Alle Jahre wieder

Was war nochmals am 3. Weihnachtsfeiertag letztes Jahr?
20 Liter Gyrossuppe!
LAN Party meiner Jungs,
die eigentlich keine Jungs mehr sind,
sondern junge Männer.

Letztes Jahr neu entdeckt,
nach ein paar Jahren Pause.
Alle sind sie wieder da,
16 Jungs.

Eigentlich sollte es um 16.00 anfangen.
Der Erste stand schon um 12.00 auf der Matte,
um aufzubauen.
Da waren hier im Hause noch gar nicht alle auf.
Alle waren viel früher,
als könnten sie es kaum erwarten,
dass es losgeht.

Die Gäste hellwach,
die Gastgeber etwas verpeilt,
Mutter und Organisator-Sohn.
Ich hatte nicht auf den Kalender geschaut.
Vor 2 Tagen ist mir aufgefallen,
dass ich bis zur LAN Party gar nicht mehr
einkaufen konnte.

Mein Sohn pflegt von heute auf morgen zu planen,
im Zweifel wird improvisiert.
Ihm wäre wahrscheinlich noch nicht einmal aufgefallen,
dass heute Sonntag ist.
Was wird mit der legendären Gyrossuppe?

Verschieben?
Die Zeichen standen auf ALARM!
Schon mal bei Facebook antesten,
wo eigens eine Partyorganisationsseite eingerichtet wurde.

Keine Sorge, waren die Rückmeldungen,
am Sonntag ist verkaufsoffener Sonntag!
Doch gilt dies auch für Lebensmittel?
Das Gros der Jungs war sich sicher, ja,

allein die Mutter blieb skeptisch.
Auf keiner Internetseite und in keiner Werbung
ein Hinweis zu finden.

Tatsächlich, der Lebensmittelladen,
von dem alle behaupteten,
er sei sicher geöffnet, war –
geschlossen.
Was nun?

Den nächsten Großmarkt angefahren,
vielleicht….
Und ja, wir hatten Glück,
wir konnten alle Zutaten,
die zur Gyrossuppe benötigt werden,
einkaufen und auch sonst noch,
was junge Männer so für ihre Party brauchen.

Gottseidank – die Party ist gerettet.
So halfen sie wieder schnippeln und schneiden,
hatten – wie üblich – schon den ersten Hunger,
als sie kaum da waren und jetzt
sind sie es einfach zufrieden
miteinander zu sein.

Alle Jahre wieder –
Weihnachten!

Jahresringe

Konversation unterm Weihnachtsbaum

O du fröhliche…

Wie immer haben wir auch dieses Jahr
unterm Weihnachtsbaum gesungen,
gehört dazu, vielstimmig,
aber wir sind ja unter uns.

Stille Nacht, heilige Nacht…

Ist das hoch,
mitgebrummelt,
wie war doch nochmal
der Text?

Ich steh an deiner Krippen hier…

Mam,
wieso singst du eigentlich Texte,
von denen du sagst,
der Inhalt stimme nicht?

Tochter Zion…

Touché!
Scharfsinnig, mein Sohn,
das ist das Problem.
Erst mal weitersingen.

Kommet ihr Hirten…

Es geht nicht um den Wortsinn,
es geht um die Gedanken,
die Meditation und
die Andacht.

Es ist ein Ros‘ entsprungen…

Weihnachten spürt man im Herzen,
unabhängig vom Text,
den man singt.
Jesus sprach aramäisch.

Verschiebungen

Die Ägyptische Maria

Rainer Maria Rilke

Seit sie damals, bettheiß, als die Hure
übern Jordan floh und, wie ein Grab
gebend, stark und unvermischt das pure
Herz der Ewigkeit zu trinken gab,

wuchs ihr frühes Hingegebensein
unaufhaltsam an zu solcher Größe,
daß sie endlich, wie die ewige Blöße
Aller, aus vergilbtem Elfenbein

dalag in der dürren Haare Schelfe.
Und ein Löwe kreiste; und ein Alter
rief ihn winkend an, daß er ihm helfe:

(und so gruben sie zu zwein.)

Und der Alte neigte sie hinein.
Und der Löwe, wie ein Wappenhalter,
saß dabei und hielt den Stein.

Weihnachtsgeschichte!

In: Rainer Maria Rilke: Gesammelte Werke, Köln 2013, S.510

Weihnachtsgeschichte

Maria war in Nöten. Sie war, kaum dem Kindesalter entwachsen, schwanger. Gegen den Mann, der ihr das angetan hatte, konnte sie nichts ausrichten. Sie war ihm ausgeliefert. Machtlos. Benutzt und dann weggeworfen. Sie ahnte, wie es solchen Frauen ging und wie sie endeten. Die Alten hatten davon erzählt. Abgestempelt vor der Gesellschaft, ausgestoßen aus der Reihe der ehrbaren Frauen. Gab es eine Alternative? Wie sollte sie das Kind durchbringen? Zum Davonlaufen. Ihr Kind werden sie später „den Sohn der Maria“ nennen. Als sie in den Wehen lag, von allen verlassen, graute ihr vor dem Morgen.

Ihre Not, ihr elendes Dasein erhöhten sie später. Weil ihre bigotten Moralvorstellungen nicht zulassen konnten, dass der, den sie später auch erhöhen und Christus nennen werden, von ihr abstammte, einer missbrauchten Frau. Sie demütigten, missachteten und entehrten sie ein weiteres Mal, indem sie sie nicht so nahmen, wie sie war, sondern sie zum Idealbild einer gottesfürchtigen Frau stilisierten. Ihr wahres Leben wurde von ihnen als nicht würdig genug angesehen, einen Christus zu gebären. Es durfte nicht ans Licht kommen. Es musste mit aller (Kirchen-) Macht verschleiert werden.

So redeten und schrieben sie über sie, auch sie sei heilig, um das zu heiligen, was sie aus ihrem Sohn gemacht haben. Einen Gottessohn, von Gott selbst durch den Heiligen Geist gezeugt. Fantasie hatten sie, das muss man ihnen lassen, wenn auch die Absicht dahinter unlauter war. Mit der Zeit wurden ihr immer mehr Dinge angedichtet. Einer berichtete sogar, ein leibhaftiger Engel sei ihr erschienen, und noch verwunderlicher, er wusste Wort für Wort, was dieser Engel zu ihr gesagt haben soll, ganz als sei er dabei gewesen. Auch von einem (wunderschönen) Dankesgebet ist die Rede, obwohl Maria weit davon entfernt war, dieses Kind als Geschenk anzusehen.

Ein Christus kann aus keinem Missbrauch entstehen. Wie soll man darauf eine Kirche gründen? Wie die Tatsachen zurechtrücken, so dass es passt? Jungfrauengeburt! Das ist der Knaller, wenn das nicht eines Christus würdig ist. Und schnell noch einen Josef erfunden, der seine Rolle im Weihnachtsmärchen spielt, ansonsten aber im (Z/N)immermannsland verschwindet. Irgendwo musste es mit dem Erfinden von Geschichten auch ein Ende haben. Man verstrickte sich ja immer tiefer im Fantastischen.

Und dann deuteten sie, nach Jesu Tod, alte Prophezeiungen um, verlegten, damit es passt, Jesu Geburt auch noch von Nazareth nach Bethlehem. Der Christus musste ja vom Stamme David sein. Was machen, wenn es um so Großes geht, da schon die paar Kilometer zwischen Bethlehem und Nazareth aus? Von Kindesmord ist die Rede und von Flucht, um dem Ganzen auch die nötige Dramaturgie zu verleihen. Mit der kleinen Einschränkung, dass kein Geschichtsschreiber diesen Zensus und den Kindermord je erwähnt hat. Ziemlich unwahrscheinlich. Genausowenig wie die drei Könige. Als ob drei Könige von der Welt unbeachtet durch die Gegend reisen könnten, ganz ohne Prunk, Gefolge und Tross. Als ob sie so einfach fremde Grenzen verletzen könnten, ohne aufgehalten zu werden, da ja auch andere Absichten dahinter stecken könnten. Ob es sich um „Weise“ oder „Könige“ handelte, macht die Geschichte auch nicht wahrer.

Aus Marias und Jesu knallharter Realität wurde ein Weihnachtsmärchen, mit Gut und Böse, mit allem, was zu einem guten Theater gehört: Engel, Posaunen, Liedern, ein leitender Weihnachtsstern. Kurz: Krippenspiele. Alle Jahre wieder. Es wird alles aufgefahren, was die Emotionen bedient und insbesondere den Veranstaltern dieser jährlichen Krippenfestspiele guten Zulauf bringt.

Warum bloß? Wäre ein Jesus, dessen Leben auf einen Missbrauch zurückzuführen ist, untauglich für die Rolle als Messias? Würde das sein Leben, sein Streben, in allem Gottes Willen zu tun, unglaubwürdiger machen? Würden wir ihn dann nicht mehr als unseren Leitstern ansehen? Das ist die Nagelprobe des Glaubens! Es frage sich jeder selbst.

Gerade, wenn wir das Leben Jesu unverfälscht als das nehmen, was es war, es samt dem Schrecken seiner Zeugung im Leben lassen und nicht mit Fantasiegeschichten überfrachten, ist das eine starke Botschaft Gottes: Seht, ich bin mit den Schwachen, den Unterdrückten, den Missbrauchten. Genau dort bin ich zu finden. Egal wie eure Geburt ist, vor mir ist dies unerheblich. Eure Abstammung spielt keinerlei Rolle.

Das ist eine Weihnachtsgeschichte, die jedem Mut gibt und als Ankerpunkt taugt. Lebensrealität anstatt Jungfrauengeburt und Engelschöre. Das ist der „ICH BIN DA“, der Gott des Lebens, der Gott, der mit uns lebt, egal wie das Leben spielt. Gott ist authentisch und kein Märchenonkel. Unromantisch, aber lebenstauglich. Das ist die Weihnachtsbotschaft, das ist meine Weihnachtsgeschichte!

Wo ist Bethlehem? Wo ist die Krippe?

Lieber Luther,

die Frau war tot, gemartert von ihrem Mann und von fremden Männern. Wie ist die Bibelstelle,über die ich gestern geschrieben habe (Richter 19, 1-30), zu verstehen? War es ein sinnloser Tod, den die Frau gestorben ist, oder war es überhaupt der Tod einer Person? Wer ist hier gestorben und worin bestehen die Parallelen zur Weihnachtsgeschichte, zu der Lukasgeschichte von der Geburt Jesu in Bethlehem?

Der Mann, um den es in der Geschichte geht, ist fremd auch dort, wo er wohnt. „Fremdling“ ist ein Wort, das häufig auftaucht in der Bibel. Es ist das Bild für den Suchenden, der dulden und erdulden muss. Aber gerade der Fremdling findet in der Fremde Gott, im Dulden und Erdulden, davon erzählen viele Geschichten der Bibel. Viel dulden und erdulden müssen die Menschen, in dieser Bethlehem-Geschichte. Sie sind auf einer Reise, die sich anders gestaltet, als sie sich das gedacht haben. Gott lässt sich auf dieser Reise anders finden, als gedacht. Wir können aus der Geschichte lernen, wo das wahre Bethlehem liegt, das wahre Bethlehem auch auf unserer Lebensreise.

Zunächst ist da die Frau. Schon ihre Bezeichnung als „Kebsweib“ bedeutete eine Herabwürdigung. Sie ist als Nebenfrau eine Frau zweiter Klasse, im Rang niedriger als die Hauptfrau. Sie ist geduldet und muss erdulden. Das Zusammenleben und die Eifersüchteleien sind groß. Die Dreiecksgeschichte von Abraham, Sara und Hagar zeigen es. Beide sind jedoch in jeder Beziehung abhängig von ihrem Mann, dem Oberhaupt des Hauses. Ihm müssen sie sich in allem fügen.

Die Geschichte der Frau ist insofern erstaunlich, als sie dem Mann davongelaufen zu sein scheint. Das zeugt entweder von großem Leidensdruck – vielleicht ist sie geschlagen worden, jedenfalls misshandelt, sonst wäre sie nicht geflohen. Ein Kebsweib, dem der Mann abhanden kam, war so gut wie eine Hure, sozial die unterste Schicht. Und doch waren gerade diese Frauen die Heldinnen der Bibel: Sie hatten nichts mehr zu lassen, hatten nur noch ihren Überlebenswillen, ihren Glauben, nur noch Gott und sich selbst. Das hat sie von allen Konventionen befreit und stark gemacht. Die Frau hat es gewagt, der Gewalt zu entfliehen.

Wieso reist ihr der Mann nach vier Monaten nach? Lieber Luther, du schreibst, er wollte freundlich mit ihr reden, andere übersetzen, er wollte mit ihrem Herzen reden. Wollte er gut Wetter machen? Bei einem Kebsweib? Auch das ist ungewöhnlich. Mit sich hatte der Mann einen Jungen. Du übersetzt: einen Knaben, andere übersetzen Knecht. Vielleicht ist auch beides richtig: Kinder von Kebsweibern waren in der Regel Knechte der Kinder der Herren. Wollte der Mann das Kind als Druckmittel nehmen, mit dem Kind das Herz der Frau rühren, so dass sie wieder zu ihm zurückkehrt? Von einem Kebsweib verlassen zu werden, war sicher ehrabschneidend und eine Ungeheuerlichkeit. Wenn, dann wurde das Kebsweib verlassen, in die Wüste geschickt, so wie es Abraham mit Hagar und seinem eigenen Kind tat. Aber nicht umgekehrt.

Der Mann wollte mit der Frau sprechen, die hat ihn ABER zu seinem Vater geführt. Wohl, um ihren Status zu verbessern: Lass dein Herz guter Dinge sein. Der Vater nötigt den Mann zu bleiben und weiterhin mit ihm zu Essen und zu zechen. So gestalteten sich in der Regel Verheiratungsverhandlungen. Was er ihm wohl abhandeln wollte? Einerseits ist er über die Anwesenheit des quasi Schwiegersohnes hoch erfreut. Es ist auch ehrabschneidend eine Tochter zu haben, die Kebsweib ist, noch schlimmer, wenn sie dem Mann davonläuft und auch noch ihr Kind verlässt. Schlimmer konnte es für einen Vater zu damaliger Zeit kaum kommen. Andererseits weiß er, dass seine Tochter nicht umsonst geflohen ist. Er will es so lange wie möglich hinausschieben, seine Tochter wieder dem Fremdling auszuliefern. Kann das gutgehen? Lass dein Herz guter Dinge sein.

Wie wir bereits wissen, ist es nicht gutgegangen. Im Weiteren dieser Geschichte begegnen uns die Zutaten der Weihnachtsgeschichte in der Lukasversion. Eine unverheiratete Frau aus Bethlehem mit einem Kind und ein Mann, der in einem schwierigen Verhältnis zu ihr steht. Er macht sich mit der Frau, dem Knaben und zwei Eseln auf den Weg. Sie suchen für die Nacht eine Herberge, aber finden keine. Obwohl sie sich selbst verpflegen können, will die Fremden keiner aufnehmen. Sie müssten auf der Straße nächtigen, begegnete ihnen nicht schließlich doch noch ein barmherziger Mann, der ihnen eine Bleibe für die Nacht anbietet.

Hat Lukas an diese Geschichte gedacht, als er Maria und Joseph in Bethlehem eine Herberge suchen ließ? Bethlehem war für sie wie für das namenlose Paar die Stadt Gibea, an sich eine Stadt, die bei der Landnahme den Leviten zugesprochen wurde. Die Stadt lag im Land der Benjaminiter. Ein Levit, wie der Mann, konnte sich hier eigentlich sicher fühlen, eigentlich. Er hat sich bekanntlich geirrt.
Das Scenario bei der Herbergssuche bei Lukas war vergleichbar: Es gab eine Frau, die mit ihrem Kind zwischen allen Stühlen saß, ein Mann, der sie dann doch zu sich nahm, eine Stadt, die beherrscht wurde von den Römern und ihren einheimischen Erfüllungsgehilfen. Gewalt und Terror auf den Straßen. Der „böse Bube“ ist bei Lukas nicht der Pöbel, sondern Herodes, der nicht dem Mann, sondern dem Kind an den Kragen will. Die Parallelen sind unübersehbar.

Damit sind wir bei der Kernfrage von beiden Geschichten: Was ist ein Fremder, wo sind wir Fremde, wo werden wir wie Fremde behandelt? Bei den Fremden oder bei den Brüdern? Es geht um fehlende Nächstenliebe und es geht um Flucht. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Fehlende Nächstenliebe führt zur Flucht, zur Trennung, zur Selbstzerfleischung. Die tote zerstückte Frau, das Jesuskind auf der Flucht vor dem Terror, der tote Jesus stehen in einer Reihe. Jesus wusste, wieso er dem Gebot der Nächstenliebe so einen hohen Rang eingeräumt hat. Seine Botschaft war: eine feste sichere Stadt findet ihr nur bei Gott. Dort ist das Haus des HERRN, dort müsst ihr es suchen, nicht unter Menschen.

Die zerstückelte Frau ist ein drastisches Bild hierfür, eine Geschichte, die einen mit Bedacht in ihrer Brutalität bis in die Grundfesten erschrecken lassen soll. Sie mahnt zur Umkehr: Die Nachkommen Jakob Israels, Brüder, schänden und ermorden einander gegenseitig, so wie es auch die Nachfolger Jesu bis auf den heutigen Tag tun. Ihr zerlegt euch gegenseitig mit Haut und Knochen, treibt einen Keil durch euch selbst. Das meint, wenn der Mann die Frau in 12 Stücke zerlegt und an die Grenzen Israels schickt. Die Frau symbolisiert die Tochter Zion, die von den Ihren zerlegt wird, der Körper der Kinder Israel, die Nachkommenschaft der Kinder Jakobs, die sich gegenseitig zerstört und zu Tode martert. Deshalb sind auch alle Beteiligten namenlos. Die Botschaft ist universell bis auf den heutigen Tag.

Lieber Luther, als der Morgen rot anbrach, ließen sie die Frau. Sie schleppte sich zur Tür , legte ihre Hand auf die Schwelle, bis es licht war. Das ist die Heilsbotschaft dieser Geschichte. Jesus ist zu ihr gekommen, der Retter. Ich bin die Tür, sagt Jesus, ihr kommt nur über die Schwelle durch mich. Die Frau hat die Hand an die Schwelle gelegt und: Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude – in all ihrem Leid.
Diese Geschichte ist nicht leicht zu erzählen. Hat Lukas deshalb eine Kindergartengeschichte daraus gemacht? Eine, in der man träumen kann, in der man einem Kinderglauben nachhängen kann? Den Blick weglenken kann von der rauhen Wirklichkeit auf ein unschuldiges Kind in der Krippe? Jesus ist wie diese Frau gestorben, vom Pöbel zu Tode gemartert. Er liegt, wie mit der Frau, mit vielen Menschen vor unseren Füßen und wir stolpern über ihn. Wir sind oft wie dieser Mann, als er sich mit Unschuldsmiene davonschleichen will, als sei nichts passiert. Gott hat ihn über sein Unrecht stolpern lassen. Er hat es mit eigenen Augen gesehen. Wir sehen unser Unrecht mit eigenen Augen. Und dann stehen wir vor der Krippe und singen frohe Lieder. Wie scheinheilig ist das.

Es ist Zeit, lieber Luther, die Krippe wegzuräumen. Sie ist eine schöne Mär und nichts als Jesusromantik. Es ist Zeit, erwachsen zu werden im Glauben. Zeit, Jesus in den Menschen, die auf dem Boden liegen, zu suchen. Dort ist die Krippe. Kindergartenglauben ist heute nur noch schwer zu vermitteln. Wir sind mit dem Mann, immer noch Fremdlinge, Suchende, Heimatlose, die zum Hause des HERRN ziehen. Wir sollten uns dringend auf den Weg machen.

Herzliche Grüße
Deborrah

Fehlende Herberge – Tödliche Reise

Lieber Luther,

die Geschichte von der fehlenden Herberge spielt nicht in Bethlehem, hat aber einige Gemeinsamkeiten. Sie wurde schon im Ersten Testament erzählt. Es klingt fast, als hätte sich die Lukaserzählung Teile dort ausgeliehen. Aber nur ausgewählte Teile. Es liest sich wie ein Krimi, mit tödlichem Ausgang (Richter 19, 1- 30). Genauso wie die Geschichte Jesu.

Ein Mann, ein levitischer Fremdling, wohnte am Rande des Gebirges Ephraim. Er hatte ein Kebsweib, d.h. eine Nebenfrau aus Bethlehem, heute würde man sagen, eine Geliebte. Nebenfrauen waren zu der Zeit üblich. Nachdem sie, wie du, lieber Luther, übersetzt, mit ihm gehurt hatte, ist sie zurück nach Bethlehem in ihr Elternhaus geflohen. Die Nebenfrau scheint den Mann verlassen zu haben.

Er zieht mit zwei Eseln und Knecht hinter ihr her, um sie zurückzuholen. Der Mann ist gekommen, um freundlich mit ihr zu reden, aber die Frau führt ihn zum Vater, welcher über sein Erscheinen erfreut zu sein scheint. Er bewirtet den Schwiegersohn wie es Brauch ist und nötigt ihn Tag für Tag zu bleiben. Fünf Tage ließ sich der Mann aufhalten und auch am 5.Tag versuchte ihn sein Schwiegervater weiter festzuhalten: Siehe der Tag hat sich geneigt und es will Abend werden, bleibe über Nacht. Du kannst noch morgen früh deines Weges ziehen. Hier hast du Herberge. Lass dein Herz guter Dinge sein.
Doch der Mann will sich nicht weiter aufhalten lassen. So nimmt er Frau und Esel und zieht los, obwohl es schon Nachmittag ist und es bald dunkel wird. Etwa 10 km weiter, nahe der Stadt Jebus, dem damaligen Jerusalem, schlug der Knecht vor, dort zu übernachten. Der Mann lehnt ab. In der „Fremden Stadt“ will er nicht übernachten. Die Stadt war noch „fremd“, weil der Stamm der Jebusiter dort noch wohnte, denn die Kinder Benjamin hatten die Jebusiter, die in Jerusalem wohnten, nicht vertrieben (Richter 1, 21).

Als sie etwa 8 km weiter gezogen waren, ging die Sonne endgültig unter und es war kein weiterkommen ohne Licht. Sie erreichten die Stadt Gibea , eine Stadt der Kinder Israel. Hier dachten sie, könnten sie sich sicher fühlen. Aber es kam ganz anders.

Sie mussten ihr Quartier auf der Straße aufschlagen. Die Benjaminiter wollten sie nicht beherbergen. Da kam ein alter Mann des Weges, der gebürtig auch vom Gebirge Ephraim war und folglich selbst ein Fremder in der Stadt. Der alte Mann „hob seine Augen auf“ (der Ausdruck wird im AT verwendet, wenn Gottes Geist aus jemandem spricht) und fragt: Wo willst du hin, wo kommst du her? Antwort: Wir reisen von Bethlehem in Juda an den Rand des Gebirges Ephraim. Da komme ich her. Ich bin gen Bethlehem gezogen und ziehe jetzt zum Hause des HERRN, und niemand will mich beherbergen. Wir haben alles bei uns, Stroh, Futter für die Esel, Brot und Wein für mich, deine Magd (= die Nebenfrau) und den Knaben. Wir liegen keinem auf der Tasche.

Da antwortete der alte Mann: Es soll dir wohlergehen. Alles was dir fehlt findest du bei mir. Er führte sie ins Haus und gab den Eseln Futter, sie wuschen ihre Füße, aßen und tranken miteinander. Und ihr Herz war guter Dinge.

Dann nimmt die Geschichte eine tragische Wendung:
Es kamen böse Buben aus der Stadt, umringten das Haus, klopften an die Tür und forderten von dem alten Mann: Bringe den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist, damit wir ihn erkennen. In der Bibel wird das Wort verwendet, um Geschlechtsverkehr zu umschreiben. Im Klartext heißt das also: Das Gesindel, das sich eingefunden hatte, wollte den fremden Mann vergewaltigen.

Der alte Mann ist in Not, er hatte dem Mann Wohlergehen in seinem Haus versprochen und so schlägt er ein Tauschgeschäft vor: nehmt stattdessen meine Tochter, sie ist noch Jungfrau, und die Nebenfrau des Mannes. Ich bringe sie heraus. Die mögt ihr zu Schanden machen und mit ihr tun, was euch gefällt. Aber vergreift euch nicht an dem Mann. Jedoch der Pöbel wollte den Mann. Da ergriff der Mann seine Geliebte und zwang sie hinaus. Die Rotte vergewaltigte sie und trieb die ganze Nacht ihren Mutwillen an ihr; als der Morgen rot anbrach ließen sie sie gehen.

Die Frau schleifte sich vor die Tür des Hauses, in dem der Mann übernachtete. Sie lag da, bis es licht wurde. Als der Mann morgens aus der Tür trat um weiterzuziehen, lag da seine Nebenfrau, die Hände auf der Schwelle. „Steh auf, und lass uns ziehen“. Aber sie antwortete nicht. Er lud sie auf den Esel, machte sich auf und zog in seinen Ort. Da nahm er ein Messer und zerstückelte sie in zwölf Teile und sandte sie an alle Grenzen Israels.

Wer das sah, sprach: Solches ist nicht geschehen und nicht gesehen, seit die Kinder Israel aus Ägypten gezogen sind, bis auf diesen Tag. Denkt darüber nach, gebt einen Ratschlag, und macht diesen bekannt.
Lieber Luther, erst einmal schaudert man, dem ersten Reflex folgend, zusammen. Das führt dazu, dass man die vielschichtige Botschaft übersieht. Worin besteht sie? Hat diese Geschichte etwas mit Weihnachten zu tun? Lieber Luther, die Antwort lässt sich nicht in einem Satz zusammenfassen. Nicht nur die Kinder Israel, auch ich muss erst nochmals darüber nachdenken. Morgen vielleicht mehr!

Herzliche Grüße
Deborrah

20 Liter Weihnachts-Gyrossuppe

Anfangs habe ich gedacht: Nein, das brauchst du jetzt nicht, dann habe ich mich aber doch überreden lassen. Wir haben extra den Weihnachtsbaum anders gestellt.

Heute sind 12 junge Männer bei uns eingefallen, viele hätte ich gar nicht mehr erkannt. Sie sind von Jungs mittlerweile zu jungen Männern geworden. Was sich verändert hat, im Laufe von ??? Jahren, sie brauchen mich viel weniger. Sie wissen inzwischen, dass das Alltägliche sich nicht wie von Mutterhand von selbst fügt. Das Studentendasein lehrt, was es heißt, auf eigenen Beinen zu stehen. Türen werden ausgehängt, Stühle vom Dachboden geholt, Konfirmationstische aufgebaut, es wird verkabelt und verdrahtet. Einer hat vorgekocht und 3 verschiedene Beläge für 80 Pizzabrötchen gemacht: damit sie gut durch die Nacht kommen.

Aber, was das Wichtigste ist: Sie freuen sich wie kleine Jungs an Weihnachten. Als einer nach dem anderen an der Balkontür auftaucht, fallen sie einander um den Hals, hüpfen vor Freude: Schön Alter, dich wieder einmal zu sehen. Gelegenheiten gibt es dazu sonst nie, nie jedenfalls vollzählig. Sie sind in alle Winde zerstreut, einer studiert sogar in Australien. Die Zeitpläne passen nicht mehr so einfach zusammen. Aber heute sind sie alle da. Wie vor ??? Jahren. LAN – Party, wie immer bei uns, wir haben die größte Stube, da passen alle rein. Das hat Tradition.

Und Muttern kocht auf Bestellung 20 Liter Gyrossuppe. Wie immer. Morgen früh wird nichts mehr da sein. Ein junger Mann meint begeistert, als er sich zwei Kellen auftut: Die sieht genau so aus wie letztes Jahr – dann kommt er ins Stocken, es war wohl nicht letztes Jahr? Vor wieviel Jahren dann? Keiner weiß, wie lange und wie oft man bei uns schon gemeinsam LAN – Party gefeiert hat. Einer meint, es werden annähernd 10 Jahre sein.

Die Generation Internet fängt an erwachsen zu werden. Sie sind alle von Kindheit an ans Internet gewöhnt. Es ist ihr Medium. Wie viele Unkenrufe gab und gibt es? Die Litanei ist lang. Ich kann sie nicht bestätigen. Ich kann keinerlei Schaden erkennen, weder an meinen Kindern, noch an ihren Freunden. Sie haben eher gewonnen, denn verloren: Die Jungs können über jede Distanz regelmäßig Kontakt halten und verlieren sich dadurch nicht aus den Augen. Sie können sich weiterhin über das austauschen, was sie gemeinsam interessiert. Dass man sich nicht so häufig persönlich trifft, ist dabei nicht so wichtig. Das Gemeinsame zählt, nicht das Trennende. Sie haben weiterhin etwas miteinander zu reden, sie gehen miteinander um, als würden sie sich jeden Tag sehen.

Es geht hoch her: Es wird gejohlt, debattiert, beratschlagt und sehr viel gelacht, aus vollem Herzen, das hört man. So war es schon immer bei den unzähligen LAN-Partys in unserer Stube und so ist es auch heute.

Nein, ich bereue es nicht, es erlaubt zu haben, obwohl mir eher nach Ruhe und in Ruhe gelassen werden zu Mute ist. Das ist Weihnachten, was sich da abspielt, das ist echtes Weihnachten! Sie freuen sich aneinander. Ganz unerwartet ist mir doch noch Weihnachten ins Haus geschneit.

Herzenslicht

Das verschwundene Christkind

Als ich heute Nachmittag das Christkind besuchen wollte, war es aus seiner Krippe verschwunden. Wo mag es wohl hin sein? Hat es ihm in seiner Krippe so alleine in der leeren Kirche nicht mehr gefallen?

Kein Mensch kümmerte sich mehr um es. Alle haben vermeintlich etwas besseres zu tun, gehen schon wieder shoppen. Oder fahren in Urlaub. Weihnachten ist abgehakt. Jetzt kann Konsum, Wellness und Freizeitvergnügen wieder in den Vordergrund rücken. Mit Silvester wartet schon das nächste Event. So mancher wird aufatmen. Gottseidank haben wir dieses Weihnachtsgedusel für dieses Jahr hinter uns gebracht.

Das Christkind hat das vorausgesehen. Es kennt das. Seit vielen Jahrhunderten ist das so. Deshalb hat es schon an Weihnachten beschlossen, dass es keinesfalls so einsam und allein in seiner Krippe in der kalten Kirche zurückbleibt. Wohin ist es verschwunden?

Wenn ihr nicht zu mir kommt, dachte das Christkind ganz pfiffig, dann komme ich eben zu euch. Es hat sich heimlich, still und leise an Weihnachten in die Herzen der Menschen geschlichen, die es an Heilig Abend mit glänzenden Augen angesehen haben. In die Herzen der Menschen, die sich an ihm gewärmt haben. Als Dank wärmt es nun diese Menschen von innen heraus, unabhängig von Weihnachten.

Eigentlich bin ich damit ganz zufrieden, denkt das Christkind bei sich, in den Herzen der Menschen ist es schöner als alleine in der leeren ungeheizten Kirche. Es strahlt vor Freude über seinen Einfall. Die Menschen, in denen das Christkind strahlt, spüren das. In ihren Augen spiegelt sich das Strahlen des Christkinds und – wenn sie einem anderen Menschen in die Augen sehen – geben sie dieses Strahlen weiter.

Man kann sich das so vorstellen, wie wenn bei der Christmette das Weihnachtslicht weitergereicht wird, von Mensch zu Mensch und manchmal auch von Herz zu Herz.

Kettenlicht