den Welten
schweben, verlieren
den Grund,
die Orientierung, den Halt.

Zwischen den Welten
leiden, ertragen
den Schmerz,
die Leere, die Angst.

Zwischen den Welten
alles haben
und nichts.

(Ingrid Schreiner, in: Achterbahn der Lebensmitte)

Himmelsleiter

Welt in Auflösung

Unterwegs. Ich sitze im Zug. Alles pünktlich. Alles so, als ob es so sein soll.

Wohin? Den Ort kenne ich, das Ziel nicht. Vielleicht auf der Suche nach einem neuen Zufluchtssort, nachdem ich heimatlos geworden bin? Im nicht mehr Wollen das Nichtwollen entdecken?

Als ob das Jahr schon Bilanz ziehen wollte. Es hatte sich angekündigt, wie es geworden ist. Heimat in Schall und Rauch. Die Erschütterungen sitzen mir in den Knochen.

Die schneebedeckte Landschaft zieht an mir vorbei, ohne dass mir das Herz aufgehen mag. Irgendwie funktioniere ich, sonst würde ich jetzt nicht im Zug sitzen.

Auf was das hinsteuert?

Sich auflösende Welten

Welt in Auflösung

Zedern des Libanon

Du stehst wie eine Zeder des Libanon im Sturm und
weißt nicht woher der Sturmwind kommt.
Deine Hände suchen und finden Halt wie Wurzeln im Grund.
Du stehst im Sturm,
hältst dich fest und
hoffst, dass du nicht fällst.
Es reißt dich hin und her,
ohne zu wissen,
was für ein Sturmwind das ist.
Keine Zeit zu denken.
Du blickst auf das, was dir Halt gibt,
blickst auf den, der dich hält.
Eine Ahnung von der Heiligkeit des Augenblicks steigt in dir auf.
Das war ein Versprechen,
ein unauflöslicher Bund.

Zedern des Libanon

Am äußersten Meer

Am Ende des Horizontes ist das äußerste Meer.
Ich weiß wie es dort ist.

Es gibt keinen Boden unter den Füßen,
es ist leer und hell und
es ist völlig egal, ob man nach oben oder unten fällt.
Ohne Emotionen wartet man,
was nun kommen mag.
Ohne Schrecken.
In Erwartung.

Weiter bin ich noch nicht gekommen.
Ich weiß nicht,
was im Oben oder Unten kommt.
Neugierig bin ich schon.

Äußeres Meer

Aschermontag

Montags geht es mir schlecht.
Wieso?
Es liegt am Sonntag.
Ob es mir besser geht, wenn ich das lasse,
was die Sonntage zum Sonntag machen?
Die Sonntage abschaffe?

Selbst-Zerstörung.
Fröhlich.
Fröhlich Leiden.
Leiden verstehe ich.
Aber was ist fröhlich?
Selbst-Zerstörung als Lust?
Lustiges Leiden?

Die unfröhliche Variante muss reichen.
die kann ich,
die kenn ich ,
aber fröhlich.
fröhlich kenn ich nicht.

Mehr kann ich nicht bieten.
Mehr habe ich nicht zu bieten.

Oder die Montage abschaffen?

Trennlinie

Auf der Brücke bleiben

Meine Pilgerreise ist zu Ende. Ist sie das wirklich? Ist die Kunst aller Künste nicht vielmehr, die Schätze, die man in seinen Auszeiten gefunden hat, auch im Alltag zu bewahren, sie im Alltag zu leben, so dass sie zum wirklichen, verinnerlichten Leben werden?

Eben nicht mit Arbeitsbeginn wieder im Hamsterrad durchzustarten bis man mit hängender Zuge gerade noch so die nächste Auszeit erreicht. Das kenne ich zur Genüge, das will ich diesmal nicht so halten.

Das bedarf Achtsamkeit nach innen und außen. Ein Innehalten, bevor man von der Brücke fällt. Ein Hören auf die innere Stimme, ein Sehen mit dem inneren Auge. Ein Gelassen bleiben mit der inneren Gewissheit, dass man unantastbar ist, was immer auch passieren mag.

Einfach in seinem Rhythmus auf der Lebens-Straße weitergehen, mit dem Lebens-Rucksack auf dem Rücken, Stecken und Stab als Stütze und dem inneren Kompass als einzigem Wegweiser.

Einfach?

Nein, einfach ist das nicht. Man muss sich sehr in Acht nehmen, nicht gleich wieder in eingeübte Verhaltensmuster zu verfallen.

Dennoch: Genauso entscheiden wie ich mich zu dieser Reise aufgemacht habe, genauso entschieden will ich sie fortsetzen. Der Hall soll zu keinem Nachhall werden. Auch der Blog nicht. Ich glaube er hilft mir, den Kurs nicht zu verlieren. Und der Zuspruch tut gut.

Psalm 23 kommt mir in den Sinn, den hatte ich schon während der gesamten Pilgerreise im Kopf. Er erzählt vom Pilgern durchs Leben. Eigentlich kann ich da doch gelassen bleiben. Eigentlich.

Brücke über Wasser

Überraschungen

Kurz vor neun kommt mein Taxi, das mich zum Bahnhof nach Holdorf bringt. Es entwickelt sich eine angeregte Unterhaltung mit dem Taxifahrer, einem älteren Herrn. „Was, pilgern waren Sie, ganz allein?“ fragt er mich und schaut mich ganz entgeistert an, als wolle er das nicht glauben. „Ja“, sage ich. Darauf er: „Das ist aber mutig“. Hmm, auf die Idee bin ich bisher noch gar nicht gekommen. „Darf ich fragen wie alt Sie sind?“ Ich sage es ihm. Er ringt nach Worten und meint dann „Ich will mal sagen in diesen jungen Jahren ist das doch eine ganz schöne Anstrengung, das muss man sich erst einmal zumuten“. Und entschieden: „Das brauche ich für mich nicht“. Dann erzählt er von seinem Herzinfarkt und seinen Krankheiten.

Mordkuhle

Am Bahnhof in Holdorf scheint er immer noch so beeindruckt, dass er mit mir zum Bahnsteig geht und die Abfahrtszeit vom Zug heraussucht, obwohl es nur ein Gleis gibt, schon Leute da sind und es klar ist, dass der Zug gleich kommt. Ganz als müsse er dafür sorgen, dass ich auch in den Zug komme.

Ich schmunzle vor mich hin und freue mich. Die Denkgleise des freundlichen Mannes scheinen etwas aus der Bahn gekommen zu sein.
Überhaupt treffe ich interessante Leute auf der Rückreise. Am Bahnsteig in Holdorf erscheinen nach und nach verschiedene Menschen, um die Vierzig, zu einem Klassentreffen. Sie wissen aber nicht, wohin es geht, das scheint eine Überraschung zu sein. Dementsprechend fällt auch das Gepäck unterschiedlich aus: von klein und handlich bis zu einem riesigen Koffer, der für mindestens 2 Wochen Platz bietet und mehrmaliges Umkleiden am Tag erlaubt. Ein Herr kommt in Badelatschen und kurzen Hosen. Sagt ein anderer zu ihm zur Begrüßung: „Willst du Dir eine Blasenentzündung holen?“
Ich musste nach Luft japsen, so überrascht war ich. Ich wusste gar nicht, dass dies ein Männerthema ist.

Froschquaken

Und noch eine Überraschung auf der Rückreise, die sich tatsächlich so abspielte. Im Zug gibt es moderne, einfach zu bedienende Fahrkartenautomaten. Irgendwo auf der Strecke zwischen Holdorf und Wildeshausen war eine Gruppe von 4 Mädchen zugestiegen. Zwei Mädchen, sie waren tatsächlich, alle Blondinenwitzen bestätigend, blond, kümmerten sich um die Gruppenfahrkarte: 33 EUR. „Oh Scheiße“, meint das eine Mädchen, „wieviel muss dann jeder bezahlen?“ „Darum kümmern wir uns später“, meinte das 2. Mädchen, „jetzt kaufen wir erst einmal die Fahrkarte“.
Ich wollte schon helfend einspringen und rufen 8,25 EUR für jeden, dachte dann aber es ist vielleicht besser, wenn sie sich selbst um die Lösung dieser Rechenaufgabe bemühen.

Sonnenblume
Perspektivwechsel

Was ist das nur für ein Tag heute? Was für Menschen begegnen mir? Oder liegt es an mir? Ich bin tagelang alleine gelaufen, ohne zu reden, höchstens singend, sehr in mich gekehrt. Ist meine Perspektive verschoben? Schaue und höre ich anders? Mehr im Jetzt, wie am Bergsee? Habe ich bisher geschlafen? Ist das Leben vielleicht ein Kuriositätenkabinett, das ich bisher noch gar nicht entdeckt habe?
Irgendwie komme ich mir vor, wie wenn ich in der falschen Vorstellung wäre, wie wenn ich im Kino sitze und staunend den Film betrachte, der vor mir abläuft und mich frage, ob das wohl das Leben ist?
Verschobene Realitäten.

Tau Huus

Angekommen

(06.09.12)

Die Strecke zwischen Steinfeld und Damme ist die schönste. Meine Vorfreude war berechtigt. Fast nur Wald, zwar viel rauf und runter, aber – wie ich schon geschrieben habe – im Wald laufe ich wie beflügelt.

Waldpfad

Ein Fest für alle Sinne. Der Geruch nach Moder und Nadelbäume,  das Spiel des Lichts zwischen den Blättern und Baumstämmen, das Tuscheln der Blätter mit dem Wind, der weiche Waldboden,  die Spuren, die Wassermassen auf den Wegen hinterlassen haben und sie teilweise fast nicht passierbar machen.  Und auch noch ein paar Vögel singen ihr Lied.

Am meisten liebe ich den Dammer Wald am frühen Morgen. Deshalb wollte ich früh los, habe es aber erst um 7.30 geschafft. Dann laufe ich und laufe, 3 ½ Stunden am Stück, ohne dass ich ein einziges Mal das Bedürfnis nach einer Pause gehabt hätte.  Um 11.15 hatte ich bereits den Dammer Bergsee erreicht, ich war also kurz vor dem Ziel. Das brauchte Vorbereitung und so richtete ich mich direkt am Wasser ein.

Lichtung

Es war recht frisch, der Wind wehte kalt und ich musste mich dick einmummeln, damit ich bleiben konnte. Die Luft war klar, Wolken wechselten mit tiefblauem Himmel und Sonnenschein. Ein herrliches Licht. So saß ich drei Stunden am Ufer des Bergsees und schaute dem Wasser zu.

Außer mir kein Mensch. Was mache ich Mensch damit?

Es braucht fast 3 Stunden, bis ich den Zauber des Augenblickes begreife und bereit bin in vollen Zügen in mich einfließen zu lassen.

Zuvor bin ich mit mir selbst beschäftigt. Mich auf die Ankunft in Damme vorbereiten. Wo übernachte ich? Wann fahre ich wie zurück nach Wildeshausen? Ich starte das Notebook, um die Fahrpläne und Taxi Telefonnummer herauszubekommen. Aber es ist zu hell, ich kann rein nichts auf den Bildschirm erkennen. Das ist ein Wink des Himmels, denke ich, lass es. Ach ja, am Montag muss ich schon wieder arbeiten. Wegschieben. Und so weiter.

Irgendwann wird mir klar, dass ich alles Mögliche tue, nur nicht diese kostbare Zeit, in der ich hier am See sitze, zu genießen. Ich fange an, mich auf den Augenblick zu konzentrieren.

Das Bild auf dem Wasser wechselt laufend, je nach Wind und Wolkenspiel. Jeden Augenblick sieht das Wasser anders aus. Die Sonnenstrahlen surfen in silbernen Glanz wie einzelne Lichter über die Wasseroberfläche. In der anderen Richtung bilden sich grüne Samtbahnen, die sich in Falten legen. Am Ufer gegenüber schwimmen Schwäne. Ringsumher dichte Laubwälder, die mit ihrem noch grünen Kleid die Hügel säumen. Der Wind unterhält sich mit den Blättern. Links von mir biegt sich eine Zitterpappel im Wind. Die Wolken liefern sich mit der Sonne ein Wettrennen um die Oberhand. Sie gewinnen abwechselnd. Alles ist in stetiger Veränderung.

Ich komme mir vor wie Morgana, die Herrin vom See. Reiche Augenblicke, von denen ich lange zehren kann. Ich will von keinem etwas, keiner will von mir etwas. Ich sitze hier einfach und bin Teil dieser sich bewegenden Veränderung. Friede um mich herum, Stille in mir.

Bergsee Damme

Dann gehe ich weiter. Auch die restliche Strecke um den Bergsee ist grandios, ich kann keine angemessene Beschreibung finden.

Den letzten Teil auf das Kloster zu nehme ich den unteren Weg, an der Bexadde entlang. Ich bin ihn schon viele Male gelaufen, aber noch nie mit so einem schweren Rucksack auf dem Rücken. Da auch er ziemlich ausgespült ist, bin ich froh um meine Stöcke, die mir Halt geben. Jedes Mal, wenn ich die hier entlang gehe denke ich, ich gehe den Weg zum ersten Mal. Meine Wahrnehmung richtet sich nach meinem inneren Zustand.

Den steilen Berg im Wald zum Kloster hinauf schaffe ich leichtfüßig. Ich gehe direkt in die Kapelle, um erst einmal anzukommen. Danach laufe ich das Labyrinth, mit Rucksack das Mantra singend, das ich schon in der Osternacht dort gesungen habe. Das Labyrinth kennt mich schon in vielen Variationen.

Nun muss ich mich entscheiden. Heute noch zurück nach Wildeshausen oder im Kloster um Pilgerherberge fragen? Ich möchte einen würdigen Abschluss dieser Pilgertour und so gehe ich den Berg zum Klostereingang hoch. Ich werde im Kloster übernachten. Mit Vesper, Komplet, Laudes und Messe kann ich in kurzer Zeit noch viel für meine Seele tun.

(07.09.12)

Die Laudes habe ich heute morgen verschlafen. Wanderer sind müde.

Waldesruhe

Seelentag

An sich dachte ich, es geht wandernd pilgernd nicht mehr weiter. Die Hüfte ist vom Gewicht des Rucksacks aufgeschrubbt, die Schultern schmerzen, der rechte große Zeh ist entzündet, das Knie des linken Beines lässt nur ein Humpeln zu. Schon der Gedanke, den Rucksack wieder auf meine Schultern laden zu müssen, bereitet Schmerzen.

Aber, sie finden sich doch, die Jakobsmuscheln, die einem den inneren Weg zeigen.

Ich bin in einem sehr schönen Hotel gelandet. Einem alten, barocken Gemäuer, einem Familienbetrieb mit sehr freundlicher Familie. Die Gaststube ist heimelig, die Küche hervorragend. Absolut weiterzuempfehlen.

Und dann ist da die Kirche. Eine große Kirche. An dem Ort standen schon viele Vorgängerkirchen. Das spürt man. Es ist ein Ort, an dem schon viele Gebete, Tränen, Bitten, Wünsche, Danke gelebt wurden. Sie sind nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Das sind Orte mit einer besonderen Kraft, heilige Orte.

Schutzraum

Ich hatte die Kirche zwei Stunden ganz für mich. Der große Raum um mich herum wie eine Hülle, die mich und meinen geschunden Körper umfasste. Es kehrte Ruhe von der lärmenden Welt in mich ein, etwas, das ich bisher auf dieser Reise vermisst hatte. Ich spürte wieder Kraft in mir und es entwickelte sich eine Vorstellung, was nun weiter geschehen sollte.

Hoffnung

Und ich hatte eine Begegnung mit der sogenannten Lourdes-Grotte. Sie wurde Anfang des Jahrhunderts errichtet von einem Bürger als großes Danke für die Heilung seiner Frau. Wie dieser Ort im Alltag auch heute noch genutzt wird, gibt ihm Kraft – Kraft als Ort der Hoffnung. Viele Kerzen sind aufgestellt, Rosenkränze hängen an den Grottensteinen, in einer kleinen Papiertüte ist ein Engel. Wahrscheinlich hat eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, ihren Schmerz hierhin getragen. Ja, auch dies ist ein heiliger Ort für mich.

Ich bin dankbar, dass ich an diesem Ort pausiert habe. Meiner Seele und meinem Körper hat er gut getan. Den Tag nehmen, wie er ist.

Ich werde morgen nach Vechta wandern.

Kraftort