Lieber Luther,
dass es Bedrohungen für den Menschen gibt von seinen dunklen Seiten, vom Satan, wie du diesen Teil des Menschen genannt hast, war dir selbstverständlich. Satan wohnt irgendwie in der Hölle, was immer wir uns darunter vorstellen. Bedrohlich, dunkel klingt es in jedem Fall.
Daran habe ich gedacht, als ich gefragt wurde, ob ich nicht einmal etwas über Lucifer schreiben könnte. Lucifer, meine erste Assoziation war Unterwelt, Dunkles, Böses. Seit Wochen denke ich über die Dimensionen von Lucifer nach, nicht zuletzt deshalb, weil er mir in letzter Zeit häufiger begegnet ist.
Lucifer hat eine überraschende Seite. Das Wort „Lucifer“ ist lateinisch und heißt „Licht bringend“. Lucifer heißt Morgenstern, der Planet Venus ist Lucifer, in der griechischen Mythologie der Sohn der flatterhaften Eos, der Göttin der Morgenröte. Von ihr hat er das Flatterhafte geerbt. Lucifer steht zunächst für das aufgehende Licht. Lichtbringend und blutrot ist Lucifer. Als ob der über den Menschen aufgehende Tag etwas über die Ambivalenz aller Tage der Menschen wüsste.
Von Lucifer ist in Psalm 139 die Rede. Gott ist mit uns, sieht all unsere Wege, sieht in unsere Herzen, sieht in den finstersten Winkel unseres Seins. Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mich in die Hölle, siehe so bist du auch da, nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich auch dort deine Hand halten und deine Rechte mich leiten. Spräche ich, Finsternis möge mich decken, so muss die Nacht auch Licht sein, das mich umhüllt, denn auch Finsternis ist nicht finster bei dir und die Nacht ist dein Licht, das mich umfasst, ich sehe es nur nicht.
Irgendwann ist aus Lucifer im christlichen Verständnis etwas Satanisches geworden. Wann und warum interessiert hier nicht. Im Buch Hiob passiert etwas an sich Unglaubliches. Gott paktiert faustisch mit dem Satan, nur mit entgegengesetztem Ausgang als bei Faust.
Die Kinder Gottes treten vor den Herrn und der Satan ist auch darunter. Der Herr fragt ihn, wo kommst du her? Er antwortet: Ich bin im Land umhergezogen und habe dort gewütet. Gott fragt: Hast du keinen Respekt vor meinem Knecht Hiob gehabt? Es gibt keinen Vergleichbaren im Land, „schlecht und recht, gottesfürchtig und meidet das Böse“. Der Satan versucht den Herrn: Meinst du, dass Hiob umsonst Gott fürchtet? Du hast gut für ihn gesorgt, dann ist es auch nicht schwer, gottesfürchtig zu sein. Gott hält dagegen: Nehme ihm alles, was er hat, Satan, sein Habe, seine Gesundheit, nur umbringen darfst du ihn nicht. Der Satan hält dagegen: „Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen? (Hiob 1, 6 ff). Top, die Wette gilt.
Das gesamte Buch Hiob beschreibt den Verlauf dieser Wette. Hiob spürt tief in seinem Innern, dass irgendetwas nicht stimmt, dass böse Mächte am Walten sind und er stürzt ob all dem Unglück, das der Satan über ihn bringt, in tiefe Verzweiflung über seinen Gott. Wieso tust du mir das an, o Gott? Was habe ich getan, dass du mich so strafst? Er hadert und klagt an, aber er verliert seinen Glauben nicht.
Seine Freunde eilen herbei, um den verarmten und kranken Hiob zu trösten. Sie sind entsetzt, ob seiner Anklagen an Gott und kommen ihm mit schriftgefälligen Reden, die an seine Demut appellieren. Du versündigst dich Hiob, Gott darf man nicht anklagen, Gott ist Gnade, Gott ist die Liebe. Doch Hiob gibt in allem Elend nicht klein bei, er sieht das Böse, das am Walten ist. Der Satan nimmt ihm nicht nur all seine weltlichen Güter, seine Gesundheit, er kommt auch noch in Gestalt von angeblichen Freunden daher. Hartnäckig versucht der Satan in der Gestalt, Hiob von seinem inneren Gotteswissen abzubringen und auf den Irrweg der schönen Reden und des schönen Gottes-Scheins zu bringen.
Aber Hiob steht felsenfest. Er steht ein für seinen Glauben, auch wenn er arm, krank, verlassen, in die gottlose Ecke gestellt allein auf weiter Flur steht. Er lässt sich nicht beirren. Und Gott verlässt ihn nicht. Der Herr fragt Hiob, wo warst du, als ich die Erde gründete, wer hat das Maß und den Eckstein gesetzt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und alle Kinder Gottes jauchzten, wer hat dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt, dass sie alle Ecken der Erde erfasse und die Gottlosen herausgeschüttelt werden? (Hiob 38, 1-13).
Wer ist der Herr über das Maß, wer setzt den Eckstein, wer zeigt dem Morgenrot seinen Platz, blutrot oder licht? Wer schüttelt den Satan, die Versucher, die Versuchungen, das Böse aus dem anbrechenden Tag heraus? Als Hiob Gott wieder hört, versteht er, was er ihm sagen will. Er demütigt sich vor dem Herrn und findet aus seinem Hader heraus und wieder in die Demut vor Gott hinein. Gott hatte schließlich Erbarmen mit ihm, seinem gottesfürchtigen Diener.
Hiob war der Versuchung, dem Versucher ausgesetzt und Gott hat es ausdrücklich zugelassen. Gott wusste um die Glaubensstärke von Hiob. Er war sich Hiobs so sicher, dass er sogar auf ihn gewettet hat. Deshalb hat er Hiob gewählt, um dem Satan vorzuführen, dass Gott der Herr ist und nicht der Satan. Um das Pharisäertum zu entlarven. Seht, auch die scheinbar Gläubigen können nicht immer das Teuflische vom Göttlichen unterscheiden. Die Versuchung Jesu, als er 40 Tage in der Wüste war, zeigt, wie souverän Gottes Sohn die satanische Herausforderung meistert. Hiob verkörpert den Menschen in dieser Versuchung. Von Souveränität keine Spur.
Gott zeigt der Morgenröte ihren Ort. Lucifer steht nicht nur für den Lichtbringenden, sondern auch für den gefallenen Engel, wie im Buch Henoch beschrieben, für die gefallene Schöpfung Gottes, Adam und Eva, für diejenigen, die Gott gut und böse schuf. Die Versuchungen, die das menschliche Leben bringt, sind für uns oft größer, als Gottes Maß, sein Recht und Gesetz, sein Wille. Lucifer, der gefallene Lichtbringende, verkörpert das Licht, aber auch das Fleischliche, das Blutrot, das Verwundete und Verwundbare. Wir sind alle irgendwie Lucifer. Lichtbringend, gefallen und immer in Gefahr noch weiter zu fallen.
Hiob hat Demut lernen müssen. Er hat das Teuflische durchleiden müssen, seinen Stolz begraben, seine Selbstsicherheit, ein von Gott Geschützter zu sein, dem nichts passieren kann. Gott hat nicht verhindert, dass er so leiden und mit ihm hadern musste. Im Gegenteil, Hiob ist von Gott der Versuchung ausgesetzt, durch all sein Leiden hindurch geschickt worden. Und auch hier: Damit offenbar werde, dass ich, Gott der Herr bin. Gott war sich des Ausgangs von vornherein sicher.
Lieber Luther, diese Hiobsgeschichte ist einzigartig in der Bibel. Ein Buch, das erzählt, wie Gott mit dem Bösen, den dunklen Seiten, der Versuchung, dem Versucher umgeht. Ein Buch, das erzählt, wie Lucifer, der Licht Bringende, am Ende siegt, nicht der Gefallene. Das Hiobsbuch zeigt uns den Weg, gibt Zuversicht und Hoffnung, auch wenn es zunächst nach Hiobsbotschaften aussieht. Ein wunderbares Buch von der Tiefe des Glaubens. Wenn wir von Satan, dem Versucher, bedroht werden oder mehr Lucifer, dem Gefallenen, gleichen, dann sollten wir das Buch Hiob lesen und Psalm 139. Gott und das Böse, im Glauben immer eine Herausforderung für uns Menschen.
Herzliche Grüße
Deborrah
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