Geisttaufe

Lieber Luther,
ich bin gestern mit meinen Gedanken zur Taufe nicht zu Ende gekommen. Ob man das je tut, ist die Frage. Wir erkennen immer nur Teile von Gottes Wahrheit, wir sind schon sehr begrenzt.
Das Geschehen bei Jesu Taufe sind ohne die Erklärungen, die Johannes gibt, dessen Auftrag die Taufe ist, die Taufe zu leben, zu erklären, zu verbreiten, kaum zu erfassen. Johannes lebt für die Taufe, Johannes lebt, um Jesus zu taufen, um Jesu Taufe in die Welt zu bringen. Gott bewirkt durch Johannes, dass die Taufe mit dem Heiligen Geist wird in der Welt. Jesus ist hier, wie in allem was zu Gott führt, derjenige, der uns vorangeht. Nach Jesu Taufe ist auch unsere Taufe mit dem Heiligen Geist möglich. Vorher war dies nicht der Fall. Jesu Taufe ermöglicht auch uns die Nachfolge. Jesu Taufe ist die Gottes Initiation der Geisttaufe. Deshalb sagt Jesus zu Johannes: Lass es geschehen.
Johannes bringt, um das Taufgeschehen zu erklären, zwei Bilder:
Der Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Die Spreu wird vom Weizen geschieden und ins Feuer geworfen.
Jesus schaut sich alle Bäume an, diejenigen, die keine Frucht bringen, werden an der Wurzel abgehackt. Der unfruchtbare Baum, das tote Holz, wird verbrannt, die Wurzeln bleiben. Der Baum kann neu treiben, hat eine weitere Chance, ein fruchtbarer Baum zu werden.
Jesus scheidet Fruchtbares von Unfruchtbarem, er schließt uns für Gott auf, drischt uns, so dass die Spreu von uns abfällt, lässt uns neu wachsen. Sein Feuer brennt ewig, so dass alle Spreu, alles tote Holz verbrennen kann.
Jesus tauft mit dem Heiligen Geist und mit Feuer. Beides ist nicht zu trennen. Das Taufwasser spült unsere Seelen frei von allem Müll, der sich auf sie gelegt hat und macht sie empfänglich für Gottes Geist, lässt Gottes Geist in sie einfließen, lässt uns in Gottes Geist eintauchen – das griechische baptizo – taufen – heißt eintauchen. Gottes Geist taucht in uns ein und wir in seinen Geist. Das heißt Geisttaufe. Das tatsächliche Eintauchen in Wasser bei der Taufe verbildlicht unser Eintauchen in Gottes Geist, das Wasser verbildlicht Gott als die Quelle des Lebens, reinigend und nährend.
Bei Jesu Taufe öffnet sich der Himmel, der Heilige Geist fließt in ihn ein, Gott sagt: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Das geschieht in Jesu Nachfolge auch bei unserer Taufe: Gottes Geist fließt in uns ein, Gott sagt zu mir, du bist mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe. Gott begründet unsere Kindschaft mit der Taufe. Die Taufe begründet den „direkten Draht“ zu Gott, ob wir seine Stimme hören oder nicht. Sein Geist ist mit uns und wir sind Teil seines Geistes. Die Taufe ist das Herzstück des christlichen Glaubens, unserer Beziehung zu Gott in Jesu Nachfolge. Ohne Taufe ist das nicht möglich.
Deshalb ist auch das Letzte, was Jesus seinen Jüngern mitgibt:
„Geht nun hin und lehret alle Völker und
taufet sie im Namen des Vaters
und des Sohnes und
des heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matth 28, 19-20).
Jesus hat bei der Taufe die Worfel in der Hand, scheidet das, was den Geist hindert, in uns einzufließen, mit der Taufe von uns ab, macht es möglich, dass Gott den Heiligen Geist in uns einfließen lässt. Diese Dreiheit begründet die Einheit in der Taufe, Trinitatis.
Lieber Luther, diese Erkenntnis hallt so stark in mir, ich möchte weinen. Weiteres ein anderes Mal.
Herzliche Grüße
Deborrah

Taufwasser

Lieber Luther,
es hat etwas gedauert, bis ich mich nach dem Ausbruch letztens wieder gefangen und zu meiner Sprache gefunden habe. Wenn mich auch ein Teil deiner Zunft manchmal zur Weißglut treibt, ändert das nichts an meinem Glauben. Wende ich den Blick weg von Kirchengemeinden und hin ins Leben, dann elektrisieren mich die Fragen, die Menschen zum Glauben stellen, insbesondere junge Menschen. Es ist schön, dass sie Fragen stellen, keine leichten Fragen, Fragen die ins Mark gehen. Wenn das keine Herausforderung ist? Wenn wir keine Antworten haben, ist es nicht verwunderlich, wenn sie sich abwenden. Um eine solche Frage geht es heute:
Wieso ist es erlaubt, seine Kinder taufen zu lassen, obwohl sie die Entscheidung nicht selber getroffen haben und eine Taufe nach dem Verständnis der Kirchen nie „rückgängig gemacht” werden kann, fragt eine Siebzehnjährige.
Bei der Diskussion, die sich um meine Antwort entwickelte, merkte ich, dass ich mich zwar schon verschiedentlich mit dem Abendmahl, aber, mit einer eher unerfreulichen Ausnahme, nicht mit der Taufe beschäftigt habe. Dieses Versäumnis will ich heute nachholen. Es ging um lutherisches und pietistisch-calvinistisches Taufverständnis, selbst auf Twitter gab es Bewegung. Diese Diskussion hat mich auf dem linken Bein erwischt.
Wenn ich ehrlich bin, will ich mich nicht lange mit theologischen Auseinandersetzungen aufhalten, das überlasse ich den Theologen. Mich interessiert mehr, was ich aus der Bibel lesen kann (Matth 3).
Johannes, der Gleichaltrige, erkannte Jesus schon, als sie beide noch im Bauch der Mutter schwammen. So sagte er auch, als er später taufend durch die Lande zog: Ich taufe mit Wasser zur Buße, es wird aber einer kommen, der euch mit dem Heiligen Geist und Feuer taufen wird, er wird mit der Worfel die Spreu vom Weizen trennen, seinen Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit ewigem Feuer verbrennen (Matth 3,11). Genau das passiert mit der Taufe.
Zunächst: Wieso lässt sich Jesus überhaupt taufen? Johannes ziert sich, wie kann ein Mensch, der mit Wasser tauft, einen taufen, der mit dem Heiligen Geist tauft? Das ist irgendwie verdrehte Welt. Jesus sagt: Lass es jetzt (so sein)! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Was will er damit sagen? Lass es SEIN. Die griechische Wortwurzel (dike) liefert die Antwort: Das Geschehen soll weisen, es soll zeigen. Das kann es aber nur, wenn es geschieht. So gibt Johannes nach und Jesus steigt ins Wasser.
Wasser ist der Quell des Lebens. Mensch wird im Wasser, im Fruchtwasser. Wasser ist das Element, in dem er zu seiner physischen Gestalt heranwächst. Leben kommt aus Gott und wächst im Wasser, in kindlicher Unschuld und Reinheit. Ein ungeborenes Kind ist noch ganz beseelt vom Göttlichen. Wasser ist unsere erste Heimat, das Element, in dem wir uns geborgen fühlten, ohne zu wissen, was das eigentlich ist. Das Taufwasser erinnert an diese göttliche reine Heimat, bringt uns – nachdem wir angelandet sind – zurück in die göttliche Heimat.
Johannes ist wütend, als er die Pharisäer zur Taufe kommen sieht. Was fällt euch ein zur Taufe zu kommen? Und wenn ihr schon kommt, dann nehmt das ernst, bereut euer unheiliges Leben ehrlich, kehrt um, bringt in Zukunft Frucht. Glaubt nicht, dass Gott nicht ehrliche Reue und Umkehr von Pharisäertum unterscheiden kann. Er kann Weizen von der Spreu unterscheiden und er hat die Worfel in der Hand, die die Spreu vom Weizen scheidet. Jeder Weizen hat Spreu. Bevor der Weizen zu Brot werden kann, nähren kann, muss er von der Spreu befreit werden. Jesus drischt uns, damit die Hülsen, die Grannen, die Samenhüllen, die Spelzen von uns abfallen. Die Worfel ist die Taufe, das Taufwasser. Mit der Taufe sind wir bereit, gute Frucht zu bringen, können nähren. Jesus ist auch Mensch und darin keine Ausnahme. Sein Wirken, seine Wundertaten, beginnen bei der Hochzeit vonKanaan, sie beginnen nach der Taufe.
Johannes, der Wissende, sagt: Er wird seine Tenne durch und durch reinigen und seinen Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu aber wird er im ewigen Feuer verbrennen. Mit der Taufe, mit dem Taufwasser fällt die äußere Hülle, die den fruchtbaren Kern verdeckt, und wir finden uns in Gottes Tenne wieder. Jesus sammelt mit der Taufe sein Volk auf seiner Tenne. Johannes taufte mit Wasser. In den Bibelübersetzungen steht, er taufte, indem die Menschen ihre Sünden bekannten. Das griechische Wort für Sünden ist Harmartia. Das heißt zunächst ganz neutral, das Ziel verfehlen (nach Elberfelder Studienbibel). Wann „Sünde“ daraus geworden ist, vermag ich nicht zu sagen, aber Johannes hat sicher das gemeint: Kehrt um, ihr Pharisäer, ihr habt das Ziel verfehlt, ihr bringt, so wie ihr lebt, keine Frucht.
Und noch etwas sagt uns Johannes: Das Weizenkorn muss gedroschen werden, damit die Spreu von ihm abfällt. Die Spreu wird Jesus ins Feuer werfen und im unauslöschlichen Feuer verbrennen. Das ist eine gute Nachricht. Die Spreu ist der Teil des Weizenkorns, der keine Nahrung gibt, die Hülse, die nichtfruchtbare Hülle des Weizenkorns. Jedes Weizenkorn hat eine Hülle, jeder Mensch einen Teil, auf den er verzichten kann, der den Blick auf sein Innerstes, auf Gott verstellt, der verhindert, dass er nähren kann, zu guter Frucht wird. Mit der Taufe wird diese hinderliche Hülle weggespült und gibt unseren fruchtbaren Kern frei.
Taufe heißt eintauchen in Gott, in die Tiefe der Quelle des Lebens, in die Fruchtblase Gottes, in seinen Bauch, in seine Geborgenheit, in seinen Schutz. Er nährt mich mit seiner Nabelschnur. Mit der Taufe werde ich in Gott geboren, werde sein Kind.
Lieber Luther, wieso ist es erlaubt, Kinder taufen zu lassen, obwohl sie die Entscheidung nicht selbst getroffen haben. Ist das wirklich unsere Entscheidung? Jesus hat die Worfel in der Hand, nicht wir. Wie lang ein Korn gedroschen werden muss, bis die Spreu von ihm abfällt, ist unterschiedlich, aber der Tag wird kommen, an dem sie abfällt. Jeder Augenblick, der mich von Gott trennt, ist ein verlorener Augenblick, ist Spreu. Ich wurde getauft, als ich 4 Wochen und 1 Tag alt war und bei dir war es sicher nicht viel anders.
Herzliche Grüße
Deborrah
PS: Wie du wohl gemerkt hast, bin ich nicht bis zu den offenen Himmeln gekommen. Jesu Taufe passt nicht in einen einzigen Brief. Über die Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes schreibe ich dir – hoffentlich – morgen.

Zensur

Lieber Luther,
heute ist Erntedank. Eigentlich ein Freudentag, ein freundlicher Tag, denn es ist ein Tag, an dem wir Gott danken sollten, für ein Jahr des Säens, Wachsens, Erntens. Eigentlich. Leider ist daraus ein Tag geworden, der mich wiedermal an der organisierten Form des Glaubens, an Kirche zweifeln und fast verzweifeln lässt. Wohlgemerkt, ich rede von Kirche, nicht Glauben. Vielleicht muss ich mich einfach auch mal wieder auskotzen und hinterher ist es wieder besser, auch wenn es bitterböse daherkommt, das ist mir bewusst.
Dass ich das hier wieder einmal niederschreibe, hinausschreie, öffentlich mache, ist Teil der Geschichte, meiner Auseinandersetzung mit Kirche, meinem Kirchenalltag. Ich muss mir darüber klar werden: Tue ich mir das noch an oder lasse ich es? Passt zur Tagesfrage bei glauben2017: Warum ist es oft so schwer „rüberzubringen”, dass Religion nichts Bedrückendes ist? Mich bedrückt der sonntägliche Gottesdienst oft sehr. Wieso gehe ich, wenn ich jeden Sonntag bedrückter aus der Kirche gehe als ich gekommen bin?
Die Kirche war heute schön geschmückt und recht voll. Das ist zunächst positiv. Jedoch, es war nur äußerer Putz, reine Fassade. Das liturgische Gebet zum Eingang war poetisch, aber aufgewärmt, bereits am Sonntag vorher im Einsatz, was unüblich ist. Ist zwar in Sachen Gottesdienstvorbereitung ökonomisch, das lange Wochenende lässt grüßen, für den regelmäßigen Gottesdienstbesucher, eine Spezies die zugegebenermaßen nicht sehr häufig anzutreffen ist, aber verwunderlich. Die Überlegung, dass sicher nicht viele Menschen an zwei Sonntagen hintereinander in die Kirche gehen, trifft sicher zu, aber zähle ich nicht? Bin ich nicht der Mühe wert? Was ist das für ein Signal? Oder aber war die Überlegung: Hört sowieso niemand zu, fällt sicher keinem auf, was sich auch nicht sehr wertschätzend anfühlt für die, die überraschenderweise nicht dem Kirchenschlaf fröhnen oder ihre Gedanken anderswo haben.
Der Predigttext heute leuchtete unsichtbar wie bei Nebukadnezar als Menetekel an der Wand:
Ihr sollt nicht Schätze sammeln auf Erden, sie werden von Motten und Rost gefressen, sammelt Schätze im Himmel (Matth 6, 19-21).
Auf der Predigt scheint die Energie nicht gelegen zu haben. Heraus kam eine grottenschlechte Predigt, bei der ich – was selten ist – Mühe hatte, dass meine Gedanken nicht abschweiften. An Erntedank, dem Dank an die Natur, war vom Internet die Rede, von Facebook. Eine Art Generalabrechnung mit der digitalen Welt. Statt Spiritualität wurde Internet gegeben.
Der Tenor war: Wieso muss man alles im Internet teilen, auf Facebook oder Google, insbesondere die Jüngeren. Ohne Facebook Profil, so denke die Internet-Schein-Gemeinschaft, sei es als ob man nicht lebe. Weil die armen Jugendlichen nicht im wirklichen Leben leben. Mal ein bisschen rausgehen, Freunde treffen. Platter und Unwissender geht es nicht mehr. Abgesehen davon, dass der Herr Pastor nicht auf der Höhe der Zeit ist – Facebook war einmal, es ist bei den Jüngeren so was von out, viel outer geht schon kaum mehr – haben sich die handvoll junger Menschen, die im Gottesdienst waren, sicher auf die Sweatshirtkapuze getreten gefühlt. Anstatt seine intimen Gedanken und Bilder zu posten, solle man sie doch lieber Gott mitteilen. Wie bitte? Was denkt sich angesichts einer solchen Anrede ein zwangsverpflichteter Konfirmand, andere Jugendliche sind ja –warum wohl? – nicht anwesend? Herr Pastor, Sie haben keine Ahnung davon, dass Jugendliche das Internet sehr sinnvoll zur Kommunikation nutzen und via Internet Lerngemeinschaften bilden, aktiv miteinander lernen, was in einem Flächenland wichtig ist und ein Segen. Schnell abhaken.
Oder waren die vielleicht gar nicht gemeint? So von gestern kann er doch unmöglich sein? Dann die Hauptkirchenbevölkerung der über 65jährigen? Die haben wahrscheinlich weiten Teils gar nicht verstanden, von was der Herr Pastor geredet hat. Oder wissen die, was eine „Cloud“ ist? Auch nicht?
Da kommen wir der Sache schon näher. Ja, nicht nur die Jungen haben sich an den Pranger gestellt gesehen, auch ich. Ich veröffentliche viel und durchaus auch Gedanken, die mich beschäftigen. Wieso trage ich das nicht nur vor Gott, sondern auch in die Blogs? Das ist es offensichtlich, was stört.
Das kann man einerseits verstehen. Das ist unbequem, wenn man so einen Querulanten dazwischen hat, wenn jemand zuhört und auch noch wagt, das ein oder andere kritisch zu hinterfragen, auch noch so öffentlich. Oder halböffentlich, schließlich ist ja nicht bekannt, um welche Kirchengemeinde es geht. Das stört die Gemächlichkeit. Lieber im eigenen Kirchengemeinde-Saft braten, das ist berechenbarer und lenkbarer. Wo kommen wir hin, wenn das jeder tut? Eine Zumutung für jeden Pastor.
Wer denkt, Pastor regelt das im Gespräch, der irrt ganz gewaltig. Selten habe ich so viel Stummheit, Sprachlosigkeit, mangelnde Kommunikationsfähigkeit erlebt wie bei Pastoren. Die Mehrzahl steht hier bewusst. In Unternehmen kann man sich so viel Sprachlosigkeit nicht erlauben. Also adressiert der Pastor die Botschaft dort, wo er Hoheitsgewalt hat und der Zuhörer sich nicht wehren kann: im Gottesdienst, in der Predigt. Manchmal hätte man Lust einfach dazwischenzurufen: Was redest du für einen Unsinn. Vielleicht müsste man das einfach mal tun, das würde bestimmt Leben ins Gotteshaus bringen.
Andererseits ist es genau das, was an Kirche bedrückt. Es ist nicht die Schrift, nicht der Glaube, es ist die Organisation und das Personal der Organisation. Immer wieder bringt es mich an die Grenzen meiner Toleranz und Duldungsfähigkeit, immer wieder setzt der Fluchttrieb bei mir ein, immer wieder kommt der Zorn in mir hoch. Immer wieder muss ich mit mir kämpfen, um nicht auch mit den Füßen abzustimmen.
Die Qualität der Gottesdienste schwankt stark, je nach diensthabendem Geistlichen und selbst bei den besseren sind wirklich gute Predigten eher selten. Letzte Woche gab es eine sehr gute Predigt, heute eine miserable, letzte Woche sehr spirituell, heute unterirdisch. Was ich für gut halte oder nicht gut, darin bin ich höchst subjektiv, das nehme ich auch so für mich in Anspruch. Schließlich gehe ich in die Kirche, damit ich am Ende etwas daraus ziehe, sonst könnte ich es lassen. Die Mehrzahl lässt es schon lange und die Frage ist, ob ich dazugehören will oder notgedrungen muss. Wollen tu ich es sicher nicht, es ist die Frage, ob ich es noch aushalten kann.
Das Internet, mit seiner Freizügigkeit auch in Glaubenssachen, scheint manch einem kirchlichen Rollenträger ein Dorn im Auge. Wieso müssen die Leute so etwas Intimes wie ihre Gebete, ihre Gespräche mit Gott, ihre Glaubenserfahrung im Internet, in Blogs posten? Überflüssig, falscher Ansatz, ist die Botschaft, da verfehlt man Gott. Man möchte fragen: Was ist der Unterschied zum Buch? Es gibt doch auch Bücher, in denen Gebete, Schriftauslegungen, Glaubensfragen erörtert werden. Die werden doch auch verkauft. Der Unterschied ist, dass der Markt da unter wenigen aufgeteilt ist, die die Marktführerschaft haben, die beruflich Berufenen. Das Internet hat uns von diesem Auslegungs- und Deutungsmonopol befreit. Ein Trumpf, der sticht, wenn auch nicht unbedingt für das, was ich organisierte Kirche nenne.
Ok, wieso benutze ich das Internet, um mich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen, wieso erlaube ich mir, mich zu Glaubensdingen zu äußern, obwohl ich kein Kirchenprofessioneller bin, nicht Theologie studiert habe? Eine Anmaßung, so scheint es, für den ein oder anderen Theologen. Vorweg möchte ich schicken, dass natürlich nicht alles schwarz oder weiß ist. Es gibt sicher viele Geistliche, die eine hervorragende Arbeit machen, die vielen Menschen helfen. Dennoch drücke ich mich nicht, ich will die Frage – ganz subjektiv – beantworten, bewusst akzentuiert und bewusst politisch inkorrekt, um die Dinge auf den Punkt zu bringen:
Ich setze mich mit Glaubensfragen im Internet auseinander,
weil ich an euch Kirchenprofessionellen verhungere,
weil ich mich mit euch nicht auseinandersetzen kann,
weil eure distinguierten Bibelkreise kein Forum ist, in dem man sich wohlfühlen kann,
weil ihr Glaubensseminare macht, bei denen man vom Glauben abfällt,
weil eure Zirkel ausgrenzen,
weil ihr alles abblockt, was nicht ins gewohnte Schema passt,
weil ihr nicht authentisch seid,
weil man sich schon an der Kirchentür verwundert die Augen reibt, weil ihr schon vergesssen zu haben scheint, was ihr gerade verkündet und von den Zuhörern, sofern welche vorhanden waren, eingefordert habt,
weil ihr nicht vorlebt, was ihr verkündet,
weil ihr nicht so glaubhaft seid, dass man an eurem Beispiel lernen könnte,
weil ihr mehr Glaubenszweifel vermittelt als Glaubenserfahrungen,
weil ihr in Sachen Glauben lieber auf andere verweist als auf euch selbst,
weil ihr es nicht versteht, weite Teile der Gläubigen anzusprechen und einzubeziehen,
weil ihr längst die Definitionshoheit verloren habt, wie Kirche und Glauben zu leben ist, ihr es nur noch nicht richtig gemerkt habt,
weil man sich bei euch fragt, seid ihr wirklich berufen oder tut ihr euren Beruf,
weil ihr mehr Sozialarbeiter seid als Gottesarbeiter,
weil ihr den Menschen nicht vorangeht, keine Hirten seid,
weil ihr den Menschen nicht zeigt: hey, Glauben geht, ich zeig dir, dass es geht,
weil ihr zurückschreckt vor dieser Verantwortung, vor direkter Nachfolge,
weil ihr euch und eurem Glauben nichts zutraut,
weil man bei dem ein oder anderen das Gefühl hat, dass er Gott gar nicht kennt,
weil ihr stumm seid und euch den Fragen der Suchenden nicht stellt,
weil ihr euch lieber als Mitsucher gebt, denn als Wegweiser, falsch verstandene Verbrüderung,
weil Blog- und Internetgemeinden viel lebendiger sind als eure Kirchengemeinden,
weil sich die Gläubigen längst – dank Internet – zu ortsunabhängigen Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen haben,
weil sie sich gegenseitig helfen, das Loch zu schließen, die Fragen zu beantworten, die ihr nicht beantwortet,
weil wir dort welche finden, die ihre Glaubenserfahrung mit mir teilen.
weil ich allein mit euch im Glauben verloren wäre und mir viele Dinge selbst erarbeiten muss,
weil ich, was ich erarbeite, gern teile, vielleicht gibt es dem ein oder anderen einen Denkanstoß, vielleicht eckt es auch an, vielleicht bewegt es,
weil, wenn es auch nur einen einzigen außer mir bewegt, sich gelohnt hat und
weil sich die Auseinandersetzung lohnt selbst, wenn es nur mich bewegt, d.h.
weil ich Gewinn für mich aus dieser Auseinandersetzung ziehe,
weil ich es nie so strukturiert, genau und systematisch tun würde, wenn ich nur denken würde, ohne zu schreiben, ohne zu veröffentlichen,
weil mich jede Veröffentlichung vorher zur Rücksprache mit Gott zwingt,
weil ich tun will, was in meinen Möglichkeiten steht,
weil ich weiß, was Glauben, Gotteserfahrung ist und davon erzählen will,
weil das Internet jedem die freie Wahl lässt, zu lesen, was ich schreibe oder nicht,
weil im Internet eine Wahlfreiheit besteht, womit ich mich auseinandersetzen will oder nicht.
Ob es passt oder nicht, ich lasse mich nicht schreib-mundtot machen, ich lasse mich auch nicht von der Kanzel zensieren, auch wenn ich das abkanzeln nicht verhindern kann, es sei denn, ich bleibe dem Gottesdienst fern. Lieber Luther, dieser Beitrag erinnert mich irgendwie an die Wurzeln dieses Blogs vor knapp einem Jahr. Das macht mich eher traurig, denn eigentlich ist es zum Heulen. Ich denke, du bist da ganz bei mir. Mal sehen, ob ich wieder in die Kirche finde, vielleicht freut man sich auch, wenn man mich los ist….
Herzliche Grüße
Deborrah.

Warum glauben Menschen an Gott?

Lieber Luther,
zu deiner Zeit war – unabhängig, ob die Menschen in die Kirche gingen oder nicht – Glaube noch fest verankert in den Menschen. Dieser Anker ist in weiten Teilen der westlichen Kultur längst verloren gegangen, verschüttet worden. Die Menschen erkennen, sehen ihn nicht mehr, sie treiben ankerlos im Strom der Zeit. Viele Menschen können nicht mehr einfach glauben, sie fragen nach „Beweisen“ für Gott. Warum glauben Menschen an Gott? Der gläubige Mensch wird hinterfragt, als ob er irgendetwas hätte oder nicht hätte, das der wissenschaftlichen Erklärung, des Beweises bedarf.
Mensch denkt, es besteht nur, was er mit seinen sieben Sinnen begreifen und mit seinen selbstgestrickten Denkmodellen nachvollziehen, „beweisen“ kann. Heute erklären und beweisen wir die Welt so, und wenn das wissenschaftlich überholt ist, beweisen wir sie eben anders. Wir beweisen, wie und was wir gerade vermögen oder eben nicht. Heute ist die Erde eine Scheibe, morgen eine Kugel. Psychologisch-soziologisch-historisch-naturwissenschaftliche Erklärungsversuche sind nichts als begrenzte Versuche, die die Zeit nicht überstehen und Glaube als Ganzes nicht erklären können, so wenig wie sie den Menschen als Ganzes erklären können. Wenn noch nicht einmal Mensch, der irden fassbar ist, in seinem ganzen Sein konsistent „beweisbar“ ist, wie wollen wir Gott „beweisen“? Hierin sind dem Menschen in seiner ihm innewohnenden Beschränktheit natürliche Grenzen gesetzt.
Gott braucht keinen Beweis in diesem menschlich wissenschaftlichen Sinn, auch nicht im historischen Sinn. Er zeigt sich in einem und wirkt im Alltag erlebbar. Die Bibel erzählt davon, in Gleichnissen, Bildern, wahren Begebenheiten. Wer in der Bibel Historie sucht und nicht Gott, verfehlt die Botschaft. Glauben hat keinen Beweis, Glauben braucht keinen wissenschaftlichen Beweis oder Begründung. Glauben braucht Weisheit und Verstand. Wer einen Beweis braucht, glaubt nicht.
Die Frage, warum Menschen glauben, ist eine Frage nach dem Grund. Sie meinen, alles was existiert, müsse einen nachvollziehbaren Grund haben, fassbar, beweisbar sein. Diese Frage stellen typischerweise Menschen, die nicht glauben. Sie fragen aber nicht, wieso glaube ich nicht, sondern, wieso gibt es Menschen, die glauben. Sie suchen die Antwort beim anderen anstatt bei sich selbst. Sie kehren die Beweislast um, als ob Glaube eine Rechtfertigung brauche, eine Begründung, Nichtglaube aber nicht. Sie denken, wenn diejenigen, die an Gott glauben, es nicht so beweisen können, dass ich das auch glaube, dann glaube ich nicht, dass Gott da ist, existiert. Wer glaubt wird dann gerne schnell in die Ecke und in eine Schublade gesteckt, ganz so als leide der Gläubige unter einer Krankheit. Aber vielleicht ist es ja gerade umgekehrt?
Menschen, die glauben, brauchen für sich keine Rechtfertigung für den Glauben. Für Menschen, die glauben, stellt sich die Frage, wieso sie glauben, nicht, weil Gott sich ihnen gezeigt hat. Gott ist da, Gott leitet und begleitet. Gott wohnt im GRUND ihrer Seele. Sie spüren diesen Grund. Sie erkennen ihn als den einzigen Grund. Aus diesem Grunde glauben sie.
Für Menschen, die glauben, ist Gott an sich ganz natürlich vorhanden. Es scheint eher so zu sein, das für diejenigen, die nicht glauben, diejenigen die glauben, ein Stein des Anstoßes sind. Sie stoßen auf Menschen, die sich hierin grundlegend von ihnen unterscheiden. Sie sehen anders, denken anders, haben andere Werte. Das stößt die Gedanken beim Nichtgläubigen an. Gott eckt an und fordert heraus, zeigt ihm seine menschlichen Denk-, Seh-, Erfahrungs-Grenzen auf. Gott fordert ihn auf, sich aufzuschließen und ihm die Tür zu öffnen. Er kommt gern, wenn man sie aufmacht.
Lieber Luther, eigentlich brauchen wir uns nicht über Glauben zu unterhalten. Du weißt was das ist, ich weiß es. Es gibt aber viele Menschen, die es nicht wissen. Die Frage ist, kann man „beweisen“, dass Gott existent ist? Gotteserfahrung ist Erfahrungswissen, keine Wissenschaft. Deshalb können wir nur erzählen, was wir erfahren haben, was Glauben im Alltag heißt, ganz subjektive Gotteserfahrung, nicht pseudo-objektiver Gottesbeweis. Ich denke, mehr vermag der Prediger nicht, mehr ist uns nicht gegeben und nicht aufgetragen. Die Tür zu Gott suchen, muss jeder selbst, dann hilft er auch, sie aufzumachen. 
Ich weiß, dass deine Tür schon sperrangelweit aufsteht. Die Tage werden kühler. Pass auf, dass du dir keinen Zug holst.
Herzliche Grüße
Deborrah

Determination – Selbstbegrenzung

Lieber Luther,
heute fasse ich ein heißes Eisen an. Angeregt wurde ich dazu durch eine Frage bei glauben 2017, an deren Beantwortung sich bis jetzt noch keiner gewagt hat. Es ist die Frage nach der Determination, unserer Determination durch Gott und – anscheinend entgegenstehend – unsere Willens-, Handlungs-, Entscheidungsfreiheit.
Das ist eine hochphilosophische Frage mit vielen Antworten. Eine letztendliche „wahre“ Antwort gibt es nicht. Die Art der Beantwortung der Frage hängt daran, wie man sich zur „Determination“ stellt, welchen Schulen und Denkmustern man folgt. Das heißt, unsere Antwort ist schon von unseren – bewussten oder unbewussten – Prägungen und Festlegungen geprägt. Im Folgenden ein paar Denkanstöße.
Existiert „Welt“ tatsächlich in Ursache mit zwangsläufigen Folgen und Wirkungen oder ist das nur ein Denkschema menschlichen Ursprungs? Eine Hilfskonstruktion, um die Welt für uns erklärbar zu machen? Damit wir die Macht (oder Herrschaft?) über die Welt nicht verlieren? Weil uns das Angst macht, die Macht über die Welt zu verlieren? Ist das nicht ein Denkkonstrukt, das unsere Denkfreiheit einschränkt und in einer Weise kanalisiert, die uns den Blick auf das Universale, auf Gott, verstellt? Brauchen wir auf alles Antworten? Wieso? Gott ist metaphysisch. Jede Antwort, die ihn betrifft, lässt sich empirisch nicht überprüfen. Muss mich diese Diskussion, um Determination überhaupt interessieren oder determiniere ich mich da nicht selbst?
Geht das überhaupt: vollkommene Willens- und Entscheidungsfreiheit? Die neuere Hirnforschung sagt, vollkommene Willensfreiheit gibt es nicht. Sind wir nicht geprägt schon vom Mutterleib an, vom ersten Augenblick meines Entstehens? Werde ich eine Frau oder ein Mann? Habe ich das entschieden? Nein? Wer dann? Zufall oder höherer Wille? Muss ich das entscheiden? Wer zwingt mich dazu?
Die Frage ist also, wenn Gott ist, wenn Gottes Wille ist, wenn ich aus Gott komme und am Ende wieder ganz mit ihm vereint bin, wenn Gott in mir ist und er meine Wege leitet, bin ich dann von ihm bestimmt? Ist das, was ich tue in meinem Willen oder in seinem Willen? Bin ich seine Marionette, sein Werkzeug? Wo bleibt da meine Willens- und Handlungsfreiheit? Bestimmt Gott oder bestimme ich, was ich tue und lasse? Gibt es da eine feste Ursache – Wirkungsabfolge? Beten wir nicht „dein Wille geschehe“? Um die Frage auf den Punkt zu bringen: Ist Gott Ursache, bin ich vorherbestimmt Folge und im meinem Willen, meinen Entscheidungen und in meinem Handeln so bestimmt, das mein Leben genau so abläuft, wie es abläuft oder habe ich da auch noch eine Möglichkeit mitzubestimmen? Wobei man fragen kann, wieso ist das so wichtig für uns, dass wir selbst bestimmen? Dieser Frage will ich aber jetzt nicht nachgehen.
Diese Fragen nach der Determination hängen wie ein Damoklesschwert über dem Gläubigen. Soll ich Glauben Gott ist Realität oder ist er ein menschliches Konstrukt, um unser Wohlbefinden zu verbessern, etwas, an das wir uns klammern können, um uns von unserer Verantwortung für das Hier und Jetzt davonzuschleichen und uns die Angst vor dem Nichts nach dem Tod zu nehmen?
Gott ist unser Ausgangs- und Endpunkt. Heißt das zwangsläufig, wir sind von ihm in all unserem Tun, Entscheiden und Handeln von ihm bestimmt? Das das was ist, zwangsläufig so ist und nicht anders sein kann. Oder ist es nicht so, dass ich aus freiem Willen ihm nachfolge, Jesus nachfolge. Das Bild von Gott als Vater hilft uns bei dieser Nachfolge, da wir – idealerweise – mit Vater Liebe und Sorge verbinden. Ob Vater oder Mutter spielt hier absolut keine Rolle. Das ist eine Prägung auf „Eltern“, die schon im Mutterleib beginnt. Nicht nur wir, sondern auch Tiere haben sie. Gott ist mein freier Wille, meine freie Entscheidung, mein freies Handeln. Alles an Gott und meinem Verhältnis zu Gott ist eben nicht determiniert, sondern ist vollkommen frei. Ich muss nicht an ihn glauben, ich muss ihm nicht nachfolgen. Auch in der Art, Gott zu denken, bin ich vollkommen frei. Keiner kann mich zwingen, einem kirchlichen Dogma, einer Lehrmeinung zu folgen, keiner kann mich zwingen für wahr zu halten, was in der Bibel steht. Ich bin darin frei und eben nicht determiniert. Ein Blick in die Realität zeigt, dass das auch der Lebenswirklichkeit entspricht.
Gott wirkt, bewirkt. Auch das ist für den gläubigen Menschen eine Tatsache. Aber ist das eine Ursache-Wirkung-Bestimmtheit des Menschen? Oder ist es gerade umgekehrt: Mensch bestimmt und Gott folgt? Eine interessante Umdrehung der Verantwortlichkeiten.
Der Mensch als Wesen und im Wesen Teil von ihm Seiender, entscheidet, handelt, gut oder böse oder in Abstufungen dazwischen, voll verantwortlich für all sein Tun. Gott erkennt dieses Entscheiden und Tun des Menschen in all seinen Folgen und ist beim Menschen in all seinen Entscheidungen und Folgen. Gott ist mit uns, was immer wir tun. Er folgt uns, auch wenn wir ihm nicht folgen. Gott hat uns volle Handlungs-, Entscheidungs- und Ausführungsvollmacht gegeben: Macht euch die Erde untertan. Er folgt uns mit seiner Liebe und Barmherzigkeit. Gott bewirkt an uns seine Liebe als Echo auf unser selbstverantwortliches Tun. Er muss dies zwangsläufig tun, will er uns nicht verlieren. Auch das ist Lebensrealität.
Gott ist die Liebe, das ist ein für den Glaubenden wahres Wissen. Nicht nur Gott ist die Liebe, auch der Mensch will Liebe erhalten, von anderen Menschen, von Gott, von einem selbst. Mensch will Liebe geben und wenn er Liebe gibt, ist er ganz bei sich selbst. Liebe geben und Liebe nehmen, aktivieren im Gehirn die gleichen Regionen, und nicht nur im Gehirn, auch in unserem Herzen. Das ist der Punkt, in dem wir ganz bei uns sind und ganz bei Gott. Unbestimmt, frei, ohne Abgrenzung, ohne Getrenntsein.
In Liebe zu leben – äußerer und innerer, ist das universale Prinzip, ist die Vereintheit von Gott und Mensch. Das ist der Schnittpunkt zwischen Mensch und Gott. In ihm sind Gott und Mensch eins, absolut in Übereinstimmung und Frieden miteinander. Es gibt in diesem Punkt keine Ursache und Wirkung, kein oben und unten, keine Zeit, keine Willens-, Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und auch keine Notwendigkeit, diese zu haben. Dort gibt es kein Gott und ich, keine Getrenntsein, kein Dualismus, kein Ursache-Wirkungsprinzip. Es ist ein SEIN, ein EINS-SEIN, ein GEMEINSAM-SEIN. Ist das nicht das Paradies?
Lieber Luther, „Determination“ kommt aus dem Latein und heißt „abgrenzen, „bestimmen“, „begrenzen“. All das ist Gott, die Beziehung zu Gott, unsere Bestimmung in Gott eben nicht. Kann Mensch das nicht lassen, sich selbst zu begrenzen? Sich hin zu Gott zu begrenzen, sich von ihm abzugrenzen. Es fühlt sich gut an Gott und Glaube in Freiheit, in gedanklicher Unbegrenztheit zu leben.
Gott ist mein Anfangs- und Ausgangspunkt, Gott wirkt, Gott ist die Liebe, in der es kein Getrenntsein, keine Bestimmtheit, keine Determination, gibt. Aber ich glaube du weißt das.
Herzliche Grüße
Deborrah

Gottes Lied vom Leben und Sterben

Lieber Luther,
oft denken wir, wo Gott ist, muss alles gut sein, insbesondere unser Leben, das Leben der anderen, wo Gott ist, muss Friede sein. Wenn wir uns umschauen, müssen wir erkennen, dass das nicht so ist. Welche Rolle spielt da Gott, in diesem Spiel des Lebens?
Gott lässt uns Mensch sein und steht mit uns das Menschsein durch. Mit Jesus tat er das fleischlich und konkret. Wie das auf einer abstrakteren Ebene geht, erklärt uns Gott im Lied vom Leben und Sterben, Gottes Lied, gesungen durch Mose (5.Mose 32, 1-43).
Es klingt in unseren Ohren zunächst martialisch, nach einem zornigen, rächenden Gott. Wenn wir es uns aber genau ansehen, erkennen wir, dass es das Gegenteil ist, es zeigt uns, wie Gott mit unseren Verfehlungen umgeht: Gott sichert uns seine Treue und sein Erbarmen zu, wie viel Unrecht wir auch tun, wie oft wir uns auch gegen ihn stellen, wie sehr wir auch fehl gehen.
Wenn wir dieses Lied des Lebens und des Sterbens in unsere Sprache übersetzen, erkennen wir, dass es noch genau so aktuell ist wie vor 3400 Jahren. Ich will mich da auch nicht weiter einmischen:
„Horch auf, du Himmel, ich will reden, und die Erde höre die Worte meines Mundes. Wie Regen träufle meine Lehre, wie Tau riesele meine Rede, wie Regenschauer auf frisches Grün und wie Regengüsse auf (welkes) Kraut!“ (2)
Hört und seht, der Fels ist vollkommen und all meine Wege sind recht. Ich bin ein Gott der Treue, egal wie ihr euch mir darbietet. Ihr versündigt euch gegen mich, ihr verweigert mir eure Kindschaft und macht euch damit selbst zum Schandfleck.
Aber ihr seid ein Teil von mir und ich ein Teil von euch. Ihr seid die Nachkommen Jakobs, den ich behütete wie meinen Augapfel und den ich unter meine Fittiche genommen und auf meinen Flügeln getragen habe. Das will ich auch euch, als seine Erben, tun, wenn ihr auf mein Wort hört und mich euren Gott sein lasst.
Aber, ihr seid eine verkehrte und verdrehte Generation, seit vielen Generationen, die auf mein Wort nicht hört. Ihr seid nicht treu, schafft eure eigenen Götter. Ihr werdet daran zu tragen haben – Männer, Frauen, Kinder, Alte, Junge. Und ich, Gott, lasse es zu, ich rette euch nicht vor euch selbst. Ihr werdet ernten, was ihr sät. Ihr werdet die Konsequenzen eures Tuns selbst tragen müssen. Alles Jammern wird euch nicht helfen, auch nicht, dass ihr mich für eure Taten verantwortlich macht, dass ich retten soll, was ihr verbockt habt.
Dennoch verlasse ich euch nicht, denn ich bin ein treuer Gott. Ich werde nicht zulassen, dass das Böse am Ende über das Gute triumphiert und das Böse sich für das Gute ausgibt.
Du, mein Volk, hörst auf keinen Rat, zeigst keine Einsicht, wie trostlos du dir deine Welt auch bereitest, wie groß die Zeichen auch sind, die ich schicke. Ich kann nicht alles gut heißen, was du tust, deshalb tue ich Zeichen, die nur ich tun kann. Seht sie, hört sie, handelt danach.
Ihr habt immer die Wahl, ihnen zu folgen oder nicht. Jeden Tag könnt ihr euch von neuem für mich entscheiden. Wenn ihr meinem Wort und meinen Zeichen nicht folgt, ist es eure Entscheidung, ihr müsst dann aber auch mit den Konsequenzen leben, im Hier und Jetzt, im Leben und im Sterben. Ich kann euch tot lassen, aber auch zum Leben erwecken, ich kann zulassen, dass ihr euch gegenseitig zerschlagt, aber auch heilen. Ihr solltet erkennen und anerkennen, dass nur ich das kann, so wahr ich ewig lebe.
Wenn du weise wärest, mein Volk, würdest du bedenken, dass du mit all deinem Tun einmal konfrontiert wirst. Dann wirst du dein Böses und Gutes erkennen und mit mir gemeinsam ansehen. Das werde ich dir und mir nicht ersparen, aber es reinigt und versöhnt uns miteinander. Und dann, wenn ich sehe, dass ihr erschreckt vor dem Bösen, das Böse loslasst und euch ihm verschließt, werde ich Erbarmen mit euch haben und ihr werdet erkennen, dass ich euer Gott bin und kein anderer Gott neben mir ist.
Dann wirst du, mein Volk, jubeln, dann werde ich jubeln, dann werden wir gemeinsam jubeln.
So wahr ich euer Gott bin.

Glauben

Lieber Luther,
vor mir liegt ein Senfkorn. Ich habe es vom heutigen Sonntagsgottesdienst mitgebracht. Es ist klein, trotzdem habe ich es nicht verloren. Was hat es mit diesem Senfkorn auf sich?
„Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! so wird er euch gehorsam sein.“ (Luk 17, 5-6).
Die Predigt fand ich schön und zunächst eingängig und konsistent. Die Apostel hätten gar nicht den Glauben gemeint, Glaube könne man nicht stärken. Glaube sei eine Beziehung zu Gott, hieß es da. Gott, Jesus an sich sei Glaube.
Die Fragen sind erst hinterher gekommen. Kann man Glauben wirklich nicht stärken, mehren, vertiefen? Widerspruch hat sich in mir geregt, deshalb, lieber Luther, musst du wieder herhalten.
Glaube besteht sicher auch in einer „Beziehung“ zu Gott. Aber gerade Beziehungen muss man pflegen, man kann sie stärken, man kann sie auch schwächen, man kann sie beenden, sich nicht entwickeln lassen oder ihnen auch den Todesstoß versetzen. Beziehungen sind fragil und immer in Gefahr, die Beziehung zwischen Menschen, aber auch zu Gott.
Für Jesus kam die Frage der Apostel nicht überraschend, er kannte das schon: Wieso ist euer Glaube so klein, kommt es postwendend zurück. Der Kleinglaube der Apostel war bei Jesus oft Gegenstand seiner Belehrungen. Sie, die „Glauben“ in die Welt tragen sollten, zu stärken, gehörte zum Kern der Mission Jesu, seine Apostel, seine Nachfolger, zu lehren undauf seine Nachfolge vorzubereiten.
Zunächst: Was ist Glaube? Sich über etwas zu verständigen, das so abstrakt und individuell ist wie Glaube, ist schwierig. Wie äußert sich Glaube? Eine allgemeingültige Antwort gibt es hier nicht, es gibt wahrscheinlich so viele individuelle Ausprägungen, wie es gläubige Menschen gibt. Deshalb gibt es wohl „den“ Glauben nicht, sondern nur Glaube.
Wenn man anfängt auszusortieren, scheint zumindest klar zu sein, dass es Menschen gibt, die glauben und Menschen die nicht glauben – egal um welche Religion es sich handelt. Glaube ist also etwas, das an das Individuum, an den Menschen, an den jeweiligen Menschen, an den Einzelnen, dich, mich gebunden ist oder auch nicht. Glauben tut man oder eben nicht. Insofern ist das nichts, das man selbst beeinflussen kann. Glauben, glauben können an sich, ist zunächst eine göttliche Gnade. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass man niemand einen Vorwurf machen kann, wenn er nicht glaubt. Gott weiß, dass erst am Ende der Zeit alle glauben werden. Insofern sieht er das wahrscheinlich wesentlich unaufgeregter als die Gläubigen, die die Zahl der Ungläubigen bejammern.
Wäre noch die Frage, ob man den Glauben durch fromme Übungen, durch Gebete, durch Bibellesen herbeibeten kann. Sicher nicht, das bewirkt eher das Gegenteil und endet im schlechten Fall in Psychosen. Man kann sich auf die Suche nach Gott machen, im Idealfall in und mit guter Begleitung, und er wird sich sicher finden lassen, aber auf seine Weise und nicht wie wir uns das idealisiert ausmalen.
Wie man aber glaubt, wenn man glaubt, in welcher Sicherheit, in welcher Tiefe, in welcher Unangefochtenheit, in welcher Stärke, mit welcher Berge versetzender Kraft, darin besteht ein Unterschied. Der Weg im Glauben ist lang, steinig und schmerzhaft. Man sollte sich das nicht so vorstellen, dass man eine Erleuchtung hat, wie Paulus, und dann ist man Apostel. So ist das sicher nicht. Glaube ist auch Arbeit, um Glaube muss man ringen, im Glauben ist man Anfechtungen ausgesetzt, Glaube muss man pflegen und gießen, sonst wächst das Senfkorn nicht. Glauben muss man erfahren, erleben, jeden Tag. Es ist auch notwendig, seinen Glauben immer wieder zu hinterfragen, damit man nicht für Glauben hält, was am Ende Aberglauben ist. Aber genau das stärkt den Glauben und lässt einem im Glauben wachsen. Es ist die Anfechtung, nicht selbstgerechte Gewissheit. Selbst Jesus ist in seinem Glauben in der Wüste angefochten worden. In dem Fall hat die Seele Fastenzeit. 
Wenn die Jünger ihren Glauben klein fanden und gerne darin bestärkt werden wollten, ist das etwas, was für Menschen normal ist. Sie – und wir – sind nicht wie Jesus, sie sind nicht Gott, sie sind schwach und können nur versuchen, stärker zu werden. Sie bitten den um Hilfe, der allein helfen kann. Es zeugt von gesundem Realismus, dass sie sich ihrer Schwäche – auch im Glauben – bewusst sind, mit Jesus als Gallionsfigur jeden Tag vor Augen sowieso.
Im Glauben hat man eine Beziehung zu Gott, man vertraut sich Gott an, bekennt sich zu Gott, wirft sich ihm in die Arme, redet mit ihm, sitzt mit ihm zu Tisch. Dass die Jünger einen solchen Glauben, eine solche Glaubensbeziehung, hatten, steht außer Frage. Das ist, was Mensch aus sich heraus vermag: Sein Vertrauen in Gott setzen, an Jesus glauben und ihm nachfolgen. Das ist, was Jesus in seiner Brotrede gemeint hat. Das ist sozusagen der Glaubensalltag.
Das ist aber nicht das, was Jesus wirklich in Frage stellte mit diesem Senfkorn-Vergleich. Jesus meint hier einen ungleich größeren Glauben, einen Glauben, der Berge versetzen kann oder eben Maulbeerbäume.
Deutlicher wird dies bei der Heilung des Fallsüchtigen: Die Jünger versuchen nach dem Vorbild Jesu zu heilen, schaffen es aber nicht. Jesus herrscht sie an: „Ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Die Jünger fragen, wieso ihnen nicht gelungen sei, zu heilen. Die Antwort ist eindeutig: Wegen eures Kleinglaubens, „denn wahrlich ich sage euch, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: Hebe dich weg von hier dorthin! Und er wird sich hinwegheben und nichts wird euch unmöglich sein.“ (Matth 17, 17 ff). Jesus ist fast am Ende seines Weges und seine Jünger haben immer noch nicht den Glauben, der heilen lässt, sie sind kleingläubig. Das Beispiel, als Petrus über das Meer gehen will und versinkt, sagt nichts anderes (Matth 14, 30-31).
Es geht also um einen Glauben, der Dinge vermag, die außerhalb der menschlichen Möglichkeiten liegen, Berge oder Bäume versetzen allein, aus Glaube. Übers Meer gehen. Nichts wird euch bei diesem Glaube unmöglich sein, so sagt Jesus. Da stehen wir ganz klein vor unserer Angst. Das trauen wir uns dann doch nicht zu. Das Vertrauen in dieses Wort ist nicht groß genug, dass wir genug Vertrauen zu uns hätten, dem zu glauben.
In der Elberfelder Übersetzung bitten die Apostel Jesus auch , MEHRE uns den Glauben, das heißt: Gib zu dem Glauben, den wir schon haben, noch das Stück Glaube hinzu, das uns heilen, das uns andere heilen, das Berge versetzen, übers Meer gehen lässt. Es ist hier von einer Glaubensgröße die Rede, die uns – mich jedenfalls – erschauern lässt. Trauen wir uns das zu? Oder muss sich unser Glaube nicht doch noch mehren, stärken? Glauben wir Jesus und gehen los, gegen jeglichen Verstand, gegen jegliches Naturgesetz? Es gibt Menschen, die das können, es ist nicht unmöglich.
Was sagt uns die Symbolik des Senfkorns? Es gibt annähernd 400 Gattungen von Senf. Senf ist also nicht gleich Senf. Senf ist ein Kreuzblütler, das ist schon eine Symbolik an sich. Es gibt Arten, die als Wildpflanzen und auf Schutt wachsen, wild, unkultiviert, nicht domestiziert. Es gibt aber auch Arten, die als Nutzpflanzen, als Gemüse-, Würz-, Arznei- oder Futterpflanzen dienen. Auch hier, wie kürzlich schon vergleichbar bei dem Baumverweis, wird auf die Vielartigkeit in Gottes Reich, in dem Fall im Bild des Senfs, des Senfkorns, hingewiesen.
Das Senfkorn muss gesät werden, gehegt und gepflegt. Es kann unter Dornen fallen, auf Fels oder auf unfruchtbaren Boden, wie im Gleichnis vom Sämann beschrieben. Nur wenn das Senfkorn auf fruchtbaren Boden fällt, wächst und gedeiht es, so wie es bei Markus beschrieben ist, als die Jünger fragen, wie das Reich Gottes zu beschreiben ist und Jesus antwortet:
Es ist wie ein Senfkorn, das, wenn es auf die Erde gesät wird, kleiner ist als alle Arten von Samen, die auf der Erde sind. Wenn es aber ausgesät ist, geht es auf und wird größer als alle Kräuter und es treibt große Zweige, so dass unter seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können (Mar, 4, 30 ff).
So wird aus etwas, was zu Beginn das Kleinste ist, am Ende das Größte. Das Senfkorn ist der Glaube. Aber: Das Senfkorn braucht Zeit, sich zu entwickeln, zu wachsen, und es braucht die entsprechende Umwelt, damit es überhaupt wachsen kann. So ist es mit den Jüngern: Ihr Glaube ist zwar schon aus dem Senfkorn gewachsen, treibt und wächst, aber er hat noch nicht die Größe, dass er den Vögeln des Himmels eine Wohnung geben könnte. Er ist noch nicht so groß, dass er für andere eine heilsame Kraft sein kann, dass er Maulbeerbäumen gebieten könnte und sie gehorchen würden.
Der Maulbeerbaum steht hier als Symbol für den Menschen. Das Charisma der Jünger ist noch nicht so groß, dass sie die Menschen bewegen könnten, gar heilen. Der Maulbeerbaum galt als Symbol der Klugheit, als der Weiseste der Bäume. Wenn Jesus sagt: Wenn ihr nur so viel Glauben habt wie der kleinste aller Samen, das Senfkorn, dann vermögt ihr die Weisesten der Menschen aus ihrer Verhaftung zu lösen und sie würden „gehorchen“, d.h. sie würden Jesu Wort nachfolgen. Seine Apostel und Prediger würden mehr können, als sie nur aus sich heraus vermögen. Jesus formuliert hier die Glaubensvoraussetzungen, die es – noch nicht zu diesem Zeitpunkt, aber später – den Aposteln doch noch möglich machte, größer als sie selbst zu sein, zu heilen, ohne zu wissen wie, das Wort in die Welt hinauszutragen, ohne in ihrer Mission zu scheitern.
Wie viel Zeit, wie viel Lernen notwendig ist, um zu so einem Glauben zu gelangen, hat Jesus in dem Weg gezeigt, den er mit den Aposteln gegangen ist. Es war ein hartes Stück Arbeit für ihn, in ihnen ihren Glauben so wachsen zu lassen, so zu mehren, so zu stärken, dass sie die Glaubensstärke hatten, die notwendig war, um die Botschaft in die Welt hinaus zu tragen und die Leiden, die ihnen dabei auferlegt waren, mit Demut zu tragen. Das konnten sie nur durch eine innere Stärke, zu der sie erst gelangen mussten. Ihr Senfkorn musste erst zu einem Heilkraut mit großen Ästen wachsen, in denen andere Geschöpfe sich bergen konnten.
Jesu redet in diesem Senfkornbild von der Zukunft: Wenn ihr so viel Glauben habt …. Ja, lieber Luther, bis wir so viel Glauben haben, dass im Vertrauen auf diesen Glauben auch das scheinbar Unmögliche möglich wird, dass wir über uns hinauswachsen können, wir unsere (Selbst-)Beschränkungen, unser uns Nichtzutrauen, hinter uns lassen können, wir Berge versetzen könnten im Glauben, das wird sicher noch dauern. Jedenfalls bei mir. Ich werde das Senfkorn aufheben, als Ansporn. Ob wir, lieber Luther, jemals Berge versetzen können?
Herzliche Grüße
Deborrah

Himmelsleiter

Lieber Luther,
manchmal steigen wir die Lebensleiter hoch, hin und wieder bricht eine Sprosse und ab geht es nach unten, wenn man Pech hat ungebremst. Auf wundersame Weise erkennen wir dann aber, dass wir gar nicht fallen, sondern nur die Leitern gewechselt haben.
Die Geschichte von Jakob und Esau ist ein Beispiel hierfür (1.Mose 25-28). Jakob und Esau waren Zwillingsbrüder, schon gegeneinander kämpfend im Mutterleib. Esau war der wilde, der Instinkt Geleitete, der Naturmensch. Er kam rötlich behaart zur Welt und behaart blieb er. Jakob war der Folgsame, der Ziel-Gerichtete, ein „glatter“ Mann, dabei war er durchaus auch skrupellos.
Jakob versuchte – mit Erfolg – Esau sein Erstgeburtsrecht abzukaufen, was ihm auch gelang, mit einem einfachen Gericht aus roten Linsen. Esau kam von der Jagd, hatte Hunger und wollte von „dem Roten“, das Jakob gekocht hatte, essen. Jakob hat aber nicht brüderlich geteilt, sondern zur Bedingung gemacht, dass Esau ihm sein Erstgeburtsrecht dafür überlasse. Bei Esau war der Magen näher als der Verstand und so willigte er leichthin ein. Zunächst war das nur ein Handel unter den beiden, der Segen Isaaks, des Vaters, fehlte dazu noch.
Rebekka, deren Lieblingssohn Jakob war, hatte einen Plan, Jakobs Erstgeburtsrecht widerrechtlich zu legalisieren. Jakob zog Esaus Kleider und Fellhandschuhe an, so dass sich seine Hand wie Esaus behaarte rauhe Hand anfühlte. Rebekka kochte Isaaks Lieblingsessen, was diesen einschläfern und die Sache befördern sollte.
Isaaks Lieblingssohn war aber Esau. Er fühlte, dass er bald sterben würde und wollte Esau als seinen Erstgeborenen mit all seinen damit verbundenen Rechten segnen. Er schickte ihn deshalb, ein Wild zu schießen und ihm ein Mahl zuzubereiten, „dass ich esse, damit meine Seele dich segnet“.
Das war das Szenario, als Jakob vor Isaak erscheint. Isaak war blind, aber nicht dumm. Er wundert sich, dass Esau schon wieder so schnell von der Jagd zurück ist. Jakob lügt frech beim Namen Gottes: „Weil der Herr , dein Gott es (das Wild) mir (so schnell) begegnen ließ“. Isaak bleibt misstrauisch und will seinen Sohn betasten. Er erkennt: Deine Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände. Er traute nicht der Stimme, er traute den Händen und so segnete er ihn und wurde von Jakob getäuscht.
Jakobs und Esaus Schmerz war groß, als sie den Betrug bemerkten, aber der Segen war ausgesprochen und nicht mehr rückgängig zu machen. Jakob war über Esau gesetzt. Es ist nicht verwunderlich, dass Esau Rachegedanken gegen Jakob hegte und dieser fliehen musste.
Ist das deine Gerechtigkeit, o Gott? Du belohnst einen Betrug? Nun ja, Jakob musste in der Folge 20 Jahre seinem Onkel dienen, bevor er sich wieder in die Heimat aufmachen konnte. Gottes Wege sind für uns nicht nachvollziehbar und wir können sie nicht nach unseren (wechselhaften) Moralvorstellungen bewerten, beurteilen oder gar verurteilen. Da würden wir uns über Gott setzen.
Vor diesem Hintergrund bettete sich Jakob auf der Flucht vor Esau im Staub von Haran unter freiem Himmel zur Ruhe, mit einem Felsstück als Kopfkissen, als sich ihm der Himmel auftat.
Eine Himmelsleiter erschien ihm in Traum, Engel die auf der Leiter herunter und hinaufstiegen, Himmel und Erde verbanden. Gott erschien ihm persönlich, um ihm eine Botschaft zu verkünden, die Gottes Programm für alle Zeiten ist (1.Mose 28, 13-15):
Dir und deiner Nachkommenschaft,
werde ich das Land, auf dem du liegst, geben
ihr sollt wie der Staub der Erde werden und
euch in alle Himmelsrichtungen ausbreiten,
In euch sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.
Und siehe, ich bin mit dir, und
ich will dich behüten,
überall, wohin du gehst,
und dich in dieses Land zurückbringen,
denn ich werde dich nicht lassen,
bis ich getan, was ich zu dir geredet habe.
Das ist Gottes Botschaft an uns, stellvertretend, vor 4000 Jahren über Jakob an die Menschheit ergangen und immer noch gültig, tief im kollektiven Gedächtnis der Menschheit vergraben, in unserer Seele eingestaubt. Sie ist gültig für alle Geschlechter, selbst wenn man sie wegwischt wie Staub, als Staub wird sie wieder zu Erde und fruchtbar.
Gott verspricht Jakob: Mein heiliges Land werde ich euch geben, meine heilige Stadt, mein Haus. Menschen so zahllos wie die Staubkörner werden mir nachfolgen, das heißt, am Ende alle Menschen, egal von welchem Volk oder welcher Himmelsrichtung sie kommen. Durch den Segen, den ich auf dich lege, sind auch sie gesegnet. Auch wenn du in unbekanntes Land ziehen musst, dich unterwerfen, dienen, nicht alles nach Plan läuft, ich bin bei dir und werde dich behüten, wohin du auch gehst. Ich werde dich immer in mein Haus zurückbringen. Ich werde dich nicht lassen. Auch, wenn du Böses getan hast und noch Böses tun wirst. Ich bleibe bei dir, bis du in mein Haus zurückgekehrt bist.
Gott hat sich höchst selten in der Bibel direkt einem Menschen gezeigt, in solch unvergleichlicher Klarheit und Direktheit nur Jakob. Deshalb ist das eine der zentralsten Bibelstellen überhaupt. Gott hat seine Botschaft selbst verkündet, in einer weltumspannenden Gewissheit, die nur Gott haben kann.
Der äußere Rahmen zeugt davon und ist der Feierlichkeit des Augenblicks angemessen: die Himmelsleiter, die Himmel und Erde verbindet, die Engel, die auf- und niedersteigen, in stetem Dienste im Auftrag Gottes an den Menschen. Sie ist Teil der Botschaft Gottes:
Siehe, Himmel und Erde ist verbunden, durch viele Sprossen, die man rauf und runter gehen kann. Die Engel kennen diese Leiter und sie nutzen sie, wenn ich sie zu euch schicke. Ihr seid nicht allein, ich oder einer der Meinen ist mit euch, wir sind beständig im Einsatz für euch.
Jakob erkennt das: Hier ist heiliges Land, hier ist Gottes Haus, hier ist die Pforte zum Himmel.
Lieber Luther, ehrfürchtig und andächtig wie Jakob sollten auch wir werden, wenn wir uns vergegenwärtigen, was dort eigentlich geschehen ist und vor allem, welche Botschaft uns Gott dort vermittelt: Ich lasse dich nicht. Auch wenn du fehlst. Jakob selbst ist hierfür ein beredtes Beispiel oder davor schon sein Großvater Abraham. Gott lässt uns nicht fallen, er behütet uns, auch wenn wir in die Irre ziehen.
Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du auch hingehst. Ich habe dieses göttliche Zusage seit ein paar Jahren auf meinem Armaturenbrett im Auto kleben. Wenn ich deprimiert, entmutigt, ratlos bin und mein Blick auf dieses Gotteswort fällt, bin ich augenblicklich getröstet. Es geht eine große Kraft von ihm aus. Wir sollten es uns an die Stirn kleben und in jeden Winkel unseres Herzens, damit wir die Lebensleiter besser hochkommen. Einen Klebestift lege ich bei.
Herzliche Grüße
Deborrah

Von der Blindheit zum Sehen

Lieber Luther,
der letzte Brief, den ich dir schrieb, handelte von Blindheit. Von der Blindheit des Tilmann Moser und auch von einer partiellen Blindheit des Predigers. Es erfüllt mich mit einer gewissen Ehrfurcht und Andacht, dass es im Predigttext dieses besagten Sonntages um die Heilung eines Blinden ging (Joh 9, 1-7). Das ist in meinem letzten Brief ganz unter den Tisch gefallen und fällt mir gerade ins Auge.
Um das gleiche Thema geht es nämlich auch im heutigen Predigttext (Mark 8, 22-26). Dass es heute schon wieder um eine Blindenheilung geht, auch das erfüllt mich mit Ehrfurcht und Andacht. Es geht – man höre – um einen 2-Stufen-Heilungs-Plan. Gott ist im täglichen Leben sehr präsent.
Wieso tut Jesus gerade an Blinden so viele Wunderheilungen? Für was stand die Blindheit? Was war die Botschaft dahinter? Was sagt uns das heute noch?
Blindheit war schon zu Jesu Zeiten und ist auch heute noch die Volkskrankheit Nr. 1. Wir sind blind gegenüber den Nöten und Bedürfnissen unserer Mitmenschen, wir verschließen die Augen vor so vielem, bei dem wir hinschauen sollten, wir sind manchmal blind vor Zorn. Blind sind wir auch Gott gegenüber, können sein Wort nicht lesen oder ihn nicht sehen.
Oft ist so viel Finsternis in uns und um uns herum, dass wir nur noch im Dunkeln tappen.
Die schlimmste Art der Blindheit ist aber ein blindes Herz. Jesus ist gekommen, um
den Armen das Evangelium zu verkünden,
die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,
den Gefangenen zu predigen
den Blinden ein „Gesicht“ zu geben (Luk 4, 18),
d.h. die Blinden sehend zu machen, sie aus ihrer Gefangenschaft in der Dunkelheit zu befreien, ihre verletzten Herzen zu heilen, durch sein Wort, durch das Evangelium, Gott in ihm selbst ein Gesicht zu geben, damit wir sehend werden, ihn ansehen können und er uns. Denn ein Blinder kann keinem Blinden den Weg weisen, sie fallen gemeinsam in die Grube ( Lukas 6, 39). Solange die Menschen blind sind, finden sie nicht zu Gott. Grab anstatt Auferstehung, Dunkelheit anstatt Licht, Verirrung anstatt Nachfolge.
Bei der Heilung des Blinden bei Jericho entwickelt sich folgender Dialog:
Jesus fragt den Blinden: Was willst du, dass ich dir tun soll?
Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni, dass ich sehend werde.
Jesus aber sprach zu ihm: Gehe hin; dein Glaube hat dir geholfen. Und alsbald ward er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. (Mark 10, 46-52).
Sein Glaube hat ihm geholfen, er ward sehend und folgte nach. Damit ist im Prinzip alles gesagt. So geht es. Dein Glaube hat dir geholfen, hat dich heil gemacht, geh den Weg, den du jetzt siehst.
Ins Auge sticht in der Heilungsgeschichte in Markus 8, dass Jesus zwei Anläufe zu brauchen scheint, um dem Blinden die Augen zu öffnen. Wie auch schon in der Geschichte in Joh 9 heilt Jesus auch hier zunächst mit Spucke. Spucke steht hier für sein lebendiges Wasser, sein Heilwasser, das die Dunkelheit hinwegschwemmt. Aber, was sieht der Blinde: „Ich sehe die Menschen, denn ich sehe sie wie Bäume umhergehen.“ (Mark 8, 24, nach Elberfelder Übersetzung). Das ist der entscheidende Satz in dieser Geschichte.
Der Blinde sieht viele verschiedene Arten von Menschen. Der Baum steht für den Menschen in seinem natürlichen Wachstum. Es gibt kleine und große Bäume, unscheinbare und hervorstechende, schwache und mächtige, Bäume die von innen her faulen und Bäume, die von Schädlingen befallen sind. Manche Bäume nehmen den anderen das Licht, andere wiederum gedeihen im Schatten von größeren Bäumen. Manche Bäume passen gut zusammen, manche können nicht miteinander gedeihen, manche wachsen schnell, manche langsam. Bäume brauchen unterschiedlichen Nährboden und sie gedeihen nur in einem bestimmten Klima. Manchen Bäumen reichen flache Wurzeln, manche haben tiefe Wurzeln. Es gibt Nadel- und Laubbäume, Bäume, die sich gegenseitig befruchten, unfruchtbare und fruchtbare Arten.
Der Baum ist in der Geschichte ein Bild für den Menschen in seiner Vielgestaltigkeit. Der Blinde, den Jesus heilt, sieht zunächst vor lauter Bäumen nicht diejenigen, die auf Gottes Acker wachsen, die für ihn fruchtbaren Bäume. Er muss sich an sein Sehen erst gewöhnen, er muss erst lernen zu sehen. Er weiß nicht, an wem er sich orientieren soll. Ihm ist seine Blindheit zwar genommen, aber noch kann er nicht klar erkennen, welcher Baum für ihn gut ist und welcher nicht. Er sieht, aber er kann nicht einordnen, sieht nicht hinter die Fassade, er sieht die Oberfläche, nicht in die Herzen und nicht mit dem Herzen. Er spürt aber, dass das nicht alles sein kann. Jesus erkennt das an der Art der Antwort, die der Blinde auf seine Frage gibt, ob er etwas sähe. Der Blinde scheint sich zu wundern.
Offensichtlich gibt es unterschiedliche Arten von Sehen: eine oberflächliches und ein tiefer gehendes, unscharfes und klares Sehen. Sehen hat immer zwei Seiten: der der sieht und der der angesehen wird. Der Blinde sieht selbst noch nicht klar und sieht auch diejenigen, die er ansieht, nur undeutlich.
Deshalb geschieht eine zweite Heilung. Jesus legt also dem Blinden ein zweites Mal die Hände auf die Augen, um diesen Grauschleier von seinem innren und äußeren Auge zu nehmen. „und er sah deutlich und ward wieder hergestellt und sah alles klar.“ Es ist ein doppeltes Heilungsgeschehen, zwei Stufen, nach innen und außen gewendet, der Sehende lernt wie man mit dem inneren Auge sieht und die zu sehen, die er ansieht.
Erst jetzt ist er wirklich sehend. Er war wieder hergestellt heißt, er ist wieder in seinem Urzustand, er ist heil, gesund, die Krankheit, die innere Blindheit ist von ihm gewichen und erst durch die zweite Heilung war er auch in Gottes Klarheit gekommen. Er konnte Jesus ins Gesicht schauen und die Bäume, die Menschen, in all ihren Unterschieden erkennen, in ihrem unterschiedlichen natürlichen Wachstum.
Lieber Luther, eine tolle Geschichte, ich bin ganz begeistert. Das Alte und Neue Testament berichtet viel von Blindheit, geheilte und ungeheilte. In dieser Geschichte wird klar, wieso für Jesus die Heilung von Blinden so wichtig ist, wieso er sich so um sie kümmert, so oft an ihnen Wunder tut. Er will damit sagen: So handele ich an euch. Ich heile euch, ich mache euch sehend, seht was ich vermag, lasst euch von mir anrühren, macht die Augen auf, dann seht ihr klar.
Aber, lieber Luther, manchmal sind wir alle Blindschleichen. Dann sollten wir uns von Jesus in die Augen spucken lassen. Aber nicht zwinkern, damit es nicht daneben geht. Ja, Gott ist im täglichen Leben sehr präsent, ob wir ihn sehen oder nicht.
Herzliche Grüße

Deborrah

Gottesvergiftung

Lieber Luther,
heute schreibe ich dir über ein Thema, das dein Leib und Magen-Thema ist, nämlich Sünden.
Vor ein paar Wochen wurde im Sonntagsgottesdienst ein Wort gebraucht, das mir jedes Mal, wenn es fiel, einen Stich gab. Meine ganze Person weigerte sich, dieses Wort in mich einfließen zu lassen. Wie das so ist, ließ es mir aber keine Ruhe, und als geübter Googler fand ich es schließlich im Internet wieder: Gottesvergiftung, hieß dieses Wort, in einem Gotteshaus in einem Gottesdienst mehrmals gefallen. Ich habe auch den Autor dazu gefunden, der dieses böse Wort in die Welt gesetzt hat: Tilmann Moser. Er wurde auch im Gottesdienst erwähnt, vor Schreck habe ich mir den Namen aber nicht gemerkt.
Im ersten Affekt wollte ich dir sofort schreiben, weil alles in mir sich dagegen aufgelehnt hat. Aber: Ich habe mich dann entschieden, mich zuerst damit auseinanderzusetzen, und nicht dem ersten Impuls zu folgen.
In den 10 Geboten heißt es: Du sollt den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht (2.Mos 20, 7). Das schoß mir sofort durch den Kopf, als ich dieses unselige Wort zum ersten Mal von der Kanzel auf mich zurollte und mich überfuhr.
Was hat es nun damit auf sich? Zusammengefasst handelt es sich um das Werk eines religiös pubertären 30jährigen. Er schlägt auf Gott ein, meint aber sein gesellschaftlich-familiäres Umfeld. Anstatt mit seiner Familie, rechnet er mit Gott ab. Religiosität gehörte zur Familientradition, Pfarrer säumten den Familienstammbaum. Gott wurde als Drohmittel eingesetzt, Sündenängste aufgebaut. Das Kind nahm Schaden und wollte den ihn bedrohenden Gott loswerden. Das ist Zweck des Buches „Die Gottesvergiftung“. Nur, ist Gott dafür verantwortlich?
Mir selbst ist das völlig unbekannt. Mein Großvater vermittelte mir, bis zu seinem Tod, das Bild des guten Hirten. So sehe ich Gott heute noch. Nach dieser kurzen Zeit mit ihm bin ich sozusagen gottlos aufgewachsen. Gott war in unserer Familie quasi nicht existent. Kleine Sünden bestrafte bei uns das Leben, nicht Gott. Im besagten Gottesdienst hörte ich es zum ersten Mal in dieser Version. In meiner Konfirmandenzeit fing ich an, Gott aktiv zu suchen, ich spürte ihn, aber den Türöffner habe ich nicht gefunden, auch niemand, der mir die Tür aufgemacht hätte. Mit (Jugend-)Kirche konnte ich nichts anfangen. Ich befürchte, ich ringe immer noch mit ihr. Ich habe dir schon mehrfach davon geschrieben und vielleicht ist dieser Brief an dich ein Teil davon. Aber, solange man ringt, lebt die Beziehung noch. So hat es noch weitere Jahrzehnte gedauert, bis ich das Schloss, das mir die Tür zu Gott öffnete, endlich fand und Menschen, die mich dabei begleiteten.
Ich komme quasi von der entgegengesetzten Richtung, die Tillmann Moser beschreibt. Ich hatte eher ein Zuwenig an Gott, denn ein Zuviel. Vielleicht erklärt es meinen Hunger nach ihm und auch, wieso sich alles in mir gegen dieses gottlose Wort sträubt. Gottesdienst ist Dienst an Gott und nicht Verunglimpfung. Wie kann man Gott und Vergiftung zu einem Wort zusammenziehen? Mir tut dieses Wort innerlich weh, es kommt mir, wenn auch schwer, zwar über die Tastatur, aber nicht über die Lippen.
Zurück zu Tillmann Moser. Er kam von seinem Thema, obwohl er nach wie vor verkündet, er brauche Gott nicht mehr, dennoch nicht los. Fast 30 Jahre später hat er ein weiteres Buch über einen „erträglichen“ Gott geschrieben. Er ist Psychoanalytiker und hat im Umgang mit Pfarrern und in der täglichen Arbeit in seiner Praxis dazugelernt. Er versucht, seine Patienten über eine mögliche Gottneurose hinweg zu helfen, lässt ihnen aber Gott oder bestärkt sie gar in ihrem Glauben, da wissenschaftlich erwiesen ist, dass gläubige Menschen körperlich und seelisch gesünder sind.
Von der Seite kommend, kann er Gott wieder akzeptieren. Wie einen Kollegen, der hilft, seine Patienten zu heilen. Als glaubender Mensch kann man darüber schmunzeln.
Seine Analysen brachten ihn zu einem Wort, mit dem ich sehr viel anfangen kann: Andacht. Andacht ist für ihn ein feierlicher Zusammenhang, der durch starke Bilder, Musik oder andere Wahrnehmungen ausgedrückt wird. Er kommt zu einem für ihn erstaunlichen Ergebnis: „Es gehört wohl unabdingbar das Moment eben jener rätselhaften Verknüpfung von Selbst und Kosmos oder höherer Macht hinzu, das in gesteigerten Momenten in mystische Erfahrung übergehen kann.“ (S30). Diese Fähigkeit zur Andacht, die in jedem Menschen liegt, kann etwa durch bedrohliche Bilder, einen bloßen Richtergott oder durch die Sündenbedrohung bei einem Kind verletzt oder ganz beschädigt werden. Damit sind wir beim Glauben und beim missbrauchten Glauben.
Lieber Luther, so habe ich den altersweisen Tillmann Moser doch noch mit Gewinn gelesen und sein Bericht über einen Workshop mit Pfarrern liest sich amüsant, ist aber auch lehrreich und gibt tiefe Einblicke in Pfarrerseelen und ihre Zwiespalte.
Allerdings den Jüngern zu unterstellen, sie litten unter einer Gottesvergiftung, weil sie Jesus fragten, ob der Blinde blind sei, weil er oder seine Eltern gesündigt haben (Joh 9, 1-7), halte ich für abwegig. Die Jünger waren theologisch noch jungfräulich, sie waren einfach lernbegierig und haben den Meister direkt gefragt. Dazu war er da. Die Sündentheologie ist Theologie und kam später auf. Was ist das für eine Botschaft an eine sowieso schon glaubensmäßig unsichere Gemeinde? Wenn schon die Jünger und späteren Apostel an dieser Krankheit litten, wie schwer muss ich dann krank sein?
Ich bleibe dabei, dieses Wort gehört nicht in ein Gotteshaus. Man kann von missbrauchter Andacht, von missbrauchtem Glauben reden, um Ängste zu nehmen und Missbrauch anzusprechen. Aber immerhin: Durch dieses böse Wort habe ich mich mit diesen negativen Aspekten von Glauben auseinandergesetzt. Es ist ja nicht der Glaube, es sind – wie immer – die Menschen, die in diesem Fall im Glauben fehlen.
So sollte es wohl so sein, dass dieses Wort in diesem Gottesdienst gefallen ist. Für mich ist nichts Zufall und damit bin ich auch mit diesem Gottesdienst versöhnt.
Sündenbedrohung von Menschen an Menschen hat übrigens, lieber Luther, nichts damit zu tun, dass Gerechtigkeit und Recht die Stützen Gottes sind. Er nimmt große und kleine Sünden nicht einfach hin. Ansonsten machen große Teile der Bibel keinen Sinn. Alles was von Geboten und Recht handelt, bedarf eines Richters. Er wägt ab und fährt durchaus auch dazwischen, nach seinem Maß. Aber das hat etwas Reinigendes, Befreiendes, manchmal auch subjektiv Bedrohliches, wenn man nicht lassen will, was man lassen soll, aber es dient immer unserer Befreiung, nicht unserer Einschüchterung oder gar Bedrohung. Das wäre eine ziemliche Fehlinterpretation. Man sollte nicht von einem Extrem in das andere verfallen, da geht man fehl.
Herzliche Grüße
Deborrah
Tillmann Moser: Gottesvergiftung, Frankfurt 1980.
Tillmann Moser: Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott. Psychoanalytische Überlegungen zur Religion. Stuttgart 2003.

Top, die Wette gilt – Lucifer und Hiob

Lieber Luther,

dass es Bedrohungen für den Menschen gibt von seinen dunklen Seiten, vom Satan, wie du diesen Teil des Menschen genannt hast, war dir selbstverständlich. Satan wohnt irgendwie in der Hölle, was immer wir uns darunter vorstellen. Bedrohlich, dunkel klingt es in jedem Fall.

Daran habe ich gedacht, als ich gefragt wurde, ob ich nicht einmal etwas über Lucifer schreiben könnte. Lucifer, meine erste Assoziation war Unterwelt, Dunkles, Böses. Seit Wochen denke ich über die Dimensionen von Lucifer nach, nicht zuletzt deshalb, weil er mir in letzter Zeit häufiger begegnet ist.

Lucifer hat eine überraschende Seite. Das Wort „Lucifer“ ist lateinisch und heißt „Licht bringend“. Lucifer heißt Morgenstern, der Planet Venus ist Lucifer, in der griechischen Mythologie der Sohn der flatterhaften Eos, der Göttin der Morgenröte. Von ihr hat er das Flatterhafte geerbt. Lucifer steht zunächst für das aufgehende Licht. Lichtbringend und blutrot ist Lucifer. Als ob der über den Menschen aufgehende Tag etwas über die Ambivalenz aller Tage der Menschen wüsste.

Von Lucifer ist in Psalm 139 die Rede. Gott ist mit uns, sieht all unsere Wege, sieht in unsere Herzen, sieht in den finstersten Winkel unseres Seins. Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mich in die Hölle, siehe so bist du auch da, nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich auch dort deine Hand halten und deine Rechte mich leiten. Spräche ich, Finsternis möge mich decken, so muss die Nacht auch Licht sein, das mich umhüllt, denn auch Finsternis ist nicht finster bei dir und die Nacht ist dein Licht, das mich umfasst, ich sehe es nur nicht.

Irgendwann ist aus Lucifer im christlichen Verständnis etwas Satanisches geworden. Wann und warum interessiert hier nicht. Im Buch Hiob passiert etwas an sich Unglaubliches. Gott paktiert faustisch mit dem Satan, nur mit entgegengesetztem Ausgang als bei Faust.

Die Kinder Gottes treten vor den Herrn und der Satan ist auch darunter. Der Herr fragt ihn, wo kommst du her? Er antwortet: Ich bin im Land umhergezogen und habe dort gewütet. Gott fragt: Hast du keinen Respekt vor meinem Knecht Hiob gehabt? Es gibt keinen Vergleichbaren im Land, „schlecht und recht, gottesfürchtig und meidet das Böse“. Der Satan versucht den Herrn: Meinst du, dass Hiob umsonst Gott fürchtet? Du hast gut für ihn gesorgt, dann ist es auch nicht schwer, gottesfürchtig zu sein. Gott hält dagegen: Nehme ihm alles, was er hat, Satan, sein Habe, seine Gesundheit, nur umbringen darfst du ihn nicht. Der Satan hält dagegen: „Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen? (Hiob 1, 6 ff). Top, die Wette gilt.

Das gesamte Buch Hiob beschreibt den Verlauf dieser Wette. Hiob spürt tief in seinem Innern, dass irgendetwas nicht stimmt, dass böse Mächte am Walten sind und er stürzt ob all dem Unglück, das der Satan über ihn bringt, in tiefe Verzweiflung über seinen Gott. Wieso tust du mir das an, o Gott? Was habe ich getan, dass du mich so strafst? Er hadert und klagt an, aber er verliert seinen Glauben nicht.

Seine Freunde eilen herbei, um den verarmten und kranken Hiob zu trösten. Sie sind entsetzt, ob seiner Anklagen an Gott und kommen ihm mit schriftgefälligen Reden, die an seine Demut appellieren. Du versündigst dich Hiob, Gott darf man nicht anklagen, Gott ist Gnade, Gott ist die Liebe. Doch Hiob gibt in allem Elend nicht klein bei, er sieht das Böse, das am Walten ist. Der Satan nimmt ihm nicht nur all seine weltlichen Güter, seine Gesundheit, er kommt auch noch in Gestalt von angeblichen Freunden daher. Hartnäckig versucht der Satan in der Gestalt, Hiob von seinem inneren Gotteswissen abzubringen und auf den Irrweg der schönen Reden und des schönen Gottes-Scheins zu bringen.

Aber Hiob steht felsenfest. Er steht ein für seinen Glauben, auch wenn er arm, krank, verlassen, in die gottlose Ecke gestellt allein auf weiter Flur steht. Er lässt sich nicht beirren. Und Gott verlässt ihn nicht. Der Herr fragt Hiob, wo warst du, als ich die Erde gründete, wer hat das Maß und den Eckstein gesetzt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und alle Kinder Gottes jauchzten, wer hat dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt, dass sie alle Ecken der Erde erfasse und die Gottlosen herausgeschüttelt werden? (Hiob 38, 1-13).

Wer ist der Herr über das Maß, wer setzt den Eckstein, wer zeigt dem Morgenrot seinen Platz, blutrot oder licht? Wer schüttelt den Satan, die Versucher, die Versuchungen, das Böse aus dem anbrechenden Tag heraus? Als Hiob Gott wieder hört, versteht er, was er ihm sagen will. Er demütigt sich vor dem Herrn und findet aus seinem Hader heraus und wieder in die Demut vor Gott hinein. Gott hatte schließlich Erbarmen mit ihm, seinem gottesfürchtigen Diener.

Hiob war der Versuchung, dem Versucher ausgesetzt und Gott hat es ausdrücklich zugelassen. Gott wusste um die Glaubensstärke von Hiob. Er war sich Hiobs so sicher, dass er sogar auf ihn gewettet hat. Deshalb hat er Hiob gewählt, um dem Satan vorzuführen, dass Gott der Herr ist und nicht der Satan. Um das Pharisäertum zu entlarven. Seht, auch die scheinbar Gläubigen können nicht immer das Teuflische vom Göttlichen unterscheiden. Die Versuchung Jesu, als er 40 Tage in der Wüste war, zeigt, wie souverän Gottes Sohn die satanische Herausforderung meistert. Hiob verkörpert den Menschen in dieser Versuchung. Von Souveränität keine Spur.

Gott zeigt der Morgenröte ihren Ort. Lucifer steht nicht nur für den Lichtbringenden, sondern auch für den gefallenen Engel, wie im Buch Henoch beschrieben, für die gefallene Schöpfung Gottes, Adam und Eva, für diejenigen, die Gott gut und böse schuf. Die Versuchungen, die das menschliche Leben bringt, sind für uns oft größer, als Gottes Maß, sein Recht und Gesetz, sein Wille. Lucifer, der gefallene Lichtbringende, verkörpert das Licht, aber auch das Fleischliche, das Blutrot, das Verwundete und Verwundbare. Wir sind alle irgendwie Lucifer. Lichtbringend, gefallen und immer in Gefahr noch weiter zu fallen.

Hiob hat Demut lernen müssen. Er hat das Teuflische durchleiden müssen, seinen Stolz begraben, seine Selbstsicherheit, ein von Gott Geschützter zu sein, dem nichts passieren kann. Gott hat nicht verhindert, dass er so leiden und mit ihm hadern musste. Im Gegenteil, Hiob ist von Gott der Versuchung ausgesetzt, durch all sein Leiden hindurch geschickt worden. Und auch hier: Damit offenbar werde, dass ich, Gott der Herr bin. Gott war sich des Ausgangs von vornherein sicher.

Lieber Luther, diese Hiobsgeschichte ist einzigartig in der Bibel. Ein Buch, das erzählt, wie Gott mit dem Bösen, den dunklen Seiten, der Versuchung, dem Versucher umgeht. Ein Buch, das erzählt, wie Lucifer, der Licht Bringende, am Ende siegt, nicht der Gefallene. Das Hiobsbuch zeigt uns den Weg, gibt Zuversicht und Hoffnung, auch wenn es zunächst nach Hiobsbotschaften aussieht. Ein wunderbares Buch von der Tiefe des Glaubens. Wenn wir von Satan, dem Versucher, bedroht werden oder mehr Lucifer, dem Gefallenen, gleichen, dann sollten wir das Buch Hiob lesen und Psalm 139. Gott und das Böse, im Glauben immer eine Herausforderung für uns Menschen.

Herzliche Grüße
Deborrah

 

Brot und Fisch

Lieber Luther,
der heutige Predigttext befasste sich mit der Speisung der 5000 (Luk 9, 10-17). Irgendwie bin ich dabei nicht ganz satt geworden. Deshalb habe ich das Bedürfnis, noch einen Happen nachzuschieben, ich verspüre immer noch Hunger.
Ich will versuchen, mich nicht zu wiederholen. Ich habe dir zum Thema „Ich bin das Brot“schon mehrmals geschrieben , auch im Hinblick auf das Abendmahl, das untrennbar auf das „Brot“ verweist.
Brot und Fisch kommen bei Jesus immer an Schlüsselstellen vor. Als er seinen Jüngern nach der Auferstehung erscheint und sie ungläubig sind, isst er mit ihnen Brot und Fisch. Mit dem Brot haben wir es leichter als mit dem Fisch. Als „Brot“ definiert er sich selbst, In der wichtigen „Brotrede“: Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt. (Joh 6.51). Im Abendmahl essen wir dieses Brot des Lebens immer von neuem.
Viele Menschen hatten sich an Jesu Fersen geheftet, da sie von seinen Wundertaten gehört hatten. Sie hatten eine gewisse Erwartungshaltung. Jesus war dessen müde und wollte dem entkommen. Das Volk blieb aber hartnäckig und so tat er, was sie erwarteten, er lehrte das Wort Gottes und heilte. „Entlass die Volksmenge“, meinten die Jünger abends, wie wenn Jesus sie festhalten würde. Vielleicht war das auch so. Er wollte davon nichts wissen. Wie könnte auch ein Vater seine Kinder hungrig wegschicken? So bewirkte er das Wunder der Speisung der 5000 mit 5 Broten und 2 Fischen. Aber was vermehrte er da?
Die Zahl 5 symbolisiert in der biblisch-hebräischen Zahlensymbolik die menschliche Bedürftigkeit und die Erlösung durch die Gnade Gottes. Genau das geschah bei der Speisung der 5000. Jesus nahm sich der Bedürftigkeit der hungrigen Menschen an, hielt sie vor Gott und durch Gottes Gnade wurden am Ende alle satt. Nicht nur ihre Mägen wurden satt, sie wurden alle satt im Glauben.
Ähnlich wie später bei den ungläubigen Jüngern und wie heute noch bei uns durch das Abendmahl wächst durch das Essen des Jesus-Brotes der Glaube. Jesu Leib für uns gegeben. Trotz aller Müdigkeit, die Jesus ob der an ihm zerrenden Menschen beschlichen haben mag, gibt er sich, seinen Leib, die Kraft seines Wortes vor Gott für die hungernden Menschen, für uns. Brot ist für Jesus nicht nur ein Nahrungsmittel, um den Hunger zu stillen und die Kraft der Menschen zu stärken, sondern immer auch ein Mittel um den Glauben zu stärken. Dafür gibt er sich ganz, setzt sich mit allem, was er hat ein, am bitteren Ende gibt er auch seinen Körper, sein Leben dafür.
Jesus teilt das Brot nicht selbst aus, er beauftragt seine Jünger. „Gebt ihr ihnen zu essen“. Die Jünger sehen sich aus eigener Kraft nicht in der Lage, so hilft er und gibt genaue Anweisung. Lasst sie sich setzen in Schichten, je fünfzig und fünfzig. Im Markusevangelium heißt es dazu verständlicher: Und er gebot ihnen, dass sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras. Und sie setzten sich nach Schichten, je hundert und hundert, fünfzig und fünfzig (Mark 6, 39).
Er versammelte die Massen gruppenweise um Tische, sie bildeten eine Tischgemeinschaft um seinen Tisch. Materielle Tische werden sie kaum plötzlich in der Wüste aufgetrieben haben. Es wurden größere und kleinere Gruppen gebildet. Sie sitzen im Gras, was einigermaßen erstaunlich ist, da sie sich nahe der Wüste aufhalten: Fürwahr, das Volk ist Gras, das Gras verdorrt, aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit (Jes 40, 6ff). Das Volk bildet kleine Gemeinschaften. Sie werden von den Jüngern mit Fisch und Brot versorgt, wie später die neuen Gemeinden durch die Apostel, wie heute unsere Kirchengemeinden von ihren Pfarrern und Pfarrerinnen. Das Geschehen weist bis zu uns.
Was aber mit den zwei Fischen? Jesus sammelt seine Jünger u.a. bei den Fischern: Ich werde euch zu Menschenfischern machen (Matth 4, 19). Das „Fischen“ meint, um das zerstreute Volk Gottes zu sammeln, sind Fischer notwendig: Siehe, ich will zu vielen Fischern senden, spricht der Herr, die sollen sie fischen“ (Jer 16,16). Dass Jesus die Jünger die Massen speisen lässt und es nicht selbst tut, verweist darauf. Er fordert von den Jüngern Aktion, heißt auch: Ich alleine kann es nicht richten, ich brauche euch, um dem vielen Volk die wahre Nahrung zu geben, die es braucht, um meine Netze zu füllen. Und siehe, ich bin bei euch, ob es hier in der Wüste ist, wo ihr das Volk allein nicht satt machen könnt, oder ob es in rauher See ist, wo ihr die Netze nur füllt, wenn ich bei euch bin. Vergesst nie, dass immer etwas übrig bleibt. Ihr könnt geben und trotzdem verbleibt ein gefüllter Korb. Die Jünger „legten vor“, ob und wie viel jeder aß, lag bei jedem einzelnen, der um den Tisch versammelt war. So ist es auch noch heute.
Der Korb ist prall gefüllt mit Gottes Wort. Ob und wer isst, ob und wer zum Menschenfischer wird, ob und wer in das Netz des Glaubens schwimmt, wer satt wird und wer nicht: Jesus macht da keine Vorschriften. Er bietet den vollen Tisch an, ob man sich daran setzt und isst, liegt in der Entscheidung des Einzelnen.
Brot in Wort und Schrift gibt uns immer Nahrung, zwei Fische sind immer da: der eine Gott und sein Mittler, Jesus, der Vater und der Sohn.  Mahl halten mit dem Einen in beiden, können wir bei jedem Abendmahl. Bei ihnen und mit ihnen werden wir nie hungern. Wir sitzen mit am Tisch der 5000, wenn wir wollen.
Lieber Luther, schon die gewaltige Symbolik dieser „Speisung der 5000“ macht uns satt, glaubenssatt. Jesus, der in Beth’lehem geboren wurde, im „Haus des Brotes“, Jesus tut dieses Nähr-Wunder mit Brot und Fisch in Beth‘saida, was übersetzt heißt „Haus des Fischens“. Er sättigt mit Brot und Fisch, macht glaubensstark mit seinem Wort, lässt uns wie ein Fisch in sein Netz schwimmen, gibt Anweisung und Hilfestellung, wenn uns das Nähren und Fischen nicht so gelingen mag. Unglaublich kraftgebend und sättigend ist diese Speise.
Guten Appetit wünscht Dir
Herzlich
Deborrah

Grenzüberschreitungen

Lieber Luther,

mitten in meine Erstarrung und Lesehemmung hinein ist mir ein Büchlein zugeflogen, über „Grenz-Gängerinnen“. Es handelt von vier Frauen, den vier Frauen aus dem Stammbaum Jesu. Das vermochte mich nun doch zu locken.

Wieso sind bei Matthäus (nicht bei Lukas) diese Frauen erwähnt? Wieso überhaupt Frauen, die Handelsware in damaliger Zeit? Es ist Tamar, Rahab, Ruth und Bathseba. Was soll uns das sagen? Welcher Gewinn sind sie mir heute noch?
Alle vier Frauen sind tief ins Leben verstrickt, so wie Leben spielt, auch heute noch: Verrat, Vergehen, Täuschung, Enttäuschung, Lüge, Unrecht, Verlassenwerden, Verlassenheit, Ehebruch, bis hin zu Mord. Beteiligt daran, Ursache, Verursacher, Versucher, Auslöser sind Männer. Es sind Gottes Männer, die tief menschlich sind und – wie alle Menschen – gute und böse Züge haben. Alle stehen trotz ihrer teilweise bösen Taten in der Ahnenreihe Jesu.

David ist der Hervorstechendste unter ihnen. Seine Frau, ist eigentlich „die des Urija“. Er lässt Urija in einem Auftragsmord beseitigen, um zu verbergen, dass Batscheba schwanger von ihm ist. David, der Psalmschreiber, der Schöngeist. Er erliegt den weiblichen Verlockungen, dem Allzumenschlichen. Er kann dem Versucher nicht widerstehen und übertritt die Gesetze, die er gut kennt. Das erste Kind, während des Ehebruchs gezeugt, stirbt. Batscheba weiß es von vornherein, David erdrückt fast der Schmerz um das Kind. Da kommt Nathan, der weise Prophet und öffnet David die Augen für sein Unrecht. Jetzt erst erkennt es David. Er betet, bereut ehrlich und Gott verzeiht. Erst jetzt findet er zurück ins Leben. (2. Samuel 11-12)

Weiter zurück, Rut. Sie heiratet einen Einwanderer. Als alle Männer der Familie sterben, ist das Unglück groß bei den drei verwitweten Frauen. Als Witwe hatte man nichts mehr vom Leben zu erwarten. Die Schwiegermutter, Noemi, die Liebliche, gibt nicht auf, sondern handelt. Sie entschließt sich, in ihre Heimat zurückzukehren, in der Hoffnung, ein Überleben bei der Verwandtschaft zu finden. Rut geht mir ihr, aus ihrer Heimat in die Fremde, wie zuvor ihre Schwiegermutter. Sie sagt „dein Gott ist mein Gott“. Eine unendlich lange Reise in damaliger Zeit, noch dazu zwei Frauen ohne männlichen Schutz. Sie haben Mut, die zwei Frauen, unendlich viel Gottvertrauen und sie haben Glück. Bòas, ein angesehener Verwandter, stellt sie unter seinen Schutz, verliebt sich in Rut und nimmt sie schließlich zur Frau. Eine wunderschöne, poetische Geschichte mit Happy End nach viel Leid, Entbehrung, Strapazen, Angst. Die beiden Frauen vertrauen in Demut auf Gott und Gott nimmt sie bei der Hand und führt sie einen weiten Weg nach Hause. (Ruth 1-4)

Die Geschichte der Rachab, einer Tempeldirne, beginnt mit Verrat. Sie verrät ihr Volk, die Bewohner von Jericho, und trägt damit zum Fall Jerichos bei. Die Israeliten stehen vor den Toren, Kundschafter haben sich eingeschlichen und werden gesucht. Rachab versteckt sie, belügt die eigenen Leute und lässt sie nachts über die Stadtmauer entkommen. Wieso tut sie das? „Ich weiß, dass der Ewige euch dies Land gegeben hat.“ Sie beruft sich auf Gott. Ihm allein fühlt sie sich verantwortlich und handelt entsprechend. Auch sie ist äußerst mutig. Zum Dank wird sie beim Fall Jerichos verschont. Sie wird die Frau von Jehoschùa und damit eine Ahnin von Jesus. (Josua 2)

Schließlich Tamar, die Frau, die den Söhnen des Juda den Tod brachte und deshalb von Juda aus der Familie verstoßen wurde, zurückgeschickt zu ihrer Familie. Eine Katastrophe für Tamar in damaliger Zeit. Recht- und schutzlos war sie dadurch geworden. Doch Tamar weiß sich zu wehren. Sie verdingt sich als Zonàh, als Hure, und als Juda des Weges kommt, setzt sie sich in Positur. Juda kommt nicht an ihr vorbei. Sie verlangt ein Pfand von ihm: Siegelring, Richterschnur und Hirtenstab, die ganzen Insignien seiner Macht. Und, kaum zu glauben: Er gibt sie ihr, liefert sich aus. Tamar, die sich nicht zu erkennen gab, wird schwanger. Ein weiteres „geht gar nicht“ in ihrem Leben. Juda hört, dass seine Schwiegertochter schwanger ist und will sie zur Rechenschaft ziehen. Tamar zieht ihren Trumpf aus der Tasche: Siegelring, Richterschnur und Hirtenstab. Juda sieht sein hässliches Gesicht im Spiegel. Er lenkt ein: „Lasst sie. Wahrlich , sie ist eine Gerechte! Sie ist im Recht gegen mich.“ Sie ist schön, so nimmt er sie zur Frau und hilft ihr aus der Not, in die er sich gleich doppelt gebracht hat (1. Mose 38)

Alle vier Geschichten sind Geschichten der Bewegung, der Umkehr von Unrecht in Recht: Juda und David sehen ihr Unrecht an den Frauen ein, sie bereuen und kehren um zu den Frauen und damit zu Gott. Noemi, Rut und Rachab brechen auf im Vertrauen auf Gott. Für alle ist ein Weg zu Ende und fängt ein neuer an. Der Weg ist steinig, Unglück, Not, Angst und Bedrängnis säumen die Wegränder. Es kommen aber alle an. Keine der Frauen gibt auf. Gott ist ihnen Stecken und Stab, der einzige, auf den sie sich wirklich verlassen können.

Das Verwunderliche ist, dass aus so viel Not, Elend, Vergehen und Sünde Menschen hervorgegangen sind, die zu Jesus hinführen. Zu demjenigen, der allein ohne Sünde ist. Das ist eine starke Botschaft, die uns heute auch noch betrifft, eine Botschaft, die klärt.

Genau deshalb stehen die Frauen bei Matthäus in Jesu Stammbaum. Jesus ist körperlich aus einer Frau hervorgegangen. Frauen haben ihren Platz bei Gott und er sorgt für sie, in allem Unglück. Die Zahl vier meint in der biblischen Zahlensymbolik die Vollständigkeit der Schöpfung. Nur mit Männern und Frauen ist die Schöpfung vollkommen, wenn auch nicht vollkommen nach Gottes Recht. Vollkommene unvollkommene Schöpfung, eine ewige Dialektik. Genau das zeigen uns die vier Geschichten.

Wie unvollkommen wir auch sind, sofern wir ehrlich unsere Vergehen vor Gott bekennen, solange wir umkehren, solange wir uns wieder dem anderen zukehren können, bei allem Unrecht, das zwischen Mann und Frau geschehen kann, wie die Geschichten zeigen, solange verzeiht Gott und nimmt uns bei der Hand. Die Geschichten dieser Frauen zeigen, menschliches Leben hat oft mit Grenzverletzungen und Grenzüberschreitungen zu tun, ist oft grenzwertig. Opfer sind wir alle, unserer selbst und des anderen. Und das Wunderbare daran ist: Es kommt trotz allem immer neues Leben hervor. Das Leben siegt. Gerade deshalb stehen hierfür auch diese Frauen in Jesu Stammbaum.

Lieber Luther, das tröstet ungemein. Wenn ich all diese Prüfungen sehe, die diese Frauen – und in ihrem Gefolge auch die mit ihnen verbundenen Männer – über sich ergehen lassen mussten, wenn ich sehe, wie sie immer wieder die Kraft gefunden haben, aufzustehen und weiterzugehen, dann färbt etwas von ihrer Kraft auch auf mich ab. Über Jahre sind sie weitergegangen, auch wenn es geschmerzt hat, auch wenn sie zwischendurch gefallen sind, im festen Vertrauen auf Gott. Gott ist mit den Sündern. Gott gibt den Sündern Kraft, Einsicht und Wegweisung. Manchmal ist dazu auch – oder gerade – eine Grenzüberschreitung notwendig. Aufmachen und umkehren müssen immer alle Beteiligten, auch das zeigen diese Geschichten.
Passt irgendwie zur Losung heute. Muss in der Luft liegen.

In diesem Sinne,
Herzliche Grüße

Deborrah

PS: Das Buch, das mir den Impuls gab: Elsbeth Weymann: Grenz-Gängerinnen. Die Frauen im Stammbaum Jesu. Urachhaus. 2007

Hassen – Perspektivwechsel

Lieber Luther,

heute ist der 5.Sonntag nach Trinitatis. Nichts besonderes. Gottesdienstalltag in der Kirche, möchte man meinen. Und doch war es heute nicht so, der Predigttext eine Herausforderung: Lukas 14, 25-33. Man muss jedoch den ganzen Abschnitt lesen, da er zusammengehört und eine eindeutige Botschaft enthält. Ich kann ihn hier nicht ganz wiedergeben, du kannst ihn selbst nachlesen. (Lk 14, 25-35)

Die Pastorin hat ihn in 3 Teile geteilt und keinen Zusammenhang gefunden. Sie hat sich sehr schwer getan mit dem Teil: „So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14, 26). Wie soll man das auch auffassen, als Mutter, Familienmensch? Guter Gott, was mutest du uns da wieder zu? Das kann doch nicht dein Ernst sein? Weiterlesen „Hassen – Perspektivwechsel“

Gottes Wind – Trinitatis

Lieber Luther,
es ist, glaube ich, wieder an der Zeit, dass ich dir schreibe, obwohl es mich, wie ich gestehen muss, Disziplin kostet. Der Himmel ist dunkel, der Sturm wütet und zehrt an meiner Kraft.
Heute ist Trinitatis, ein weiteres Hochfest, so kurz nach Pfingsten. Wieso ist es ein Hochfest? In der Volksseele ist das kein Fest, das dort verwurzelt ist. Wieso ist es dort nicht angelangt?
Das Konstrukt „Trinitatis“, der Heiligen Dreifaltigkeit, hat dogmatischen Ursprung, ist nachbiblisch, ist eine Lehre: seht so wirkt Gott in seiner Vielfalt – vereinfacht auf Dreifalt, der menschlichen Einfalt angepasst. Es hat keinen direkten Ursprung in der Bibel, ist mehr eine Zusammenfassung, ein Bekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater
Ich glaube an Gott, den Sohn,
Ich glaube an Gott, den Heiligen Geist.
In diese Dreiheit sind wir getauft, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ausgehend aus Gott, verweslicht, vermenschlicht, geschöpft aus Gott in seiner Schöpfung, in allem was lebt. Vermenschlichter Gott in Jesus Christus, Gott in seiner Schöpfung und als Teil seiner Schöpfung. Gott mit seiner widerspenstigen Schöpfung. Der Heilige Geist geschickt zur ungreifbar unbegreiflichen Hinleitung seiner Schöpfung zu ihm zurück, zum Schutz seiner Schöpfung, des Menschen, vor sich selbst, des Schutzes Gottes in seinem Ebenbild, wen man so will.
Kirche spricht von „drei Personen“. Für Menschen ist Gott vermenschlicht als „Person“ – ein Dogma, ein Versuch, das Göttliche zu fassen, was letzten Endes immer Scheitern muss. Dreifaltigkeit meint das A&O, den Ausgang vom göttlichen Ursprung und die Rückkehr dahin zurück. Das göttliche Sein und Wirken in seiner vielfältigen Unbenennbarkeit, das wir, um überhaupt darüber kommunizieren zu können, mit „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ benannt haben. Gott hat bei uns diese Namen. Gott hat uns diese Namen auf die Stirn und in die Seele gebrannt. Trinitatis ist so gesehen nichts anderes als ein Name für das göttliche Wirken.
Jesus versucht Nikodemus das Göttliche zu erklären. Nikodemus, ein Pharisäer, ein vor dem Gesetz Gott-Gebildeter in menschlichem Unverstand, versteht es nicht, weil er mit dem Verstand zu erfassen sucht, was jenseits menschlichen Verstandes und Verständnisses liegt. Seine menschlich verhafteten Denkmuster versperren ihm den Blick.
Jesus sieht das und versucht es Nikodemus mit einem menschlich verständlichen Bild klarzumachen: Der Wind bläst, wo er will (Joh 3, 8) . Du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, wo er anfängt und wo er endet, wann und wo der Geburtsaugenblick eines Tornados ist und wann er sein Leben wieder aushaucht, aus welcher Richtung er kommt und in welche er geht, ob es ein Lüftchen ist oder sich zu einem Sturm auswächst, ob er hinwegfegt oder nur an einem zerrt, ob er eine Schneise der Verwüstung hinterlässt oder nur ein paar Dächer abdeckt. Der Sturm säuselt, braust, wütet wie er will, nicht wie ich will. Er wirkt und bewirkt an mir ohne mein Zutun.
Und dann der Zusatz: Also ist jeglicher, der aus dem Geist geboren ist (Joh 3, 8). Wow! Was heißt das? Ein Also, ein Ist, das es in sich hat. Wir als Wind, Teil des Windes und des Säuselns, mit Anfang und Ende im Unfassbaren, nur in der kurzen Wegstrecke der menschlichen körperlichen Existenz körperlich greifbar. Wenn der Wind auf Widerstand trifft. Wir sind menschlicher Sturm und Teil des göttlichen Windes oder Sturmes. Wir sind diejenigen, die Sturm säen und Sturm ernten. Wir sind diejenigen, die nicht wissen, ob Frucht bringt, was wir gesät haben, oder der Sturm die Ernte verhagelt. Wir sind diejenigen, die ein Lüftchen im Ganzen des göttlichen Windes sind. Wir wissen nicht, ob der göttliche Sturm die aufgegangenen Pflänzchen hinwegfegt oder das Säuseln des Windes sie reifen lässt und sie am Ende Frucht bringen.
Mensch, ein Wind, dessen Stärke und Richtung nicht wirklich zu fassen ist und damit auch hier Gott ebenbildlich. Ob Wind oder Sturm, entscheidet sich in der göttlichen Großwetterlage. Also wird mit einem Sturm verworfen die große Stadt Babylon und nicht mehr gefunden werden (Offenb 18, 21). Oder er vernichtet, wie in Sodom. Das Säuseln des Windes vernimmt nur derjenige, der aus dem Geist geboren ist. Der tödliche Sturm in Babylon und Sodom, der die Tauben trifft, ist genauso Realität.
Wetterfühlige unter uns fühlen, wenn ein Sturm kommt. Er sitzt einem schon vorher in den Knochen, lässt den Kopf bersten, man spürt förmlich, dass etwas in der Luft liegt. Jedoch, man kann den Wind buchstäblich nicht fassen, nicht anfassen, nicht seiner habhaft werden. Nicht jeder ist wetterfühlig, nicht jeder setzt sich dem Wind aus. Wenn du im Wind oder gar im Sturm stehst, ist es der Sturm, der Orkan, der Tornado, der das Sein oder Nichtsein in seiner Hand hält, der entscheidet über Leben, Tod und Überleben, sei es im Leben oder Sterben. Wir haben keine Macht über den Wind. Er entzieht sich uns unsichtbar. Wir sehen ihn nur mittelbar, wenn er durch die Blätter der Zitterpappel fährt, die Äste knickt, die Blätter vom Baum fegt, gar den Baum bricht, aber die Wurzel stehen lässt. Wenn er Sturm kommt,nimmt Gott die Geist Getauften bei der Hand und führt sie hinaus in sein sicheres Land. Doch auch da gehen Winde, die uns wegraffen können.
Jesus erklärt weiter: Nur wenn man neu geboren wird, sieht man das Reich Gottes (Joh 3, 3), geboren aus Wasser und Geist, geboren aus Gott, der Quelle des Lebens, die Schuld genommen durch den einen, einzigen Sohn, ausgeschüttet über uns der Heilige Geist im Namen des Vaters und des Sohnes und damit uns in diese Drei-Einigkeit hineingehoben. Dies ist immanentes, in sich einiges Geschehen, eines im anderen und das eine wäre ohne das andere nicht. Trinitatis ist der göttliche Lebenskreislauf. Ohne Trinitatis steht Vater, Sohn und Heiliger Geist einzeln da, unverbunden. Trinitatis ist der Versuch zu benennen, dass alles von Gott ausgeht und in Gott eingeht, vermittelt durch den einen Sohn, er uns durch unsere Entschuldung so rein macht, dass wir wieder eins werden können mit Gott. Trinitatis – Dreieinigkeit – ist nicht Trennung, sie ist geistgeborene Einheit des Menschen in Gott.
Lieber Luther, zusammengefasst könnte man ganz einfach sagen: Trinitatis ist uns in Form des Segens gegeben und immer gegenwärtig (4.Mos 6, 24-27):
Ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass ich sie segne:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Man möchte noch anhängen:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist.
Trinität, ganz ohne Dogmatik.
Ganz einfach, ganz unverkopft. Gottes Wind. Gegenwärtig. Gefühlt. Geglaubt.
Herzliche Grüße
Deborrah

Wieso ist Frau Lot zur Salzsäule erstarrt?

Lieber Luther,
ich weiß nicht genau warum, aber mich beschäftigt immer noch die Lotgeschichte. Ich habe schon vor ein paar Tagen und auch heute morgen schon etwas dazu geschrieben.
Die Lotgeschichte ist komplex und vielschichtig. Deshalb habe ich sie unter dem Himmelfahrtshimmel nochmals gelesen (1.Mose 18-19). Ich habe gelernt, dass Abraham sehr mit Gott gefeilscht hat, um die Gerechten in Sodom und Gomorra, um die paar, die er noch dem Verderben entreißen wollte. Lot und die Seinen hätten sich retten dürfen.
Mit dem göttlichen Willen mitgezogen, dass er auch wahr wird, haben letztendlich nur Lot und seine Töchter. Die anderen aus seiner Sippe haben sich verweigert. Auch Lot hat sich schwer getan, zu gehen und den Ort, den Gott ihm zugewiesen hat, anzunehmen. Die Engel mussten ihn bei der Hand nehmen und vom Ort des Unglücks wegzerren.
Die Lotgeschichte lehrt uns, dass Gott mit sich reden lässt und auf unsere Bitten eingeht, wenn wir noch nicht bereit sind, ihm ganz zu folgen. Er hat Abraham gehört und auch Lot. Er teilt daraufhin die Aufgabe in kleinere Päckchen, so dass es ihnen leichter gefallen ist, seinen Ratschluss anzunehmen.
Als Lot schließlich gegangen war, Gott hat solange gewartet, hat sich in Sodom der Himmel geöffnet. Herunter kam nicht Gottes segnende Ausstrahlung, wie an Himmelfahrt, sondern sein urteilsprechendes Zornesfeuer. So können offene Himmel auch aussehen. Das ist der Gott, der zum Fürchten ist.
Lot wollte nicht in das hügelige Land, in das Gott ihn schickte, sondern hat für eine kleine, unbedeutende Stadt gebeten, in die er gehen wollte: Zoar. Lot denkt, er muss wenigstens in die Stadt, nicht ins Hügelland, „Nur dass meine Seele am Leben bleibt.“ (1. Mose 19, 18-20) Seine Seele hängt an der Stadt mit ihrer Üppigkeit, nicht im kargen Hügelland, in dem schwer überleben ist. Schick mir lieber einen Unfall, dass ich sterbe, sagt Lot zu Gott, das ist besser als dieses Hügelland.
So gewährte ihm Gott die kleine Stadt als Übergangsdomizil, um ihn von Sodom wegzubewegen. Er verschonte das Städtchen. Als er schon dort in Sicherheit war, sah seine Frau zurück, „hinter seinem Rücken“ und wurde zur Salzsäule (1.Mose 19, 26). Sie waren körperlich schon gerettet und dennoch ist es für sie noch schief gegangen. Wie ist das zu verstehen?
Als die Engel Lot, seine Frau und seine Töchter aus der Stadt hinausführten, sagten sie: „Rette deine Seele! Und schaue nicht zurück“. Es geht in erster Linie um die Rettung der Seele in der Lotgeschichte. Die Frau hat zurückgeschaut. Es ist hier eine innere Schau gemeint. Sie hat das Leid und das Elend der Menschen in der Stadt gesehen, das Gericht Gottes, unter anderem auch über die Schwiegersöhne. Es war so furchtbar, dass das Salz ihrer Tränen sie innerlich erstarren ließ, zur Salzsäule, wie es in der Bibel heißt.
Hat sie die Liebe zu den Menschen dort, das Mitleid zurückschauen lassen? Frauen, die Kinder geboren haben, können schlecht untätig Kinder sterben sehen, auch nicht fremde. Deshalb hat sie die Weisung der Engel nicht eingehalten. Deshalb hat sie sich widersetzt, heimlich, hinter dem Rücken ihres Mannes, innerlich, wo er es nicht gesehen hat. Männer übergehen das Innenleben ihrer Frauen gerne. Und sie hat den Preis dafür gezahlt. Gott wollte sie schonen, aber sie hat sich selbst nicht geschont. Ihr seid das Salz der Erde. Das Salz der Tränen der Frau Lot waren so zahlreich, dass sie eine Salzsäule aufhäuften. Sie ist innerlich gestorben. Frau Lot war schon in der Stadt der Geretteten.
Frau Lot ist nicht gefragt worden, ob sie mit ihrem Mann aus der Stadt weggehen will. Ihr Mann hat es entschieden, über ihren Kopf hinweg, ohne sie mit einzubeziehen. Er hat über sie entschieden. Wir reden über Lot und seine Töchter, wer denkt an Frau Lot? Was spielt sie für eine Rolle?
Wenn es keine wäre, hätte sie gar nicht erwähnt werden müssen. Ihr seid das Salz der Erde. Zuviel Salz macht fruchtbares Land bitter, mit zu wenig Salz kann es nicht existieren, dummes Salz schadet dem Land, ungeachtet wie fruchtbar das Land ist.
Frau Lot ist zunächst im Zeichen der Bergpredigt zu sehen: Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man’s salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten (Matth 5, 13). Frau Lot ist das Synonym für die Menschen in Sodom. Sie haben Gottes Gebote nicht mehr gehört, nicht mehr nach ihnen gehandelt, sie haben sie über den Herrn der Welt zum Herrn ihrer kleinen Welt aufgeschwungen. Bis Gottes Gericht über sie hereingebrochen ist. Dann war es aus mit ihrer sich selbst zugesprochenen Herrlichkeit.
Frau Lot ist der Inbegriff von Salz, bei ihr hat sich das Salz angesammelt, aufgestaut, aufgestapelt zu einer Säule, das Zuviel hat sich gekehrt in ein zu wenig. Ihre Sehnsucht nach denen, die sie ungefragt verlassen musste, der Mangel, der sich bei ihr daraufhin eingestellt hat, die Sehnsucht, der sie nachgegeben hat, hat sie am Ende verbittern und erstarren lassen. Sie konnte nicht mehr weiter. Das Salz, auf der einen Seite zu viel, auf der anderen zu wenig und in mangelnder Qualität, hat sie verätzt, aufgefressen, bewegungsunfähig gemacht. Ihre Seele hat nur noch Salzluft geatmet, ist zur Salzsäure geworden, hat ihre Luftröhre und ihre Lungen verätzt, hat ihr Stimme und Atem genommen. Alles in ihr war versalzen und versalzt und nicht mehr genießbar.
Wo hat Lot, wo haben seine Töchter hingeschaut, als die innere Erbitterung Frau Lot Stück um Stück versalzt hat, bis sie zur Salzsäule erstarrt ist?
Ob sie nicht das bessere Los gezogen hatte gegenüber Lot, der doch noch aus der Stadt in das ungeliebte, lebensfeindliche Hügelland musste? Aus Angst verbarg er sich in einer Höhle. Er wurde von seinen Töchtern dann auf üble Weise hintergangen. Frauen spielen in der Bibel hin und wieder eine üble Rolle. Aus diesem Betrug und Vergehen sind die Moabiter und Ammoniter hervorgegangen. Ein fruchtbares Land ist daraus nicht geworden. Ganz im Gegenteil: Beide Völker sind wieder zum Götzendienst zurückgekehrt.
Wir können weniger von den Überlebenden – schon gar nicht von Lots Töchtern – lernen, mehr von der stummen, erstarrten Frau Lot, die nicht einmal zu Wort kommt. Im Blick auf Frau Lot kumuliert sich die ganze Tragik von Gottes Volk: Einerseits ist sie dem Befehl gefolgt und hat ihre Stadt mit ihrem Mann verlassen, andererseits ist sie nicht angekommen. Im Irgendwo dazwischen ist sie verlorengegangen.
Lieber Luther, ich fühle mit Frau Lot: Wollen und Nichtwollen, gehört und übergangen werden, innerer Aufschrei und äußeres Stummsein, das Zerrissensein zwischen gestern und heute, das überfordert sein und nicht mehr Weiterwollen. Frau Lot ist ganz aktuell. Es gibt viele Frau Lots, schauen wir uns um.
Und plötzlich erstarren wir zur Salzsäule. Wer kennt das nicht? Aus der Geschichte von Frau Lot sollten wir lernen, das wir nicht zurück, aber hinschauen sollten, dass wir uns nicht wegdrehen und denken, das, was in unserem Rücken passiert, nehme ich nicht zur Kenntnis, geht mich nichts an. Lots Geschichte zeigt, auch das geht in Wirklichkeit nicht gut aus.
Mit salzigem Geschmack im Mund, dennoch herzliche Grüße
Deborrah

Himmelfahrt – Vatertag

Lieber Luther,
ich habe dich etwas vernachlässigt. Eigentlich wollte ich dir über den Kirchentag schreiben, dieses Massenfest mit Masse(n)abfertigung. Ich konnte mich nicht richtig damit anfreunden. Aber heute ist Himmelfahrt und das beschäftigt mich mehr als der Kirchentag, der keine bleibenden Spuren bei mir hinterlassen hat.
An Himmelfahrt ist der Himmel offen, hieß es heute in der Predigt. Dies trifft sicher insofern zu, als es in katholischer Lesart ein Hochfest ist, ich würde sagen, ein Tag mit besonderer Kraft. Das war heute draußen auch zu spüren, am Licht und an der Atmosphäre, obwohl oder gerade weil es immer wieder geregnet hat.
Was heißt, der Himmel ist offen? Es heißt, dass die Ausstrahlung Gottes direkt auf uns einwirkt. Es sind die Tage, in denen wir einen unmittelbaren direkten Draht zu Gott haben, ihm alles hinschieben, was uns bedrängt und belastet und er in uns heilt. Wir merken sein Wirken, ohne zu wissen, was er wirkt. Das wird sich erst zeigen. Es gibt wenige solcher himmeloffener Tage: Jesu Taufe, Himmelfahrt und Pfingsten. Alles relativ eng beieinander in unserem kirchlichen Jahreskalender.
Himmelfahrt zeugt auch von einem Abschied. Jesus in Menschengestalt verlässt uns endgültig und kehrt wieder zu seinem göttlichen Ursprung zurück, für uns bittend, uns entlastend, notwendig, um zu Pfingsten zu kommen. Die Jünger konnten sich nun nicht mehr an seiner Menschengestalt festhalten, sie hatten nur noch den Glauben und ab Pfingsten den Heiligen Geist, entkörperlichte Ergebung.
Immer an den Stellen, an denen wir uns mit etwas auseinandersetzen müssen, das jenseits unseres Verstandes und unseres Begreifens ist, tun wir uns schwer. Jesus wurde in den Himmel aufgenommen und hat sich zur Rechten Gottes gesetzt. Wie muss man sich das vorstellen?
Zunächst: Jesus war schon 40 Tage tot. Dass er sich trotzdem seinen Jüngern gezeigt hat – und nur ihnen – hat mit ihrem Auftrag und mit ihrer besonderen Nähe zu Jesus zu tun. Sie sollten das Wort von nun an unter den Menschen in ihrer Sprache weitertragen. Er hat sie ausgewählt, ausgebildet, gestärkt, gesegnet, sie mit allen Mitteln gerüstet, die notwendig waren, um ihren Auftrag zu erfüllen. Sie waren nach seinen Tod zögerlich und verängstigt. Sie mussten Zutrauen zu ihrer neuen Selbstverantwortung fassen. Deshalb hat er sie noch eine Weile in besondere Nähe begleitet, gecoacht würde man heute sagen. Und er war erfolgreich, sonst würden wir heute – nach über 2000 Jahren – nicht davon reden.
An Karsamstag entschuldet uns Jesus vor Gott, an Himmelfahrt wird der Mensch durch ihn wieder eins mit Gott. Er kehrt entschuldet wieder in seinen Ursprung zurück und wird mit ihm eins. Jesus bittet in seinem hohepriesterlichen Gebet vor seiner Verhaftung auch für diejenigen, die durch das Wort, das seine Jünger verbreiten, an ihn glauben „auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; dass auch sie in uns eins seien“ (Joh 17, 20-21). Das geschieht an Himmelfahrt durch ihn stellvertretend für uns.
Gott und sein Wirken ist außerhalb menschlicher Vorstellungen und Phantasie. Wenn wir uns eins fühlen mit einem Menschen, ist das auch im Prinzip nicht zu beschreiben. Das Einssein mit Gott ist ungleich größer. Wenn wir schon für das menschliche Einssein keinen Begriff haben, wie sollen wir ihn vom göttlichen Einssein haben? Kein lebender Mensch hat es je erlebt, keiner hat es gesehen. Es ist aber, für die, die glauben, durch Jesus schon für uns erwirkt. Also wieso nicht glauben? Was verlieren wir? Wir verlieren nur, wenn wir nicht glauben. Auch davon zeugt die Schrift in reichem Maße.
An Himmelfahrt ist Jesus zu seinem Vater, zu seinem Ursprung, zurückgekehrt. Himmelfahrt ist sozusagen sein Vatertag. Dass heute „Vatertag“ genau an Himmelfahrt ist, hat etwas. Ich kann mir Gott hier mit einem Augenzwinkern vorstellen: Seht, ich wirke, auch wenn ihr das gar nicht merkt. Großzügig betrachtet ist Vatertag in der jetzigen Form ein geselliges Fest, in dem gemeinsam gegessen, getrunken und gefeiert wird. Ich gebe zu, das ist gewagt, aber Gott wirkt in der Regel unerwartet und er kümmert sich vornehmlich um die Verlorenen und Heiden. Nicht auszuschließen, dass er da mitfeiert und mit an den Grills und Bollerwagen steht. Lieber Luther, das möchte ich gerne so denken, den Gedanken finde ich schön.
An Himmelfahrt sind die Himmel offen. Es ist ein offenes Fest, jeder kann sich öffnen für das Einssein mit Gott durch Jesus Christus. „Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast“ (Joh 17, 22). Es ist ein Hochfest im wahrsten Sinne des Wortes. Auch für uns. Deshalb ist es ein Tag mit besonderer Qualität. Diese zu erfahren, sollten wir jede Sekunde dieses Tages offen sein und uns – eigentlich – nicht vom oberflächlichen Feiern ablenken lassen. Da würden wir etwas verpassen. Eigentlich.
In diesem Sinne, schönen Vatertag, denn ein Fest ist es allemal, wie immer man es gestaltet.
Herzliche Grüße
Deborrah

wahr und anhaftend – wahrhaftig auferstanden

Lieber Luther,
mir geht wieder einmal alles zu schnell. Ich bin gedanklich immer noch bei der Auferstehung. Seit vielen Wochen bewege ich in mir die Frage, was heißt „wahrhaftig“ auferstanden. An jeder Kirchenecke hört man es am Ostermorgen, aber was heißt es? Alle Gedanken und Predigten drehen sich um das Auferstehen an sich, aber was heißt „wahrhaftig“. Auch bei Dir habe ich nichts so richtig gefunden. Bei der Fülle dessen, was du geschrieben hast, habe ich keinen Überblick, ob irgendwo etwas dazu steht. Du kannst mich ja korrigieren, wenn du bei Dir etwas findest.
Das „wahrhaftig“ auferstanden kommt aus dem Lukasevangelium, den Emmaus-Jüngern dämmerte es nach der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden“ (Luk 24, 34).
Das heißt sicher zunächst: Das Grab ist leer und es ist wahr, er ist tatsächlich auferstanden. Ich sehe schon das zweifelnde Stirnrunzeln oder das abschätzige arrogante Lächeln in vielen Gesichtern. Das Thema kann man nicht wissenschaftlich angehen, es hat etwas mit Glauben zu tun. Man hat ihn oder man hat ihn nicht. Glauben kann man nicht erklären. Ich habe an Jesu Auferstehung keinerlei Zweifel, deshalb mag ich auch keine Zeit damit verschwenden, eine Erklärung zu finden, wie das zugehen könnte. Für mich ist es eine innere Wahrheit. Punktum und Ende dieser Debatte für mich an dieser Stelle hier.
Was also heißt Jesus ist „wahrhaftig“ auferstanden? Er hatte das schon angekündigt: Über ein kleines, da werdet ihr mich nicht sehen, aber über ein kleines, da werdet ihr mich sehen (Joh 16, 16). Die Jünger hatten es damals nicht verstanden.
Wenn die Jünger ungläubig waren, folgten bei Jesus immer Glaubenssätze, die von der Wahrheit zeugen, eingeleitet und erkennbar bei Johannes durch das „Wahrlich“. So auch hier: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verzehrt werden.“ (Joh 16, 20).
Das ist die Wahrheit von Jesu Auferstehung. Diese Wahrheit „haftet“ uns an und verlässt uns nicht mehr, eben durch Jesu Auferstehung. Sie verhaftet uns in Jesu Nachfolge und heftet uns an die Erlösung an. Es gibt kein Entkommen, wir sind wie Gefangene in Jesus verhaftet. Er hat durch diese Wahrheit uns in diese Wahrheit gebracht. Was wir tun, tun wir in dieser Wahrhaftigkeit, unabhängig von oberflächlichen menschlichen Irrungen und Wirrungen. Mit Christus ist diese göttliche Wahrheit auferstanden, das heißt in die Welt gekommen.
Das haben die Emmaus-Jünger begriffen. Sie konnten das aber nur glauben, in dem sie Jesus wahrhaftig leiblich vor sich stehen und reden sahen.
Da hatten die Emmaus-Jünger und die Anderen, denen er erschienen ist, so scheint es auf den ersten Blick, einen Vorteil gegenüber uns. Wir glauben gern, dass nur das wahr ist, was wir sehen, wissenschaftlich, juristisch, tatsächlich beweisen können. Dabei stellen wir unsere wissenschaftlichen, juristischen oder Tatsachenbeweise, die auf unseren Gesetzen fußen, über das „Wahrlich, Wahrlich“ von Jesu Wort in der Bibel. Wieso? Das ist unglaubliche Arroganz, Selbstüberschätzung und Blindheit.
Wie hoch ist die Halbwertszeit unserer menschlichen Gesetze und wissenschaftlichen Beweise? Wie unterschiedlich und veränderlich sind unsere Wahrheiten? Wir finden zu keiner „Einen Wahrheit“ zwischen auch nur Zweien unter uns.
Das „Wahrlich, Wahrlich“ Jesu und Gottes hallt seit Jahrtausenden durch Raum und Zeit, ohne kulturelle Grenzen, ohne Veränderung und zeitgeistliche Anpassungen, eben weil das wahrlich Gesagte Jesu unumstößliche göttliche Wahrheiten sind. Die Wahrlich-Wahrlich-Wahrheiten haben keine Halbwertszeit, es sind Gottes Gesetze und Wahrheiten. Sie alleine sind ewig.
Jesus ist in Gott eingegangen, die Jünger sind im nachgefolgt, das Wort aber, das von der Wahrheit zeugt, ist geblieben. Deshalb haben wir auch nicht wirklich einen Nachteil gegenüber den Jüngern. Wir haben das gleiche Wort, wir können lesen und hören und auch wir können mit Gott reden. Er gibt Antworten. Wir haben die gleichen Chancen und Möglichkeiten auf Nachfolge und Verweigerung, wie die Jünger hatten.
Wahrhaftiger Glaube ist ein Gottesgeschenk, eine Gnade. Wer Gott wahrhaftig sucht, dem kommt er entgegen und er wird ihn erkennen, wie die Emmaus-Jünger. Es wurde ihnen von ihm ohne ihr Zutun eingepflanzt, aus göttlichem Willen und göttlicher Gnade. So ist es auch uns eingepflanzt. Das Samenkorn ist wahrlich in jedem. Wir müssen es nur wachsen lassen.
In Psalm 33, 4 heißt es: Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig; und was er zusagt, das hält er gewiss. Genau das, was Jesus den Jüngern wahrlich vorhergesagt hat, ist eingetreten. „Sie aber beteten ihn an und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude“ (Luk 24, 52).
Lieber Luther, die „große Freude“ lockt. Im Augenblick habe ich auch nichts anderes in mir, deshalb stoppe ich hier, obwohl mir noch so einiges zu dem Thema einfällt. Später dazu mehr.
Herzliche Grüße
Deborrah

Nachösterlicher Appetithappen

Lieber Luther,
ich hatte dich ja schon gefragt, wo wohl Jesus am Karsamstag war. Eine vergleichbare Frage stellt sich für die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt. Er scheint irgendwie da und doch verschwunden.
Angeregt zu diesem Nachdenken wurde ich von meinem weisen Bruder. Er hat mich gefragt, während eines langen und schönen Spaziergangs. Ich konnte ihm so spontan nicht antworten und habe ihm eine Antwort versprochen, sobald die Zeit da ist, also jetzt. Es ist schon einige Monate her und seither denke ich darüber nach. Mal sehen, wie die Antwort ausfällt.
Liebe, Glaube, Vertrauen heißt der Dreiklang, mit dem eine Antwort auf die Frage zu finden ist, was Jesus zwischen Ostern und Himmelfahrt gemacht hat. Je nach Evangelium wird es etwas anders beschrieben.
Eins ist aber immer gleich: Es ist zwar fast unglaublich nach all der Zeit mit Jesus, aber den Jüngern fehlte es an Glauben. Nicht erst seit Jesus physisch gestorben war, auch schon vorher. Jesus hat das immer beklagt und auch versucht, seine Jünger darauf vorzubereiten, dass sie nun bald ohne seine körperliche Präsenz auskommen müssten. Es hat leider nicht gefruchtet.
Es ist kein Zufall, dass der Auferstandene und die Botschaft von der Auferstehung zuerst Frauen erreichte (Luk 24,1ff; Joh 20, 1ff), die Botschaft erreichte das Herz der Frauen, sie zogen nicht in Zweifel was sie hörten: „Und sie gedachten an seine Worte“ (Luk 24,8). Sie wussten etwas in ihrem Herzen, das kein Verstand kennt, sie liebten und vertrauten.
Also laufen die Frauen zu den Männern und bringen die Botschaft von Jesu Auferstehung. „Und es deuchten sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein, und sie glaubten ihnen nicht.“ (Luk 24, 11). Petrus, der immer forsche, wunderte sich. Mehr nicht (Luk 24, 12; Joh 20, 6). Und bei Markus (16, 11) steht: „Und diese, da sie hörten, dass er lebte und wäre ihr erschienen, glaubten sie nicht“. Eine Ausnahme gibt es, der Jünger, den Jesus liebhatte, Johannes, er sah in das Grab hinein, sah auch dass es leer war und „glaubte es“ (Joh 20, 8). Johannes hat auch mit dem Herzen gesehen und deshalb geglaubt.
Die Männer in seiner Jüngerschar waren ein schwerer Brocken für Jesus. Ausgerechnet denjenigen, die sein Wort weitertragen sollten, mangelte es an Glauben. Wie sollten sie da auf andere überzeugend wirken? Jesus wusste es schon vorher. Deshalb musste er noch ein kleines Weilchen bleiben. Die Männer glaubten mit dem Verstand. Was sie sahen, glaubten sie, was sie nicht sahen glaubten sie nicht.
Im Johannesevangelium steht: „sie wussten die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste“ (Joh 20, 9). Besser müsste es heißen, sie verstanden die Schrift noch nicht, denn Jesus hat ihnen vor seinem Tod nichts als die Schrift ausgelegt. Aber das ist nicht das Kernproblem und trifft den Punkt nicht wirklich.
Das Problem Jesu mit den Jüngern war der Glaube und Jesus sagte es ihnen auch auf dem Weg nach Emmaus, wie so oft in seiner direkten, schonungslosen Art: O ihr Toren mit euren trägen Herzen, wieso glaubt ihr nicht, was bei den Propheten geschrieben steht. Man hört ihn innerlich stöhnen: Wie oft habe ich euch gesagt, dass die Schrift erfüllt werden muss? Und noch einmal erklärte er es ihnen. Die Jünger hörten und hörten doch nicht, sie verstanden einfach nicht, was er sagte.
Jesus musste in der Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt bei den Jüngern den Glauben in ihrem Herzen stärken. Sie mussten lernen ohne ihn auszukommen. Er war nun schon gestorben, das heißt nicht mehr im irdenen Leben. Den Jüngern erschien er sozusagen noch häppchenweise, als Appetithappen, um ihnen klar zu machen: Alles was ich gesagt habe, ist wahr, aber ihr müsst es glauben, auch wenn ihr mich nicht mehr seht, wenn ich keine Wunder vor euren Augen mehr vollbringe. Dass ihr mich, bis ich endgültig zu meinem Vater aufsteige und euch endgültig aus den sichtbaren Augen gehe, nochmals sichtbar wahrnehmen könnt, ist ein Wunder das ich tue, um euch in den rechten Glauben zu bringen. Ihr braucht den Glauben im Herzen, damit ihr denen, denen ihr mein Wort weitertragen sollt, glaubwürdig erscheint.
Jesu sagt nicht umsonst, ihr habt „träge“ Herzen. Er will ihnen sagen, ihr müsst euer Herz bewegen, ihr müsst mich in eurem Herzen finden, nur dort werde ich zukünftig noch für euer inneres Auge sichtbar sein. So bewahrt mich in eurem Herzen und glaubt was ich euch verkündet habe.
Zur Bekräftigung isst Jesus mit ihnen Brot und Fisch, lässt sich quasi von ihnen bildlich aufessen, damit ihr Glaube endlich innerlich werde (Luk 24, 41ff oder Joh 21, 12ff). Er lässt sie seinen Leib aufessen mit Brot, damit der Glaube bei den Jüngern von außen nach innen kommt, physisch verinnerlicht wird, da Jesu leiblich sichtbar als Glaubensanker nicht mehr zur Verfügung stand. Jedes Abendmahl ist eine solche Erinnerung an das innerliche Vorhandensein Jesu in unseren Herzen. Erst durch diesen bildlichen Akt Jesu wurden „ihre Augen“ (Luk 24, 31) und ihr Verständnis (Luk 24, 45) geöffnet.
Zusammengefasst ist all dies in Jesu Standpauke an den ungläubigen Thomas: „Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20, 29).
Ohne diese Zeichen und diese nachösterliche Stärkung und Bekräftigung durch Jesus, wären die Jünger nicht in der Lage gewesen, Jesu Wort wirklich weiterzutragen. Zu ungläubig, zu wenig sehend, zu wenig verständig wären sie gewesen. Sie waren entmutigt, verloren, verängstigt. Sie verkrochen sich vor den Juden, anstatt dass sie in die Welt hinaustraten, um zu predigen (Joh 20, 19). Die Gottesherde hatte ihren sichtbaren Hirten verloren und war deshalb völlig konfus, ungläubig. Jesus musste sie erst wieder versammeln, ihre ängstlichen Herzen einsammeln und ihren Glauben in ihrem Herzen sammeln, auf dass sie fest und innerlich im Glauben werden, um ihrer Mission gewachsen zu sein.
Lieber Luther, ich glaube, das ist auch eine Botschaft an uns für die Nachosterzeit. Das große Fest der Auferstehung ist vorbei, das Schwere liegt vor uns: das Glauben. Aber haben wir immer die richtige Sammlung im Herzen, dass wir auf Gottes Wort dort auch hören, dem Glauben schenken, was wir dort hören und entsprechend handeln?
Vielleicht sollten wir die Zeit bis Himmelfahrt nutzen und auf unsere Sammlung im Herzen achten. Eine stillere Zeit, als ich eigentlich dachte. Die Herausforderung im Glauben ist nach Jesu Tod größer als vorher, als er noch Mensch war. Leiden wir nicht oft unter der Jüngerkrankheit? Jeder prüfe sich selbst, es gibt keinen anderen in diesem irdischen Leben, der das für einen tun kann. Ich wünsche dir viel innere Sammlung, die allen Anfechtungen widersteht,
Mit österlichen Grüßen
Deborrah

Wo ist Jesus am Karsamstag?

Lieber Luther,
Ich hatte dir ja schon geschrieben, dass die Karwoche eine Woche ist, die mich immer besonders schlaucht. Entschuldige bitte, wenn ich dich mit Briefen zudecke, wobei ich dir gar nicht so viele Briefe schreiben kann, wie ich eigentlich müsste, so viel spukt mir im Kopf herum.
Ich stelle dir heute eine Frage, über die du vielleicht auf den ersten Blick perplex bist. Was ist eigentlich am Karsamstag passiert? Wo war Jesus? Die Bibel gibt hierzu ohne weiteres Nachdenken keine offensichtliche Antwort. Predigten stehen ja am Karsamstag heutzutage nicht mehr auf dem Tagesplan, so kann man sich über die Frage hinwegschummeln und ich muss selbst eine Antwort finden.
Greifen wir das Matthäusevangelium auf. Die Antwort ergibt sich, indem wir uns in den Schmerz Jesu hineinfallen lassen, in die letzte Minute vor seinem körperlichen Tod.
Die Welt verfinsterte sich in dem Maße, indem sie sich in Jesus verfinsterte, das Erdenlicht sich aus ihm zurückzog. Sein körperliches Leben war zu Ende, gedemütigt, hilflos, zerschunden, nackt hing er am Kreuz, körperlich vollkommen ausgeliefert. Bevor sich der Mantel seines barmherzigen Vaters um ihn legte und ihn deckte, schrie er aus tiefster Seele: Eli,Eli, lama asabathani?
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Kein Erbarmen, keine Menschlichkeit unterm Kreuz? Mein Gott, mein Gott, graust es dir nicht vor deiner Schöpfung, deinem ungöttlichem Ebenbild, warum lieferst du mich so aus? Mein Gott, wieso? So hör mich doch, ich bin dein Sohn! Siehst du denn mein Leid nicht, hörst du nicht, wie meine Seele weint?
Der Schmerz über dieses Gericht und diesen göttlichen Ratschluss entriss seiner Seele das letzte Entsetzen über Gottes Schöpfung. Ein göttlicher Aufschrei, der die Welt und die Seelen derer, die noch nicht ganz abgestumpft waren, erbeben ließ. Ein Schrei, der die Welt in ihren Grundfesten erzittern ließ. Die Felsen zerrissen, die Gräber taten sich auf, „und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen.“ (Matth 27, 52). Nichts war mehr wie vorher.
Die bei Jesu Tod aus den Gräbern stiegen, waren diejenigen, die das Land der Verheißung nur aus der Ferne gesehen hatten, aber glaubten, dass sie nur Gäste und Fremdlinge auf der Erde sind. „Denn dieses solches sagen, geben zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen“ (Hebr 11, 13).
Jesu Schrei hat sie aus den Gräbern geweckt, denn mit Jesus war es nun möglich in die ersehnte Stadt der Verheißung zu gelangen, Jesus hat mit seinem Schrei das Siegel aufgebrochen, das Tor stand nun offen. „Darum schämt sich Gott ihrer nicht, zu heißen ihr Gott; denn er hat ihnen eine Stadt zubereitet“ (Hebr 11,16).
In diesen Worten liegt die ganze Tragik Gottes: Es gibt einen Teil seiner Schöpfung, der sein Wohlgefallen hat. Über den anderen Teil schämt er sich vor sich selber. Er schämt sich für seine eigene Schöpfung, er schämt sich wohl auch vor seinem Sohn. Seine aus dem Ruder gelaufene Schöpfung hat Jesu Leiden notwendig gemacht. Jesu scheitern und Ohnmacht war Gottes scheitern und Ohnmacht seiner tauben Schöpfung gegenüber.
Gott hat Jesu Schrei gehört. Er hat alles zusammenfallen lassen, was nicht in seine Stadt gehört. Er hat „mir ein Rohr gegeben, einem Stecken gleich“ und sprach, stehe auf und miß den Tempel Gottes und den Altar und die darin anbeten“ (Offenb 11,1). Das Maß war der Stecken des Kreuzes. Der Vorhang des Tempels zerteilte sich. Auf der einen Seite waren und sind diejenigen, die sich unter und hinter dem Stecken versammelten, auf der anderen Seite waren und sind diejenigen, die Gott nicht zu seinem Volk zählte und zählt.
Diejenigen aber, die auf der Nichtglaubensseite waren, und die auf hohle Felsen bauten, deren Fundamente zerrissen in tausend Teile. Um insbesondere diese zu retten, ist Jesus gekommen. Er ist zur Rettung der Schöpfung gesandt, nicht zu deren Vernichtung. Gott will seine gesamte Schöpfung retten, nicht nur einen Teil.
Und so sammelte Jesus die zerborstenen Teile in der Zeit zwischen seinem körperlichen Tod und seiner Auferstehung ein, nahm diese Sündenlast auf die Schulter, trug sie vor Gott und bat um Vergebung dieser Sündenlast. Der Heilland trug die zerborstene, die widerborstige Schöpfung nach Hause und machte sie damit heil.
Diejenigen Teile der Schöpfung, die er tragen musste, konnten selber nicht gehen. Sie waren blind, krank, Krüppel an Leib und Seele. Er versöhnte mit diesem Tun Gott wieder mit seiner eigenen Schöpfung. Jesus hat durch seinen Tod uns – all diejenigen, die jenseits des Glaubensvorhangs sind – die göttliche Vergebung erwirkt.
Erst nachdem er diese Last von den Menschen und vor Gott getragen hat, war die Welt versöhnt, konnte Gott verzeihen und uns wieder als Kinder annehmen. Jesus konnte erst auferstehen, als er sich von der menschlichen Sündenlast entlastet hatte. Mit diesem Sündenpaket auf der Schulter war eine Auferstehung nicht möglich.
Lieber Luther, das ist so etwas wie das Missing Link zwischen Tod und Auferstehung Jesu, aber ein für uns entscheidendes. An sich dachte ich, der Karsamstag sei ein furchtbarer, weil gottloser Tag, da Jesus tot und noch nicht auferstanden war. Aber ich muss jetzt feststellen, dass es ganz und gar nicht so ist, es ist das Gegenteil. Es ist der Tag, der uns entsündigt, an dem Jesus unsere Sünden für uns vor Gott trägt und sie dort endgültig für alle Zeit und Ewigkeit für uns ablädt.
Das ist der göttliche Sterbe-Akt Jesu hinter der Vergebung der Sünden. Damit dies möglich ist, ist Jesu Tod notwendig. Gott mag schon im Alten Testament keine Menschenopfer, schon gar nicht das seines Sohnes. Isaak musste auch nicht sterben. Jesus musste sterben, weil er nur sterbend unsere Sünden in einem einmaligen Akt vor Gott tragen und für sie einstehen konnte. Jesus musste sterben, damit unsere Sünden sterben können, um dies auch für uns zu ermöglichen. Jesus hat bei Gott einen Platz für unsere Sünden geschaffen.
Adam und Eva hat Gott wegen ihres Ungehorsams aus dem Paradies der Unschuld verwiesen. Mit Jesus hat er uns wieder das Tor geöffnet. Mit Jesus schließt sich der Kreis zur Schöpfungsgeschichte, Jesus entschuldet uns wieder und bringt uns wieder unschuldig zu Gott.
Heißt das, dass wir die Generalabsolution haben für alle Sünden, die wir getan haben und tun werden? Nein, das heißt es nicht. Solange wir auf der falschen Seite des Vorhangs stehen und nicht in einem willentlichen, bereuenden Akt im Leben oder im Sterben auf die richtige Seite wechseln, bleibt der Platz bei Gott für uns offen, aber unbesetzt.
Lieber Luther, da bleibt mir fast die Luft weg. Karsamstag, der bedrohliche Tag ohne Jesus, ist ein Tag voller Jesus. Salopp ausgedrückt erleichtert er sein Reisegepäck für die letzte Reise vor der Auferstehung, bevor er endgültig wieder ganz eins wird mit seinem Vater.
Gut, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe. Dennoch, verwundert bin ich schon über das Resultat, allerdings auch nicht das erste Mal. Damit ist mir auch schon klar, über was ich an Ostern nachdenken muss.
Danke für dein offenes Ohr und
herzliche Grüße
Deborrah