Jesu Testament

Lieber Luther,

in Jesus ist Gottes Wahrheit, Jesus hat immer gewusst was ist, was war und was sein wird. Aus diesem Überblick heraus hat er die Zwangsläufigkeit des Weltenlaufs gesehen, in einer Draufsicht, verklärt. Er weiß, dass ihn Hass verfolgt und dass ihn dieser Hass töten wird. So trifft er Vorbereitungen, er macht sein Testament, das er seinen Jüngern – uns -übergibt.

Jesus stellt sich der Situation, auch wenn sie für ihn lebensbedrohlich ist. Er zögert keinen Augenblick, sondern geht, auf seinen Vater vertrauend, zielstrebig weiter. Soll ich sagen, Vater, hilf mir aus dieser Stunde? fragt Jesus seine Jünger suggestiv. Nein, ist die klare Antwort, „darum bin ich in die Welt gekommen“, als Weizenkorn, das erstirbt, um viel Frucht zu bringen. Sein Tod lässt den Samen aufgehen, ist notwendig, damit die Frucht anfängt zu wachsen und neue Frucht hervorbringt (Joh 12, 26).

Jesus ist bereit, den letzten Schritt zu gehen. Mit Nachdruck bittet er seinen Vater: Verkläre deinen Namen, offenbare deine Herrlichkeit, deine Wahrheit, deine Klarheit, deine Reinheit, verschaffe deinem Namen Geltung, zeig all das Gute, das du bist. Eine Stimme kommt vom Himmel und Gott sagt: Ich habe ihn in der Taufe verherrlicht und will ihn auch jetzt, wo er seinen Weg vollendet, verherrlichen.

Gott macht damit klar, in Jesus ist mein Name, bin ich. Was er tut, tue ich, was er sagt, sagt er in meinem Namen. Gott gibt Zeugnis von sich in Jesus. Er gibt dies Zeugnis nicht um Jesu Willen, um ihn eventuell vor seinen Verfolgern zu retten, er gibt das Zeugnis um unseretwillen, dass wir glauben, was Jesus gesagt hat. Er setzt am Ende seine ganze Kraft ein, um das Werk von Jesu Mission zu vollenden. Es geht um den neuen Bund, den Gott mit uns schließt, in Jesus. Wer mir dienen will, der folge mir nach. Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Darin besteht der Bund und es ist der neue alte Bund, den Gott mit uns schließen will: Dient mir, folgt mir nach, haltet meine Gebote.

Es donnert, das Vorzeichen der Verfinsterung der Welt, dunkle Wolken sind im Anzug. Das Gericht ist da, das Gericht, das die Menschen, diejenigen, die nicht an ihn glauben, über den König, den Herrn, den Herrscher der Welt setzen, das Gericht, das ihn aus der Welt treibt, das Gericht, dass die Menschen meinen, über den Sohn Gottes halten zu müssen, in dem sie ihn hinausführen vor die Stadt und dort kreuzigen. Der Donner verkündet schon unheilvorhersagend die Verfinsterung der Erde auf Golgatha. Die Menschen fragen deshalb zu Recht: Es steht geschrieben, dass der Christus ewig bleibe. Wenn du jetzt gehst, kannst du ja nicht der Christus sein. Du sprichst vom Menschensohn. Wer ist dieser Menschensohn?

Ich bin das Licht, geht die kleine Zeit, die ich noch bei euch bin, in meinem Licht, denn wer in der Finsternis geht, weiß nicht, wo es lang geht. Glaubt an das Licht. Aber sie glaubten dennoch nicht, obwohl er so viele Zeichen gewirkt hatte, zum Zeugnis, dass er von Gott kommt. Der Unglaube ist die Finsternis der Welt, der Mensch, der sich nicht zu Gott bekehrt. Denn: Wer mich verachtet und meine Worte nicht aufnimmt, der hat schon seinen Richter. Jeder hat die Möglichkeit, an das Wort zu glauben. Wer die Ohren verschließt, wird sie am Tag des Gerichts aufmachen müssen, wenn er vor seinem himmlischen Vater stehen wird. Das Wort, der Grad der Nachfolge im Wort, wird der Maßstab sein, an dem gerichtet wird. Denn „ich weiß“, sagt Jesus, dass Gottes Gebot das ewige Leben ist (Joh 12, 47-50. Worin besteht die Nachfolge?

Zunächst im tätigen Dienen. Jesus gibt die Richtung klar vor: Der Apostel ist nicht größer als der Herr, ich wasche euch die Füße und setze mich nicht zuoberst der Hochzeitstafel, weil ich mich für den Wichtigsten halte. Der Wichtigste ist Gott allein. So sollt ihr es auch halten. Seid bescheiden und demütig (Joh 13).

Nachfolge ist Achtsamkeit: Wer aufnimmt, den ich senden werde, der nimmt mich auf; wer mich aufnimmt, der nimmt meinen Vater in sich auf, sagt Jesus (Joh 13, 20). Im Umkehrschluss, wenn ihr den, den ich geschickt habe, ausschließt, schließt ihr Gott und mich aus. Deshalb verschließt eure Herzenstüren nicht, gebt acht und wacht, es könnte ich sein, der an eure Tür klopft.

Folgt mir nach in der Liebe zueinander, fordert Jesus uns auf. Da ich fortgehe, werdet ihr mich suchen, wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen. Deshalb gebe ich euch ein neues Gebot: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe. Daran wird jeder erkennen, dass ihr meine Jünger seid (Joh 13, 34). Ein Gebot, an dem wir uns alle vergeblich abarbeiten, da die Liebe der Menschen untereinander nicht so vollkommen ist, wie die Liebe Jesu zu denen, die an ihn glauben.

Aber, erschreckt nicht: Glaubt an mich und glaubt an Gott, so ihr glaubt, seid ihr sicher, in meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Ich werde auch alle zu mir ziehen (Joh 12, 32), auf dass ihr seid, wo ich bin. Wo ich hingehe und den Weg dorthin wisst ihr (Joh 14, 3). Zweifel? Ungläubig?

Jesus gibt Nachhilfeunterricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Ich bin die Tür, durch die ihr gehen müsst. Viele Gleichnisse habe ich davon erzählt. Wenn ihr mich kennt, so kennt ihr auch meinen Vater. „Von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen“ (Joh 14, 6). Punktum. Keine Ausrede mehr möglich. Ihr kennt den Weg, der im Glauben an mich besteht, ihr kennt die Wahrheit, in den Worten und Gleichnissen, die ich zu euch gesprochen habe, und ihr wisst, dass der Weg zum ewigen Leben nur über mich und mein Wort führt. Alles, was ich bewirke, alle Zeugnisse, alles was ich rede, kommt nur von meinem Vater. „Glaubt mir, dass ich im Vater und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubt mir doch um der Werke willen“ (Joh 14, 11). Glaubt wenigstens, was ihr gesehen habt, beschwört Jesus seine Jünger. Seine Worte sind im Strom der Zeit untergegangen. Er hatte die modernen Wissenschaften noch nicht auf dem Schirm. Jesu Werken und Zeugnissen zu glauben, weigert sich der wissenschaftlich gebildete Mensch standhaft, „denn sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott“ (Joh 12, 43).

Jesus gibt nicht auf. Er setzt dem entgegen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun“ (Joh 14, 12). Auch in den Werken, die ich getan habe, werdet ihr mir nachfolgen, denn ich gehe zum Vater, ihr werdet Berge im Glauben versetzen, Tote auferwecken und Kranke heilen. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun. Liebt ihr mich, so haltet meine Gebote. In Jesu Namen beten, in Jesu Namen bitten, ihn lieben, nicht sich selbst. Mit mir könnt ihr Berge versetzen, wenn ihr hört, was ich sage, wenn ihr mich bittet in meinem Namen (nicht in eurem), wenn ihr keine Angst habt und mutig mir darin folgt.

Ich weiß, sagt Jesus, dass ihr in Anfechtung fallen werdet, dass ihr Angst bekommt, das ihr dazu tendiert, beim ersten Gegenwind euch von mir abzukehren und euch in Windrichtung zu drehen. Deshalb braucht ihr etwas, an dem ihr euch aufrichten könnt, wenn ihr es braucht, einen „Tröster“, der nicht fleischlich ist und euch nicht verlässt, sondern ewig bei euch sein wird, den keiner töten und keiner von euch abhalten kann: den Geist der Wahrheit, der euch den Weg zeigt, wenn es dunkel um euch wird, der das Licht ist, das euch leuchtet, wenn die Finsternis nach euch greift. Die Welt der Ungläubigen sieht und kennt ihn nicht, aber ihr, die ihr an mich glaubt, kennt ihn. Ich bleibe bei euch, ich will euch nicht zu Waisen und Verlassenen machen. Den Frieden lasse ich euch, den Frieden gebe ich euch, euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht ((Joh 14, 27).

Und auch das hinterlässt er uns: Hättet ihr mich lieb, würdet ich euch mit mir freuen, dass ich zum Vater gehe. Ich habe es euch ja gesagt. Ich habe euch gesagt, ich gehe hin und komme wieder. Ihr werdet mich suchen. Ich habe es euch gesagt, damit ihr es glaubt, wenn es geschieht (Joh 14,29). Alles ist damit gesagt. Ich werde nicht mehr viel mit euch reden, denn der Fürst der Welt wird über mich zu Gericht sitzen, obwohl er mir nichts vorzuwerfen hat. Ich weiß, was mir droht, trotzdem werde ich mich ihm ausliefern, damit ihr erkennt, dass ich den Vater liebe und ich tue, was er mir geboten hat. Damit ihr seht, was Liebe heißt, bedingungslose Liebe, Liebe die liebt ohne nach sich selbst zu fragen, Liebe zu euch, Liebe, in der ich euch belehre, was ich meine, wenn ich sage, liebt mich, wie ich meinen Vater liebe.

Lieber Luther, Jesus sagt uns, ich liebe euch so, dass ich euch den Weg zeige, in dem ich vorangehe, euch das Licht im Wort aufstelle und die Wahrheit lehre, wie ihr im Licht den Weg gehen sollt. Ich bin der Erste, der euch vorangeht, ich bin das Weizenkorn, das erstirbt, damit ihr diese Frucht, die ich euch hinterlassen habe, weitertragt, dass ihr lernt an mir, den Weg geht, den ich aufgezeigt habe, dem Licht folgt, das ich entzündet habe und in seinem Schein die Wahrheit erkennt.

Freut euch, sagt Jesus, lieber Luther, freut euch, dass ich zum Vater gehe. Wenn wir an Karfreitag weinen, weinen wir über uns selbst, darüber, dass wir uns zum Fürsten der Welt machen. Das Erschrecken an Karfreitag muss ein Erschrecken über uns selbst sein, ein Erschrecken, wie wenig wir bis heute verstanden haben, was Nachfolge heißt, wie wenig wir den Neuen Bund, den Gott in Jesus mit uns aufgerichtet hat, respektieren. Gottes Bund mit uns sehen wir gern als Einbahnstraße von oben nach unten. So ist es ganz und gar nicht. Das Neue Testament in Jesus sagt nichts anderes als der Erste Bund, den Gott mit uns geschlossen hat. Jesus hat uns das nur neu veranschaulicht und begreiflich gemacht. Das sagt sein Testament an uns.

Herzliche Grüße
Deborrah

Wer bin ich und wer bist du?

Lieber Luther,

wer bin ich und wer bist du? So könnte man den Disput, den Jesus mit den Pharisäern in Johannes 8 hat, zusammenfassen. Da geht es zur Sache, Jesus nimmt keinerlei Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Pharisäer. Er sagt schonungslos, was er zu sagen hat. Und was hat er zu sagen?

Wer bin ich?
Ich bin das Licht der Welt.
Ich bin der, der weiß, woher ich komme und wohin ich gehe.
Ich bin nicht allein, in allem was ich tue ist Gott, mein Vater, mit mir.
Ich bin der, der vom Vater zeugt.
Ich bin der, von dem der Vater zeugt.
Ich bin der, der die Wahrheit redet.
Ich bin der, der von Obenher ist.
Ich bin der, dessen Wahrheit und Weisheit von oben kommt.
Ich bin der, der mit euch redet.
Ich bin der, der viel von euch redet und richtet.
Ich bin der, der wenn er richtet, recht richtet.
Ich bin der, der vor der Welt redet, was mich mein Vater gelehrt hat.
Ich bin der, der ohne Sünde ist.
Ich bin der, der den Vater ehrt.
Ich bin der, den der Vater ehrt.

Und wer seid ihr?
Ihr seid diejenigen, die Steine werfen wollen.
Ihr seid diejenigen, die nach dem Fleisch richten.
Ihr seid diejenigen, die von Untenher sind.
Ihr seid diejenigen, deren Wahrheit Streit, Zank und Neid ist.
Ihr seid diejenigen, die unfrei bleiben,
Ihr seid die Knechte der Sünde.
Ihr seid diejenigen, die in ihrenn Sünden sterben werden.
Ihr seid diejenigen, die weder mich noch meinen Vater kennen.
Ihr seid diejenigen, die mir nicht glauben.
Ihr seid diejenigen, die die Wahrheit nicht haben,
Ihr seid Lügner.
Ihr seid die Söhne des Teufels.
Ihr seid diejenigen, die mich nicht ehren.
Ihr seid diejenigen, die Gott nicht kennen.
Ihr seid diejenigen, die mich töten wollen.

Das alles sagte Jesus, der Zimmermann, den Pharisäern, den theologischen Glaubenshütern. Und wie reagierten diese? Sie hoben Steine auf, um sie auf ihn zu werfen. Jesus versteckte sich und ging aus dem Tempel hinaus.

Lieber Luther, ist das verwunderlich, dass die Pharisäer nicht eben freundlich auf Jesus gestimmt waren? Im Tempel, ihrem Heiligtum, von einem theologisch Ungebildeten, der von sich behauptet, Gottes Sohn zu sein, so angegriffen zu werden, war eine unglaubliche Provokation. Jesus wusste das, er wusste auch den Ausgang, deshalb hat er auch kein Blatt vor den Mund genommen. Er sprach rücksichtlos gegen sich und die Pharisäer die Wahrheit. Diplomatisch oder politisch korrekt war er nie. Immer in Wahrheit und Wahrhaftigkeit, wahrlich, gerade gegen den religiösen Mainstream.

Was Jesus verdeutlicht: Es kommt auf die Wahrheit an. Die Wahrheit ist an ihn und Gottes Wort, so wie er es lehrt, geknüpft. Wahrheit und Unwahrheit sind die Gegensätze, Unwahrheit ist Sünde, Wahrheit ist in Gottes Wort, Sünde ist in der Unwahrheit, Unwahrheit ist der Inbegriff des Teufels, des Mörders des wahren Wortes von Anbeginn. Jesus bringt die Freiheit von Sünde durch das wahre Wort. Das muss geglaubt werden. Wer es nicht glaubt, der ist ein Sünder, umgekehrt, wer es glaubt, ist frei. Glauben macht frei von Sünde. So einfach ist die Wahrheit der Sünde. Alles andere, was wir so als Sünde denken, ist fleischlich: Ihr richtet fleischlich, sagt Jesus. Jesus aber richtet recht: Das wahre Wort, Jesu Wort, und der Glaube daran ist der alleinige Maßstab. Wessen Vater Gott ist, der hört das Wort, wessen Vater Gott nicht ist, der hört das Wort nicht. Sünde ist, diese Wahrheit Jesu nicht zu glauben.

Wer bin ich und wer bist du? Wahrheit und Lüge, Jünger und Gottlose, Glaube und Nichtglaube, Jesus ist trennscharf, messerscharf. Wenn ich das lese, frage ich mich, wie man behaupten kann, christlich zu glauben, ohne an Jesu Wort zu glauben? Wo anders als in der Bibel steht aber Jesu Wort? Woher kommt sonst das wahre Wort? Angesichts der vielen Menschen, die sagen sie glauben, aber glauben nicht, was in der Bibel steht, oder nur selektiv, was ihnen in den Kram passt, macht mich das ratlos. Welche Grundlage hat ein solcher Glaube? Ist es wirklich der Glaube an den Gott der Bibel, an Jesus und Jesu Vater, oder ist es doch der Glaube an selbstgegossene Götter? Nachdenklich,

herzliche Grüße
Deborrah

Opfer

Lieber Luther,
wenn wir von Brand-, Speis-, Dank-, Sünd- und Schuldopfer hören und dazu eine detaillerte Beschreibung geliefert bekommen, wie die Ochsen, Schafe, Ziegen, Vögel zu schlachten und zerlegen sind, und was mit den Einzelteilen passieren soll, denken wir eher an ein Naturvolk als an die Bibel. Das liest sich mit heutiger Brille erst einmal befremdlich und bedarf der Einordnung.
Wie ich dir bereits geschrieben habe, hatte Mose die Herkulesaufgabe, aus einem wilden, widerspenstigen, gesetzlosen, rohen Menschenhaufen ein verfasstes Volk zu machen. Ihm nicht nur Gesetze des Zusammenlebens zu geben, eine gerichtsbare Ordnung, sondern auch eine Ordnung, wie die Gemeinschaft mit dem EINEN Gott zu pflegen ist.
Es war ganz und gar nicht selbstverständlich, dass die Stämme, die unter seiner Führung standen, dem EINEN Gott nachfolgen, der der Gott Jakobs war. Das Volk in seiner breiten Masse pflegte die Vielgötterei mit ihren eigenen Sitten und Bräuchen. Sobald Mose schwächelt, das Volk vor einer großen Herausforderung steht oder ihr Anführer Mose abwesend ist, kehrt es zu den alten Sitten zurück, zu den ursprünglichen Göttern. Der Bau des goldenen Kalbs ist nur ein Beispiel, es folgen noch viele, bis auf den heutigen Tag.
Durch den Bau des Heiligtums, das Zelt der Begegnung, das Priesertum, die neuen Riten, die Gesetzgebung und die damit verbundene Strafandrohnung sollen die Abgötterei zurückgedrängt, der Glaube an den EINEN Gott etabliert werden. In der Bibel steht drastisch: Und sie sollen nicht mehr ihre Schlachtopfer den Bocksdämonen schlachten, denen sie nachhuren (3.Mo 17, 7). Geopfert werden sollte im neuen Zelt der Begegnung: Einen Altar von Erde mache mir, darauf du dein Brandopfer und Dankopfer, deine Schafe und Rinder opferst. Denn an welchem Ort ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, da will ich zu dir kommen und dich segnen. (2. Mose 27.1).
Solch ein Kulturwandel war nur zu bewerkstelligen, indem Gott Mose in allem unterrichtete und wie mit einem Freund redete. Man kann nun nicht nach heutigen Maßstäben messen. Die Mosegeschichte ist etwa 1480 v.Ch. anzusiedeln. Tieropfer, wenn nicht gar Menschenopfer, gehörten in der Zeit zum Normalfall des Götterkultus. Es mussten noch einige hundert Jahre vergehen bis es im Psalter heißt: Opfer und Speisopfer gefallen dir nicht; aber die Ohren hast du mir aufgetan. Du willst weder Brandopfer noch Sündopfer (Psalm 40, 7). Aber selbst die Psalmschreiber waren sich in dem Punkt noch nicht einig.
Jedoch, die Schlachtopfer waren nur die zeitgemäße äußere Form. Man sollte sich von ihnen nicht zu den Götzen führen lassen. Im Detail findet sich Gott. Zum Beispiel im Bild es „Erstlings“ (2.Mose 34, 19ff). Alles, was zuerst den Mutterschoß durchbricht, ist mein, sagt Gott, sei es Ochse oder Schaf. Aber den Erstling des Esels sollst du mit einem Schaf lösen. Wieso Ochse, Schaf und Esel? Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn (Jes 1, 3). Die Stärke des Ochsen, die Wehrlosigkeit des Schafes, der Esel, das Lasttier. Jesus schickt seine Jünger, um den lastbaren Esel zu lösen, mit dem er, der Starke, als wehrloses Lamm in Jerusalem einzieht (Mt 21, 2).
Alle Erstgeburt unter deinen Söhnen sollst du lösen, sagt Gott. Niemand soll leer vor mir erscheinen (2.Mose 34, 19-20). Gott erhebt Anspruch auf den „Erstling“. Den Menschen gibt er die Möglichkeit, ihre Söhne abzulösen, seinen eigenen Sohn aber fast 1500 Jahre später nicht. Jesus, der in allem der Erstling ist, löst die Sitte der Schlachtopfer. In ihm wird alle heidnische Tradition überwunden. Ab Jesus, mit seiner Auferstehung, wird in Jesus des Namens Gottes gedacht. Auf den Altären löst das Kreuz die Brand- und Dankopfer ab.
Ostern ist schon lange vorgedacht: Du sollst das Blut meines Opfers nicht opfern neben gesäuertem Brot, und das Opfer des Osterfestes soll nicht über Nacht bleiben bis an den Morgen (2.Mose 34, 25). Das „du sollst“ hält der Mensch später wie meistens nicht ein: Jesu Blut wurde neben Verbrechern vergossen, neben gesäuertem Brot. Und das Opfer des Osterfestes soll nicht über Nacht bleiben. Das ist eingetroffen, da war Mensch nicht gefragt, so konnte es sein.
Blut spielt in den mosaischen Opferriten eine große Rolle. Mit dem Blut der Opfertiere wurde der Altar besprengt. Denn: Des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch auf den Altar gegeben, dass eure Seelen damit versöhnt werden. Denn das Blut ist die Versöhnung, weil das Leben in ihm ist (3.Mose 17, 11-12). Bei den Tieropfern werden Körper und Blut geopfert, zum Gedächtnis Gottes, zum Dank, zur Ablösung und Vergebung von Schuld und Sünde.
Jesus hat zu genau gleichem Zweck das Abendmahl eingesetzt: Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: Das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird (Lukas 22, 19). Alter Ritus wird durch neuen Ritus abgelöst, alter Bund durch den neuen Bund, alter Wein in neuen Schläuchen, Blut wird durch Wein abgelöst. Das zweite Testament ist eine Erneuerung, im doppelseitigen Sinn, des ersten Testaments, eine Modernisierung, eine Aktualisierung, die durch Jesus in die Welt gebracht wird. 
Lieber Luther, eigentlich bin ich noch beim Vorwort, so mächtig und gehaltvoll sind die Beschreibungen der Brand, Dank-, Speis-, Schuld- und Sündopfer und der dazugehörigen Riten, so viele Parallelen und Schlüsse könnte man zu Jesus und zum Neuen Testament ziehen. Man könnte ein Buch damit füllen. Es ist schade, dass im oberflächlichen Betrachten der Schlachthandlungen der tiefe Sinn von oberflächlicher Empörung verdeckt wird. Das Alte, richtiger das Erste Testament ist nicht veraltet. Es sagt uns viel, wir müssen es nur wieder verstehen lernen. Gott denkt in anderen Kategorien. Das leiblich-fleischliche spielt für ihn keine Rolle, ihm geht es nur um das Geistige.
Lieber Luther, es ist unmöglich, alles, was mir so durch die Sinne schwebt, in so einem kurzen Brief zu erzählen. Eines mag ich aber, da wir auf Ostern zusteuern, nochmals aufnehmen: Gott sagt: Des Leibes Leben ist im Blut, das Blut ist die Versöhnung, weil das Leben in ihm ist. Ich will darüber nachdenken, was daraus für das Ostergeschehen zu lernen ist. Mal sehen…. 
Herzliche Grüße
Deborrah

HERRlichkeit

Lieber Luther,
wenn man die Exodus –und Levitikus-Kapitel in der Bibel liest, die kapitellangen Beschreibungen, wie das Heiligtum zu bauen ist und wann welche Speis-, Trank-, Sündopfer etc in welcher Weise darzubringen sind, dann fragt man sich, sagt mir das heute noch etwas? Insbesondere die Kapitel über die Opfer triefen vor Blut. Manch einen wird es angeekelt verschütteln, wenn er das liest. Wieso steht das in der Bibel? Wieso in der Ausführlichkeit?
Lange hatte ich Zweifel. Aber, es ist wie immer mit der Bibel, nachdem ich Kapitel um Kapitel an mir vorbeiziehen habe lassen, ist mir im Lichte des Morgens heute morgen doch der Sinn aufgegangen.
Blenden wir zurück. Es herrscht eine Hungersnot über große Landstriche hinweg. In Ägypten waltet zum Segen aller der verkaufte Joseph. Also zieht das Haus Jakob unter der Protektion Josephs zu den Ägyptern, um nicht zu verhungern, als Fremdlinge in die Fremde. Über die Jahre vermehren sich die Hebräer stark, Ägypten überfremdet nach dem Empfinden des neuen Pharaos. Natürlich hat Gott seine Finger im Spiel. Er will zeigen, dass er der HERR ist und so kommt es zum Machtkampf, den natürlich Gott gewinnt. Schließlich, verzichtet der Pharao auf die Arbeitskraft der Hebräer und lässt sie aus Ägypten gehen.
Was war der Sinn der Übung, wieso hat Gott dem Pharao das Verständnis verschlossen und warum mussten die zehn Plagen über Ägypten kommen? Gott erklärt es Mose: Ich bin der HERR und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott; aber mein Name HERR ist ihnen nicht offenbart worden (2.Mose 6, 2). Es geht darum, dass Gott zwar als Gott bekannt ist, aber seine Herrschaft und Herrlichkeit ist noch nicht etabliert in dieser Welt, es ist bisher nur Einzelnen bekannt, was er vermag. Bis dahin hatte Gott noch kein Volk, er hatte ein Haus.
Deshalb erklärt Gott Mose weiter: Ich will euch annehmen zum Volk und will euer Gott sein, dass ihr erfahren sollt, dass ich der HERR bin. Er will sein Volk sammeln und es in sein gelobtes Land führen, er will sein Volk aus den Beschwernissen führen, es erlösen durch seinen ausgestreckten Arm und große Gerichte (2.Mose 6, 6-7). Gott will durch Zeichen, Wunder und Taten zeigen, dass er der HERR ist, er will seine HERRschaft und seine HERRlichkeit aufrichten. Er tritt aus dem Haus Jakob heraus und wird Gott des ganzen Volkes Jakob, das der Hausgröße entwachsen ist. Gott macht sich offenbar als HERRscher seines Volkes.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Weitere zu verstehen. Eine solch große Menschenzahl ist nicht mehr wie ein Haus zu führen, es bedarf der verbindlichen Regeln des Zusammenlebens, aber auch der verbindlichen Regeln des Lebens mit Gott. Ganz offensichtlich wird das, als Mose, wie von Gott befohlen, für 40 Tage auf den Berg Sinai steigt. Was sich dann abspielt, ist kaum zu glauben. Aaron, der von Gott erwählte Priester, der zurückgeblieben war, der Stellvertreter Moses, mit aller Autorität ausgestattet, baut auf Verlangen des Volkes ein goldenes Kalb, um es anzubeten. Aaron hat nicht die Kraft und Einsicht, gegenzuhalten und das zu verhindern (2.Mose 32, 1-6). Es ist offensichtlich, dass Regeln her müssen, um Gott Gott sein zu lassen. Genau dashalb hat er auch Aaron das Kalb bauen lassen: Die Natur des halsstarrigen Volkes Gottes sollte sichtbar und gebrandmarkt werden.
Gott hat das schon vorhergesehen. Alles, was er Mose auf dem Berg hat verstehen lassen, ist darauf gerichtet, das Wesentliche „mit dem Finger Gottes“ auf zwei steinerne Tafeln geschrieben. Als Gott gewahr wird, dass sein Volk in Moses Abwesenheit schon von ihm abgefallen ist, schickt er Mose vom Berg, um Gott wieder Gehör zu verschaffen. Als Mose sieht, was passiert ist, zerbricht er vor Zorn die Gesetzestafeln (2.Mose 32, 19). Den Zorn Gottes hatte er vorher schon umgebogen. Er hatte vor Gott für sein Volk gefleht, und – was sehr selten ist – Gott ließ sich von Mose umstimmen: Also gereute den HERRN das Übel, das er drohte seinem Volk zu tun (2.Mose 32, 14).
So macht sich Mose unverzüglich daran, durch Regeln und Riten eine Ordnung aufzubauen, die das Volk offensichtlich brauchte, um einigermaßen friedlich zusammenzuleben und glauben zu können. Es brauchte sichtbare Zeichen auch der Gottesherrschaft. Um zu verhindern, dass das Volk goldene Kälber baut und falsche Götter anbetet, baute er als sichtbares Heiligtum die Bundeslade, das Priestertum wurde eingeführt, mit Aaron als erstem Priester, quasi eine Standesordnung errichtet. Die Priester sollten sichtbar Priester sein, mit prächtiger Ausstattung an Gewändern Gottes HERRlichkeit repräsentierend, herausgehoben vom Volk, ernährt durch die dargebrachten Speiseopfer. Dann wurden Opferriten eingeführt, die in allen Einzelheiten beschrieben sind, zur Versöhnung von den Sünden und den Missetaten des Volkes.
Diese so Blut triefenden Opfer haben es in sich, lieber Luther. Es lohnt sich sehr, hinter die Oberfläche zu schauen. Davon will ich dir – damit ich dir heute die Zeit nicht zu lange stehle – morgen berichten. Vor dem beschriebenen Hintergrund werden sie verständlich und haben auch heute noch eine Aussage und Botschaft und auch eine Verbindung zu Jesus.
Lieber Luther, apropos Botschaft, aber da sage ich dir sicher nichts Neues: Es geht – wie ich schon öfter geschrieben habe – auch in diesem Bibelabschnitt ganz und gar nicht um einen Historienbericht, es geht darum, verständlich zu machen, zu verbildlichen, was der Kern des christlichen Glaubens, des Glaubens an unseren Gott ist. In den Mosekapiteln soll uns verständlich gemacht werden, was „Gottes HERRschaft“ heißt. Wie sollten wir es auch sonst wissen?
Herzliche Grüße
Deborrah

Was passiert da bloß?

Lieber Luther,
im Zuge meines Bibelleseplans bin ich nun bei Mose gelandet und man fragt sich schon nach wenigen Kapiteln, was passiert da bloß? Plötzlich weht ein ganz anderer Geist.
Das Buch Genesis ist mit dem Tod Josephs zu Ende, der Glaube an Gott ist gegründet, die Grundlagen gelegt. Eine Ära im Verhältnis Gottes zu den Menschen geht zu Ende, eine neue beginnt. Joseph, der Mann, der als Fremdling und Diener nach Ägypten kam und Gott und Mensch dienend zum Herrn über Ägypten aufstieg, steht am Ende dieser ersten Ära.
Mit dem Tod Josephs und des Pharaos ändern sich die Zeiten schlagartig. Es fühlt sich an wie eine zweite Vertreibung aus dem Paradies. Aus friedlichem und fruchtvollem Zusammenleben wird Unterdrückung, aus Vertrauen Misstrauen, aus Verständnis Hass. Die Nachkommenschaft Jakobs macht sich auf, in das neue gelobte Land zu ziehen. Sie sind immer noch unterwegs, wir sind immer noch unterwegs.
Der Protagonist dieser neuen Welt und dieser neuen Umstände ist Mose, der aus dem Wasser gezogene (2. Mos 1ff). Da der Pharao eine Überfremdung fürchtete, gebot er, alle männlichen Nachkommen der Hebräer zu töten. Mose wird, um ihn zu retten, von seiner Mutter ausgesetzt, von der Tochter des Pharaos aufgefunden und aufgezogen. Als Mose erwachsen ist, sieht er, wie einer seiner Brüder von den Ägyptern geschlagen wird, erschlägt kurzerhand den Ägypter und verscharrt ihn. Das bleibt nicht verborgen und so muss er vor dem Pharao fliehen. Moses Geschichte, diese neue Ära mit Gott, beginnt, ganz ähnlich wie die erste Ära, mit Mord, Totschlag und Flucht.
Mose flieht nach Midian und findet Zuflucht und eine Frau bei dem dortigen Priester. Seinen ersten Sohn nannte er Gersom, ich bin ein Fremdling geworden in fremden Land. Ein doppelter Fremdling sozusagen. Gottesmenschen waren und sind immer Fremdlinge.
Dann hat Mose seine erste Begegnung mit Gott, am Berg Horeb, beim Dornbusch. Gott hat das Wehklagen der Kinder Israel gehört, ihr Leid erkannt, und gibt Mose den Auftrag, sein Volk aus Ägypten zu führen, in ein gutes und weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Gott sendet Mose zum Pharao, um die Freilassung der Kinder Jakobs zu erwirken. Aber Mose ist nicht Joseph. Mose zweifelt. Wieso sollte der Pharao mir glauben? Oder die Kinder Israel? Wer bin ich denn? Was soll ich ihnen sagen, wenn sie mich fragen, wie der Name dessen ist, der mich zu ihnen gesandt hat? So beschreibt Gott für Mose sich selbst:
Sage ihnen, der ICH WERDE SEIN, DER ICH SEIN WERDE hat mich geschickt. Der HERR, eurer Väter Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Das ist mein Name ewiglich, dabei soll man mein Gedenken für und für (2.Mose 3,14-15).
Gott gibt sich keinen Namen, Gott ist der, der er ist und der, der er sein wird, der Nichtfassbare, der Nichtbenambar, der, der sich im Augenblick und im zukünftigen Augenblick zeigt.
Das ist der Anfang einer langen Freundschaft zwischen Mose und Gott und einem halsstarrigen Volk. Gott weiß im Voraus, dass der Pharao die Kinder Israel nicht so ohne weiteres ziehen lassen wird, „außer durch eine starke Hand“, seine starke Hand. Er wird dem Pharao und den Kindern Israel seine starke Hand zeigen, er wird ihnen zeigen, dass er der HERR ist.
Mose ist das alles zuviel und so nimmt er den Auftrag zunächst nicht an, er diskutiert mit Gott. Sie werden mir nicht glauben und meine Stimme nicht hören, wendet er ein. Und wie Jesus bei seinen Jüngern so muss auch Gott den Glauben in Mose stärken. Als sichtbares Zeichen gibt er ihm einen Stab, einen Wunderstab, Gottes starke Hand. Er lehrt Mose, was Gottes starke Hand zu bewegen mag und dass er Vertrauen in sie setzen kann. Der Stab ist das sichtbare Zeichen hierfür. Mit dem Stab führt Mose Gottes starke Hand verbildlicht immer mit sich, vermag mit ihm Dinge zu vollbringen, die nur Gottes starke Hand vollbringen können.
Aber selbst alle sichtbaren Zeichen reichen nicht aus, um Mose für seinen Auftrag zu begeistern. Er ahnt wohl schon, was auf ihn zukommt. Mose entgegnet Gott, er sei für diesen Auftrag nicht redegewandt genug. Gott redet ihm zu: So geh nun hin, ich will mit deinem Mund sein und dich lehren, was du sagen sollst. Mose bleibt stur: Mein HERR, sende, wen du willst, aber nicht mich.
Da reißt Gottes Geduldsfaden und er wird sehr zornig über soviel Renitenz seines Auserwählten. Er stellt ihm den sprachgewandten Aaron zur Seite. Aaron soll zum Sprachrohr Moses werden. Und weiter erklärt Gott Mose: Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein, und du sollst sein Gott sein (2.Mose 4,16).
Ja, so steht es da. Gott gibt Mose göttliche Prokura. Er sagt tatsächlich zu ihm: Du sollst für Aaron Gott sein. Er gibt ihm als Insignium seiner göttlichen Macht einen Stab, einen Stab, mit dem er Wunder bewirken kann, der für seine Macht steht. Mose wird mit der Macht Gottes ausgestattet. So wie später Jesus.
Mose nimmt seine Frau und seine Söhne und führt sie auf einem Esel nach Ägypten, den Stab Gottes in seiner Hand (2.Mose 4,20). Auch Joseph führt einen Esel mit Frau und Kind nach Ägypten. Der Stecken und Stab, den Jesus in der Hand hat, ist der Stecken und Stab des Trostes.
Man ahnt, dass Mose sich hier zu einer schwierigen Mission aufmacht, Schafhirte gegen Pharao. Aber, es wird noch schwieriger, als es so schon scheint. Gott hat seine eigenen Spielregeln. Er verstockt das Herz des Pharaos, so dass er die Israeliten nicht ziehen lassen wird. Das ist von vornherein klar, Gott ist Mose gegenüber darin ganz transparent. Er verschweigt nichts. Mose soll dem Pharao ausrichten: Israel ist mein erstgeborener Sohn und wenn du meinen Sohn nicht ziehen lässt, will ich deinen erstgeborenen Sohn erwürgen.
Lieber Luther, das verspricht noch spannend zu werden. Ich habe das Gefühl, ich habe noch gar nicht angefangen von dem zu schreiben, was ich eigentlich schreiben wollte. Mein Notizzettel ist noch völlig unabgearbeitet. Die in der Bibel beschriebene neue Ära mit Gott macht schon nach wenigen Kapiteln betroffen. Mord, Totschlag, Flucht, Unglaube, Renitenz gegen den Auftrag Gottes, ein Gott, der verstockt und die Ohren verschließt. Fast hat man den Eindruck, ab Mose ist Gott mit seinem Volk in der Lebenswirklichkeit angelangt, Gott macht sich auf eine lange Glaubensreise mit seinem ungläubigen Volk.
Den Brief geschlossen und die Frage völlig offen: Was passiert da bloß?
Aus meiner Antwortsuche hoffentlich bald mehr.
Herzliche Grüße
Deborrah

Narren

Lieber Luther,
eigentlich wollte ich mir diesen Brief verkneifen, aber du weißt ja, verkneifen ist oft wie ein innerer Staudamm, der irgendwann bricht.
Im Schaukasten der Kirche prangte gestern ein A3 Plakat, Einladung zum Familiengottesdienst heute. Die Kinder dürfen gern verkleidet kommen. Als ich das Plakat sah, war ich wie vom Donner gerührt. Im Schaukasten der Kirche lädt mich tatsächlich Darth Vader, der Inbegriff des Bösen, und in gehörigem Abstand dahinter, eine Prinzessin zum Sonntagsgottesdienst ein. Ich musste zweimal hinsehen, da ich meinem ersten Blick nicht getraut habe.
Die Tage habe ich von einem aufrechten Leiter eines evangelischen Kindergartens gelesen, der die Kindermaskerade in seinem Kindergarten immer unter ein Motto stellt, Hexen und sonstige okkulte Dinge waren nicht zugelassen. Nach dem Gesetz des Mose sind Hexen und ähnliches zu meiden. Er hat es mit dieser Maßnahme bis in die Zeitung gebracht, weil sich natürlich eine Mutter fand, die sich dem nicht beugen wollte. Sie schickt das Kind zwar in einen konfessionellen Kindergarten, den Werten dort, mag sich sich aber nicht beugen. Hut ab, dachte ich, als ich das las, vor dem Leiter, der Mann hat Rückgrat und Courage.
Was für einen evangelischen Kindergarten gilt, sollte erst recht für eine evangelische Kirche gelten, dem Tempel Gottes, den Jesus handgreiflich höchst persönlich vom oberflächlichen menschlichen Tun gereinigt, alles hinausgeworfen hat, was Mensch dient anstatt Gott. Hat Jesus nicht gesagt: „Hebe dich hinweg, Satan“, hat er nicht die bösen Geister ausgetrieben? Hat er jemals gesagt: Du Inbegriff des Bösen, komm in mein Haus herein? Im kirchlichen Schaukasten ist ein Laserschwert auf mich gerichtet.
Die Prinzessin steht auf dem Plakat im gebührenden Abstand im Hintergrund, hinter dem grausigen Anblick Darth Vaders und seinem gezückten Laserschwert, mit Krönchen auf dem Kopf und Prinzessinnenkleid. Hat Jesus nicht gesagt, wir sollen dienen, nicht herrschen? Wir sollen noch dem Geringsten die Füße waschen. Sind Darth Vaders und Prinzessinnen dafür bekannt, dass sie dies tun?
Nun könnte man einfach darüber hinwegsehen, so wie ich das zuerst wollte. Aber je mehr ich darüber nachdachte, was dieses Plakat für Signale sendet, desto unseliger, im wahrsten Sinne des Wortes, fand ich es, wie wenn sich das Gift Darth Vaders in mir ausbreiten würde. Man könnte sagen, es ist nur ein Bild, aber was für ein Bild gibt in diesem Bild die Kirche ab, die kirchlichen Vertreter, die das zu verantworten haben?
Am meisten erschreckt mich die Gedankenlosigkeit des verantwortlichen Kirchenpersonals, die Achtlosigkeit, die Respektlosigkeit gegenüber den christlichen Werten, die im Mund geführt werden. In meiner Sicht ist die Schwelle zur Verantwortungslosigkeit hier schon überschritten. Welche Signale werden hier an die Kinder gesendet, welche Bilder? Alle christlichen Werte sind in diesem Plakat mit Füßen getreten, es sei denn „lasset die Kindlein zu mir kommen“. In dem Fall handelt es sich mehr um ein Anlocken mit allen Mitteln und unter falschen Vorzeichen.
Blickt man auf die Bildkomposition als Ganzes: Klar, dass Darth Vader im Vordergrund steht, das Prinzesschen brav mit Abstand im Hintergrund. Welche Rollenklischees werden hier vermittelt? Das Böse und das brav treue dumme Frauchen im Hintergrund. Darth Vader beherrscht die Szenerie, bis in den Kern grausam, machtbesessen, rücksichtslos, bereit mit seinem Schwert dem, der sich ihm in den Weg stellt oder nicht passt ins Jenseits zu befördern. Sind das die Bilder, die Kirche Kindern vermitteln will? Wer kommt auf die Idee mit so einem Plakat zu einem Gottesdienst einzuladen? Nur Maskerade? Oder hat sich da das Kirchenpersonal demaskiert?
Lieber Luther, ist für Kirche jedes Mittel mittlerweile Recht, um auf Menschenfang zu gehen, und um nichts anderes geht es hier, um die Kinder in die Kirche zu locken. Mir schießt der Rattenfänger von Hameln in den Kopf. Meist hat es im Kindergottesdienst mehr Betreuungspersonal als Kinder. Hat sich so Jesus das vorgestellt mit „Lasset die Kindlein zu mir kommen?“ Wächst so Glaube? Werden so den Kindern die Bilder vermittelt, um die es im christlichen Glauben geht? Ist da kein einziger Verständiger, der dem Einhalt gebietet? Wie soll das Salz würzen, wenn es dumm wird? Wird hier nicht populistisch maskiert, dass Kirche keine Antworten auf die Fragen der Kinder hat? Die Kirche und ihre Vertreter machen die Kirche zum Narren, setzen sich selbst die Narrenkappe auf und veröffentlichen das auch noch im Schaukasten, dass es offensichtlich wird. Manchmal möchte man sagen: Gottseidank finden nicht so viele Menschen den Weg zur Kirche.
So kann man, lieber Luther, Kinder weder faszinieren noch dauerhaft binden, höchstens im Glauben verdummen. Ein ganz einfaches Mittel wäre, sich auf die Mittel zu besinnen, die Jesus vorgelebt hat: Sie ernst zu nehmen, Antworten zu geben auf die Fragen, die sich diejenigen stellen, die sich um Glauben bemühen, die sich an Jesus und Gott wenden. Ohne eigenes Zutun und Zutun der Eltern geht es nicht. Die Antworten, die da vom Kirchenestablishment kommen, wenn sie kommen, sind in ihrer Plakativheit, Ödheit und Spiritualitätslosigkeit erschreckend, aber noch viel Erschreckender ist, dass sie auf die meisten Fragen gar keine Antworten haben. Das Portal der badischen Landeskirche „Glauben 2017“ gibt hier ein beredtes Zeitzeugnis. Wer die Fragen der Kinder liest, müsste erkennen, dass sie Antworten verdient hätten, die geeignet sind, an ihrem Glaubenshaus zu bauen. Jesus hat die Kinder ernst genommen.
Lieber Luther, hin und wieder kann ich deinen Zorn, der dich des Öfteren angesichts des Zustandes der Kirche erfasst hat, sehr nachvollziehen. Ich danke dir, dass du hin und wieder als Blitzableiter fungierst. Ausnahmsweise schicke ich dir auch mal das passende Bild.
Herzliche Grüße
Deborrah

Schatzsuche

Lieber Luther,
ich bin dir noch eine Fortsetzung meines letzten Briefes schuldig. Die Josephsgeschichte erzählt zwei Geschichten in einer: Zum einen, eine vom Glauben und wie ein Volk, das einen anderem Gott nachläuft, zum Glauben finden und an Gottes Allmacht glauben kann und was Gott vermag, wenn man glaubt. Das ist die Geschichte Josephs als Fremdling in der Fremde. Es ist eine Geschichte der zwiefachen Demut: Josephs ganz persönlicher Demut und der Demut des Pharaos und des ägyptischen Volkes, bewirkt in der charismatischen und begnadeten Person Josephs. In ihrem Zusammenwirken geben sie ein Idealbild des Gottesreiches auf Erden.
In der zweiten Geschichte, von der ich dir heute schreibe, geht es um Neid, Vertrauen, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Selbstlosigkeit, Demut, Unkäuflichkeit, Vergebung und Rettung. Das ist die Geschichte Josephs mit seiner Familie, mit seinen Nächsten. Es geht darum, dass die Lüge um Joseph solange das Geschick der Brüder belastet, bis sie am Tageslicht und bereut, gebeichtet ist, bis die Brüder von Joseph freigesprochen sind von ihrer bösen Tat an ihm.
Kern allen Übels, ganz am Anfang, ist der Neid der Brüder auf Joseph, auf die besondere Liebe des Vaters zu diesem Kind. Es geht eigentlich nur um den Neid auf die Liebe. Viehhirten sind sie alle gleichermaßen. Als sich die Gelegenheit bietet, ergreifen die Brüder die Gelegenheit, Joseph aus dem Weg zu räumen. Der älteste Bruder Ruben hat Skrupel und will den Bruder retten. Hinter seinem Rücken verkaufen ihn schließlich die anderen Brüder als Sklave an vorbeiziehende Kanaaniter. Dem Vater lügen sie vor, der Bruder sei von wilden Tieren zerrissen worden. Zu trösten vermögen sie den Vater in seinem Schmerz nicht. Keiner bringt die Größe auf, dem Vater die Wahrheit zu erzählen. Alle machen sich an ihm der Lüge schuldig.
Mit Joseph indes ist Gott. Ohne zu hadern unterwirft sich Joseph seinem Schicksal. Wo er hingeht und was er tut: Er bringt Segen und Glück. Er hat ein Charisma und eine Aura, die keinen Zweifel zulassen. Das erkennen alle seine „Dienstherren“ sofort. Zuerst Potiphar, dann der Gefängniswärter und schließlich der Pharao. Sie unterwerfen ihm ihr ganzes Haus. Der Pharao macht ihn zum Herrn über Ägypten. Er vertraut dem, was er sagt und was er tut. Nicht nur der Pharao tut das, sondern ganz Ägypten. Aus diesem Vertrauen wächst Segen für das Land auch in der Not.
Die Geschichte Josephs und seiner Brüder ist eine lehrreiche Geschichte der Reue und der Umkehr. Joseph verlangt Demut und ruht nicht, bis die Wahrheit am Licht ist, bis diejenigen, die in Unwahrheit sind, sie selbst ans Licht gebracht haben. Ganz zu Beginn der Geschichte hatte Joseph zwei Träume: Seine Garbe stand auf dem Feld aufrecht, die seiner Brüder neigte sich vor ihm, und in einem zweiten Traum neigten sich die Sonne und 11 Sterne vor ihm. Sein Vater Jakob verstand den Sinn und war deshalb zornig über die Anmaßung seines Sohnes, aber er „bewahrte seine Worte“, wie später Maria die Worte des Engels (1.Mose 37, 5ff). Josephs Träume sollten Wirklichkeit werden. In der Not, bevor sie verhungern, reisen die Brüder nach Ägypten, um dort „Speise“ zu kaufen. Ohne zu wissen, dass sie vor ihrem Bruder stehen, bitten sie bei Joseph um Hilfe, fallen vor ihm nieder auf ihr Antlitz (1.Mose 42, 6). Josephs Traum ist in Erfüllung gegangen.
Joseph unterzieht die Brüder verschiedenen Prüfungen. Er versucht herauszufinden, wie ernst sie es mit ihrer Demut und der Wahrheit meinen. Er verlangt nach seinem jüngeren Bruder Benjamin, den der Vater nicht mit den anderen Brüdern nach Ägypten schicken wollte, da er Angst hatte, auch ihm könne ein Unfall zustoßen. Er hatte von Rahel, seiner Lieblingsfrau, nur Joseph und Benjamin. Bei der Geburt von Benjamin starb Rahel. Er vertraute seinen Söhnen nicht mehr, Joseph hatten sie schon nicht wiedergebracht. Benjamin wollte er nicht auch noch verlieren. Josephs Forderung nach Benjamin stellte deshalb eine hohe Hürde dar. Das verlorene Vertrauen innerhalb der Familie musste neu gegründet werden. Juda bürgte für seinen Bruder, auf die Gefahr hin, dass bei Misslingen die Schuld auf seinen Schultern lasten würde, und Jakob stimmte schließlich zu.
Die Sache schien fast schief zu gehen, als Joseph eine neue Hürde aufbaute. Er nahm kein Geld für die „Speise“, die er den Brüdern überließ, an. Er packte das Geld, das sie ihm gegeben hatten, heimlich wieder in die Säcke mit den Nahrungsmitteln, was bei den Brüdern, als sie es entdeckten, kein gutes Gefühl hinterließ. Das war beänstigend und demütigend. Bei der zweiten Reise nahmen sie deshalb das doppelte an Geld mit. Ihre Angst des Geldes wegen erwies sich als unbegründet. Der Schatzmeister Josephs sagt Überraschendes zu ihnen: Fürchtet euch nicht. Euer Gott hat euch einen Schatz gegeben in eure Säcke (1.Mose 42, 23). Will heißen, die „Speise“, um die es hier geht, ist nicht für Geld zu haben, weder käuflich noch verkäuflich. Ihr habt euren Bruder um Geld verkauft, wolltet dass er nicht lebt. Hier schenkt euch einer das Leben, umsonst.
Wieder lässt Joseph Geld und diesmal auch einen silbernen Becher in ihre Lastsäcke schmuggeln. Als sie sich vollbeladen auf den Heimweg machen, lässt Joseph hinter ihnen herjagen und fragt nach seinem Becher. Die Brüder wissen nichts und so sagen sie: Wenn einer von uns den Becher hat, so ist er des Todes. Der Becher wird bei Benjamin gefunden, für dessen Leben Juda gebürgt hat. Die Ägypter fragen: Ist’s nicht das, daraus mein Herr trinkt und damit er weissagt (1. Mose 45, 5)? Wird der Becher der Weisheit zum Todesbecher?
Das ist die Nagelprobe. Stehen sie zu dem Wort, das sie ihrem Vater und den Ägyptern gegeben haben? Oder „verkaufen“ sie auch diesen Bruder? Sie haben gelernt und so kehren sie um, um sich Joseph auszuliefern. Juda bittet für Benjamin und bietet dafür sich selbst als Pfand. Er sagt: Womit können wir uns rechtfertigen? Gott hat die Missetat deiner Knechte gefunden (1.Mose 44, 16). Ohne den ganzen Sinn seiner Worte zu verstehen, spricht Juda aus, um was es geht: Gott hat die Missetat seiner Knechte gefunden. Sie war noch nicht gerechtfertigt, noch nicht vergeben. Juda tritt die Flucht nach vorn in die Wahrheit an. Er erzählt Joseph von Jakob, ihrem Vater, und dass es sein Herz brechen würde, würde er Benjamin nicht zurückbekommen. Juda bittet für seinen Vater und für Benjamin, auch wenn es seine Gefangenschaft bedeuten würde. Er ordnet seine eigenen Interessen unter. Er weiß, er kann nicht ohne Benjamin zurückkehren, es wäre der Tod des Vaters.
Da sagt Joseph diese wunderbaren Sätze der Vergebung: Seid nicht in Sorge, ich zürne euch nicht, denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch her gesandt. Gott hat mich vor euch her gesandt, dass er euch übrig behalte auf Erden und eure Leben errette durch eine große Errettung. Ihr habt mich nicht her gesandt, sondern Gott, er hat mich zum Vater von Pharao gemacht und zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Herrn über Ägypten (1.Mose 45, 7-8)
Lieber Luther, im ersten Buch der Bibel ist die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt. Angefangen bei der Schöpfung, die schnelle Vernichtung der Menschen wegen ihrer Schlechtigkeit bis auf Noah, dann die menschlichen Gründungsväter, die Gottes Reich aufrichten, Abraham, Isaak und Jakob. Alles Menschen. Die Bibel verschweigt ihre Verfehlungen nicht. Joseph steht über ihnen. Joseph ist demütig, in allem, was Joseph tut, handelt Gott. Er ist das personifizierte Gut, die Weisheit Gottes. Von Joseph ist kein zorniges Wort überliefert, von Jesus wohl. Joseph ist der Vollkommene. Was Jesus später lehrt, ist in dieser Geschichte veranschaulicht. Joseph, der Pharao, die Ägypter: Sie alle haben sich zweifellos und absolut vertrauend Gott in Joseph unterworfen, auch in der Not. Am Ende der Genesis steht: So sollt ihr mein Reich auf Erden leben. In Joseph habe ich ein Beispiel aufgerichtet. Er ist Jesus im Ersten Bund vorher gesandt, mit Jesus wurde der Bund erneuert und neu veranschaulicht.
Joseph und die Ägypter leben ein Paradies, auch in der Not. In dieser Symbiose ist uns gezeigt, wie Gott in der Not da ist und seine Weisheit in den Menschen ausschütten kann, so dass sie weise handeln. Alle zusammen mit dem Einen. Das gilt vom Größten bis zum Kleinsten. Völlig unerheblich ist dabei, dass die Ägypter eigene Götter haben. Die Geschichte von Joseph mit den Ägyptern funktioniert, weil sich auch der scheinbar unbedeutendste Mensch unterworfen hat, auch wenn er seine ganze Habe dafür hergeben musste. Nur so war Leben für alle. Als der Pharao stirbt, stirbt das Paradies, das Gleichgewicht ist aus den Fugen geraten. Mose führt das Volk Israel schließlich wieder aus Ägypten. Ein derart lebenserhaltendes und lebensspendendes Miteinander, wie Joseph es mit den Ägyptern und den Brüdern erreicht hat, hat seither niemand mehr erreicht. Wir sind immer noch unterwegs, in das gelobte Land, in dem es auch so sein soll.
Vieles in dieser Josephsgeschichte verweist auf Jesus, lieber Luther. Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Was ich auch hinzufüge, es bleibt ungenügend. Gott hat uns einen Schatz gegeben, wir müssen ihn nur entdecken.
Herzliche Grüße
Deborrah

Frieden

Wenn du, Mensch, deinen Frieden auf irgendeinen Menschen setzt, so ist dein Friede sehr wandelbar.
Wenn du, Mensch, deinen Frieden auf einen Menschen setzt, dass er denkt wie du und dass er immer um dich ist, dann ist dein Herz bald uneins mit dir.
Wenn du dir aber immer den Rückweg zur göttlichen Wahrheit offen hältst, so betrübt es dich nicht sonderlich, wenn dich der Mensch verlässt.
Wenn ein Menschenbund ein Bund ist, der nicht um Gottes Willen geschlossen ist, hat er keine Gültigkeit und keinen Bestand.
Wenn ein Menschenband ohne Gott geknüpft ist, ist es nicht wahr noch rein, ist dem Untergang geweiht.
So solltest du alle Anhänglichkeit an geliebte Menschen lassen, dass du, soweit es auf dich allein ankommt, Mut genug hättest, allen Umgang mit Menschen zu entbehren.
Wer sich selbst für gut hält, richtet eine Scheidewand zwischen sich und der Gnade Gottes auf, da der Platz für Gottes Gnade vom eigenen Ego besetzt ist und nicht herein kann. Denn die Gnade des Heiligen Geistes sucht sich als Herberge nur ein demütiges Herz.
Nur wenn man sich von der Abhängigkeit von der Liebe zu einem anderen Geschöpf frei macht, kann die ganze Gnadenfülle einströmen und den frei geworden Platz einnehmen.
Sobald du aber auf die Geschöpfe zurückschaust, wird dir die Anschauung des Schöpfers genommen.
So lerne, dich in allen Dingen um deines Schöpfers willen zu überwinden, dann wird in deiner Seele eine neue Tür zur göttlichen Erkenntnis aufgehen.
Jeder Blick zurück, jedes Anhaften an irdische Liebe, und sei es noch so klein, wirft dich weit zurück auf dem Weg zum höchsten Gut.

(nach Thomas von Kempen, Das Buch von der Nachfolge Christi, 42.Kapitel, Deinen Frieden sollst du nicht auf Menschen bauen!)
Das ist, was Jesus meint mit:
Und wer verlässt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird’s hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben (Mt 19,29)
Oder:
Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert (Mt 10,37)
Oder:
„So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein“ (Luk 14, 26).

Das ist Nachfolge pur, in aller Konsequenz.
Verlassendes Verlassen.
Eine hohe Anforderung an uns.
Ob es viele Menschen gibt, die das schaffen?

Nachfolge – Joseph

Lieber Luther,

manche Geschichten in der Bibel fesseln einen, sie sind spannender als jeder Krimi. So ist es mit der Geschichte von Noah, Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob Israel mit seinen vielen Frauen und 12 Kindern. Der Kreis wird in der Genesis geschlossen mit der Geschichte Josephs und seiner Brüder. Die Geschichte hat mich so gefesselt, dass ich auf meinen Sonntagsspaziergang verzichtet habe, um die Geschichte ganz zu lesen. Wegen ihrer Bedeutung, nimmt sie viel Raum ein. Das Wesentliche versteht man nur im Zusammenhang und der ist überraschend: Hier wird die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt, das ganze Panorama, von gut bis böse(1.Mose 37-50).

Die Geschichte kann man unter zwei Aspekten sehen: Das Verhältnis Josephs zu seiner Familie, insbesondere seinen Brüdern, und das Verhältnis zwischen dem Pharao, seinem Volk und Joseph. Beides ist so voller Botschaften, dass es nicht in einen Brief passt. Deshalb wende ich mich zunächst dem unglaublichen, unbegreiflichen, wunderbaren Verhältnis zwischen Joseph und den Ägyptern zu. Joseph und die Ägypter ist eine Beschreibung, wie Gott sich unser Verhältnis zu ihm idealtypisch vorstellt, seine ideale Konstellation zwischen König und Knechten, zwischen Gott und den Menschen, das ideale Zusammenleben in Überfluss und auch in der Not. Es ist eine große Vision, die schon auf Jesus vorgreift, gleich ganz am Anfang der (biblischen) Geschichte zwischen Gott und Mensch.

Ausgangspunkt ist die besondere Liebe Jakobs zu seinem jüngsten Sohn, Joseph, und der Neid der Brüder auf diese Liebe. Sie beschließen ihn zu beseitigen. Eigentlich wollten sie ihn umbringen, aber Ruben, der älteste Sohn, verhindert das, und so beschließen sie, ihn als Sklaven nach Ägypten zu verkaufen. Dem Vater gaukeln sie vor, er sei von einem wilden Tier zerrissen worden.

So kommt Joseph als unfreier Fremdling nach Ägypten, so wie auch schon sein Vater, Großvater und Urgroßvater jeweils Fremdlinge an den verschiedenen Orten, an denen sie sich aufhielten, waren. Was Joseph anfasst, gelingt, er hat die Gabe einer besonderen Gottesnähe, die ihn verstehen lässt, was andere nicht verstehen. Wie auch schon Abraham, Isaak und Jakob. Was erst einmal als Unglück daherkommt, entpuppt sich später als Vorsehung, um Schlimmes zu verhindern und Gutes zu bewirken, zu retten.

Joseph hat eine besondere Ausstrahlung. Die Dienstherrn, an die er kommt, erkennen das und stellen ihn jeweils über ihre Habe, verlassen sich völlig auf ihn, anerkennen seine Besonderheit und treten selbst zurück. Sie erkennen den Segen, der über Joseph liegt und auf sie ausstrahlt. Sein erster Dienstherr wird Potiphar, der Kämmerer des Pharao, ein mächtiger Mann. Er gibt alle Befugnisse an Joseph, den Fremdling, ab: er setzt ihn über sein Haus und all seine Güter. Zum Verhängnis wurde ihm die Frau seines Dienstherrn, die ihm vergebens nachstellte und ihn dann bei ihrem Mann falsch anschwärzte. Der Dienstherr glaubte der falschen Frau anstatt Joseph und so kam er ins Gefängnis.

Joseph nahm alles mit Demut und der Gefängnisaufseher befahl alle Gefangenen und alles was im Gefängnis geschah unter die Hand Josephs, denn der HERR war mit Joseph und was er tat, dazu gab der HERR Glück. Im Gefängnis traf er 2 Bedienstete des Pharaos, die von Träumen geplagt wurden. Joseph legte die Träume aus und was er voraussagte geschah. Auch der Pharao hatte einen Traum, er sah sieben fette und sieben magere Kühe, und niemand konnte ihn auslegen, bis sich einer der Bediensteten, der Joseph vom Gefängnis kannte, seiner erinnerte. So wurde Joseph zum Pharao gerufen und sagte sieben Jahre im Überfluss und sieben Jahre der Not voraus. Joseph sagte: Gott verkündigt, was er vorhat. Und der Pharao vertraute Joseph blind und bedingungslos.
Joseph gab auch noch einen Ratschlag: Sammle Getreide in den üppigen Jahren, dass du Speise hast in den Notjahren. Der Pharao folgt: Weil dir Gott solches alles hat kundgetan, ist keiner so verständig und weise wie du. Du sollt über mein Haus sein und deinem Wort soll all mein Volk gehorsam sein; allein um den königlichen Stuhl will ich höher sein als du. Siehe, ich habe dich über ganz Ägyptenland gesetzt. Er ließ ihn mit seinem Wagen fahren und ließ ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz Ägyptenland. Ich bin der Pharao aber ohne deinen Willen soll niemand seine Hand und Fuß regen in ganz Ägyptenland. Und nannte ihn den heimlichen Rat (1.Mose 41, 39-45).

Hier ist ein Rat, der dem späteren Wunderrat im Alten Testament sozusagen in der Tat, mitten im Leben, voran geht. Joseph hat weniger gelehrt, er hat umfassend vorgelebt, getan und bewirkt, was Jesus später gelehrt hat. Im Gegensatz zu allen anderen Personen, ist von Joseph nichts Böses berichtet. Er war das personifizierte Gut, wie später Jesus. Sein Leben wird von seinen Brüdern verkauft, aus Neid, wie später Jesus von den Pharisäern gekauft wird, aus Neid, um ihn zu töten. Der Verkaufte wird zum Herrscher. Hier wie dort wird Korn in die Scheuer gesammelt. In dem einen Fall praktisch, in dem anderen Fall durch Wort und Predigt.

Das Volk der Ägypter unterwirft sich demütig dem Diktat Josephs ohne zu murren, nicht nur der Pharao, auch das Volk vertraut ihm, dem Fremdling mit dem fremden Gott, blind und Joseph speist sie auch in den Jahren der Not. Sie geben ihm all ihr Habe, alles Geld, alles Vieh, alles Land: Also kaufte Joseph dem Pharao das ganze Ägypten, ausgenommen das Land der Priester. Ihnen war verordnet, dass sie sich nähren sollten von dem Verordneten, das er ihnen gegeben hat. Deshalb brauchten sie ihr Land nicht verkaufen. Sie veräußern ihm alles und er gibt ihnen Brot, speist sie, gibt ihnen Samen, damit sie auf dem verkauften Land säen können. Von dem Getreide sollen sie den 5ten an den Pharao geben, vier Teile dürfen sie behalten, um ihre Familien zu ernähren. Was antwortete das Volk? Du hast uns am Leben erhalten; lass uns nur Gnade finden vor dir, unserm Herrn, so wollen wir gerne Pharao leibeigen sein. So machte Joseph ein Gesetz „bis auf diesen Tag“ über „der Ägypter Feld“, dem Pharao den 5ten zu geben, bis auf das Land der Priester, das ihm nicht zu eigen war (1.Mose 47, 25-26)

Joseph respektierte die Bräuche der Ägypter, es war ihnen zum Beispiel ein Gräuel, mit den Hebräern Brot zu essen. Joseph zwang sie nicht dazu, er ließ es ihnen getrennt zu den Hebräern servieren. Sogar die Integration von Josephs Sippe gelingt. Joseph bittet, der Pharao hat Verständnis, er gibt den Fremden das fruchtbarste Land, damit sie ihr Vieh weiden können.
Als Jakob in Ägypten stirbt, salben die Ärzte dort Israel, der Name, den Gott Jakob gegeben hat. Sie beweinen ihn 70 Tage. Der Pharao erlaubt Joseph, der verspricht wieder zu kommen, die Reise nach Kanaan, wo er seinen Vater wunschgemäß in der Familienbegräbnisstätte beerdigen will. Und – wie bemerkenswert – alle Ältesten des Landes Ägypten ziehen den weiten Weg mit. Sie erweisen Jakob und seinem ganzen Haus die Referenz. Die Trauerfeier wurde in Goren-Atad gehalten, das heißt Tenne des Dornbusches. Als die Kanaaniter das sahen, nannten sie den Ort Abel-Mizrajim, das heißt Trauer der Ägypter. Wohlgemerkt die Ägypter, bei denen Jakob Aufnahme suchte in der Hungersnot, trauerten um Jakob, nicht die Kanaaniter. Sie taten es, um Josephs willen, weil Jakob sein Vater war. Wie sie Joseph ehrten, ehrten sie auch sein ganzes Haus. Joseph hielt Wort und ging wieder zurück nach Ägypten.

Was für eine (Liebes-)Geschichte zwischen Joseph und dem ägyptischen Volk. Wenn man es auf einen kurzen Nenner bringen kann: Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Vertrauen, Demut, veräußern, teilen, gegenseitiger Respekt und Verlässlichkeit. Es ist kein böses Wort oder Widerspruch, Widerstreben des Volkes Ägypten gegen die Herrschaft dieses Fremdlings in der ganzen Geschichte. Joseph fordert viel, aber die Ägypter murren nicht, sie glauben und folgen ihm, weil sie an das Heil und das Gute, das er bringt glauben. Sie glauben ihm, obwohl er ein Fremdling unter ihnen ist und Joseph respektiert sie, obwohl sie andere Götter haben. Die Ägypter folgen dem Gott Josephs, da er sie in der Person Josephs völlig überzeugt. Joseph war der Inbegiff von Glück für das ägyptische Volk, obwohl für Joseph alles gar nicht glücklich angefangen hat.

Lieber Luther, die ganze Geschichte ist irgendwie Ball paradox. Joseph wird von seinen Brüdern böswillig verkauft und die Ägypter verkaufen sich Joseph freiwillig. Seine Brüder, von Jakob sicher gottesfürchtig erzogen, wissen nicht, was Gottesfurcht ist, aber die Ägypter wissen es. Seine Familie ist ihm gegenüber arglistig, die Ägypter ihm gegenüber vertrauensvoll. Jakob und die Ägypter ist eine Geschichte, was Gott bewegen kann, wenn Gott für einen ist, egal wie schlecht die Umstände sind. Die Joseph-Geschichte ist eine Heilsgeschichte. Sie zeigt, wie Gott sein Volk sammeln möchte. Die Ägypter geben alles, was sie haben, weg, Geld, Häuser, Felder, im bloßen Vertrauen auf Joseph und Gott. Sie folgen Joseph einfach nach, was immer er von ihnen fordert, sie hinterfragen ihn nicht. Joseph ist der Retter. Die Heiden versammeln sich hinter Joseph, werden gesammelt und gerettet, die Familie, seine Brüder, müssen ihr Vergehen an Joseph schwer büßen, sie müssen sich ihm zu Füßen werfen, sich demütigen und auf seine Bedingungen eingehen, wollen sie überleben. Über dieses besondere Familienverhältnis schreibe ich dir demnächst, sobald ich Zeit finde.

Lieber Luther, diese Josephsgeschichte ist ein Schatz, den wir immer zur Hand nehmen sollten, wenn wir nicht verstehen, was Gott uns will, wenn wir lamentieren, wenn wir meinen, Geld und Gut sei das Wichtigste, wenn wir meinen, Unglück, sei Unglück. Joseph hat gezeigt, dass dies nicht so ist, sondern der Leitspruch gilt: Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein. Vielleicht gefällt mir deshalb diese Geschichte so gut, da dies ja – wie schon öfters geschrieben – mein Konfirmationsspruch ist. Mit einem Augenzwinkern,

Herzliche Grüße
Deborrah

Am Ende der Zeit

Lieber Luther,
Lasten tragen wir nicht gerne. Göttliche Lasten schon gleich gar nicht. Am Ende der Zeit sehen wir lieber Gottes Liebe, nicht Gottes Gericht. Das wollen wir am liebsten weg argumentieren. Ich habe das schon öfter zum Thema gemacht. Nichtsdestotrotz wende ich mich heute einem weiteren undankbaren Thema zu, das damit im Zusammenhang steht: Sind wir vor Gott alle gleich, egal, ob wir glauben oder nicht, egal, ob wir uns in Jesu Nachfolge versuchen oder völlig gottlos leben? Macht das am Ende einen Unterschied aus?
Jesus hat versucht, uns über das Ende der Zeit viel zu erklären. Es ist etwas, das jeden von uns angeht. Jeder Einzelne von uns muss da durch und hin. Deshalb war ihm das wichtig, damit jeder eine Chance hat zu verstehen, auf was es am Ende hinausläuft, wenn sich jemand auf ihn einlässt oder eben nicht. Im nüchternen und schnörkellosen Matthäusevangelium ist hierzu Gleichnis an Gleichnis gereiht. Die Botschaft ist eindeutig, Jesus wiederholt das gebetsmühlenhaft in verschiedenen Gleichnissen: Am Ende wird eingeteilt und zugeteilt werden (Mt 24,32 – 25).
Das Ein- und Zuteilen ist bereits ein Zugeständnis, das uns gewährt wird, entstanden aus dem Bund, den Gott mit Noah schließt. Gott hat bereits am Anfang der Zeit die Menschen wegen ihrer Gottlosigkeit verdammt. Ausnahme war der gottesfürchtige Noah und er hat mit ihm den Bund geschlossen, dass er nie wieder aus seinem Zorn heraus die gesamte Menschheit verdammen werde (1.Mose 9,15). Dem folgend, so Jesus, werde es der Menschensohn machen: Zwei sind auf dem Feld, einer wird genommen, einer wird gelassen, zwei Frauen mahlen auf einem Mühlstein, eine wird genommen, eine wird gelassen Deshalb: Wacht, denn ihr wisst nicht den Tag, an welchem der Herr kommen wird. Seid bereit. Er kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwarten würdet, es kann auch mitten in der Nacht und in der Finsternis sein (Mt 24, 40-44). Wie das zu verstehen ist, erklärt er in drei aufeinanderfolgenden Gleichnissen, die alle die gleiche Botschaft haben:
In den Gleichnissen vom treuen und untreuen Knecht, von den klugen und törichten Jungfrauen und von den tüchtigen und untüchtigen Knechten (Mt 24, 45 – 25,1-30). Der treue Knecht gibt der Dienerschaft Speise zur rechten Zeit, die klugen Jungfrauen haben auch für die Zeit der Finsternis und Dunkelheit vorgesorgt und an einen Ölvorrat gedacht, damit das Licht auch in der Dunkelheit den Weg zu Gott leuchtet, und die tüchtigen Knechte verdoppeln, was Gott ihnen, unterschiedlich nach dem jeweiligen Vermögen, gegeben hat. Es ist von Gottes Gaben die Rede, von Gottes Wort, vom Auftrag, den Gott jeweils gegeben hat, und mit dem jeweils persönlichen Umgang damit. Die Treuen, Klugen und Tüchtigen hören auf Gott, auch wenn es lange dauert, bis er sich zeigt, lange Zeiten durchzustehen sind. Seid achtsam, wachet, seid bereit, ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, um zu sehen, was ihr aus dem, was er euch gegeben hat, gemacht habt. Wahrlich ich sage euch, sagt Jesus, diese Knechte werden über die ganze Habe des Hausherrn gesetzt werden und in seine Freude eingehen.
Was passiert mit dem bösen Knecht, den törichten Jungfrauen und dem faulen Knecht? Der Heuchler wird aufgeschlossen und gereinigt werden, die törichten Jungfrauen bleiben vor der Tür und der unnütze Knecht wird in die Finsternis geworfen. Auch hier differenziert Jesus, jeder in der Gruppe wird nach dem Grad seines Unvermögens betrachtet. Weinen und Zähneklappern bei diesem Teil der Menschheit. In dieser Deutlichkeit hat Jesus das angekündigt. Das „Wahrlich, ich sage euch“ verweist auf den Ernst dieser Wahrheit.
Wahrlich, ich sage euch das, meine Wahrheit, nicht eure, nehmt es als Warnung, ihr könnt entscheiden, zu welchem Teil ihr gehören möchtet, ihr alle habt die gleichen Chancen, aus dem, was ich euch gegeben habe, etwas zu machen oder nicht. Ich betrachte differenziert, nach eurem Vermögen und Unvermögen. Von dem, der wenig vermag, erwarte ich nur, was er vermag. Wer aber sein eigenes Süppchen kocht, für den wird es kein Pardon geben. Und er warnt vor Anmaßung: Du willst gewusst haben, dass ich ein hartherziger König bin, der erntet, wo er nicht gesät hat, der sammelt, wo er nicht ausgestreut hat? Selbst wenn du selbst eingeredete Angst vor mir hattest, erwarte ich, dass das, was ich dir gegeben habe, zumindest Zins bringt. Du kannst, was du hast, weitergeben, dass andere es für dich vermehren können. Nur mein Habe nehmen und nicht vermehren, werde ich nicht akzeptieren, diesen Wechsel gehe ich nicht ein. Wenn ich dir gebe sollst auch du geben.
Denn, wer da hat, dem wird gegeben werden und er wird die Fülle haben, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Jesus sagt damit: Wer mir nachfolgt, mein Wort hört und glaubt, der mein Wort weiterträgt, der wird das ewige Leben haben, wer mir aber nicht nachfolgt, mein Wort in den Wind schlägt und denkt, das sei alles Unsinn, der wird durch das reinigende und läuternde Feuer gehen.
Denn ich bin hungrig nach euch, mich dürstet nach eurer Zuneigung, ich würde gerne in euch wohnen, ich kranke an eurer Nichtbeachtung, bin gefangen in euch und kann nicht wirken durch euch. Wenn ihr mich nicht seht, speist die Hungrigen, gebt den Durstigen zu trinken, öffnet eure Türen, deckt die Blöße des Nackten zu, pflegt die Kranken, besucht die Gefangenen. Seid nicht faul und selbstgerecht. Wahrlich ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem dieser Bedürftigen, das habt ihr mir auch nicht getan. Ihr habt genug Gelegenheiten. Mein Wort ist Seelennahrung, predigt es, aus meiner Quelle trinken die Durstigen, öffnet eure Herzenstüren, habt Mitleid und seid barmherzig in meinem Namen und meinem Geiste. Jeder nach seinem Vermögen, nur Nichtstun ist nicht in meinem Geiste. Die Untreuen, Faulen und Dummen, die nicht beachten, was ich sage, werden am Ende durch das reinigende Gericht gehen müssen. Der HERR, Jesus Christus, wird richten und wird es richten, er wird läutern und heil machen. Wenn dieses Werk vollendet ist, wird Gottes ganzes Volk gesammelt sein und in die Ewigkeit Gottes eingegangen sein. Vorher wird er nicht ruhen.
Lieber Luther, bis das der Fall ist, kann es dauern. Aber er schärft uns ein: Wachet, bleibt achtsam, auch wenn es dauert, schlaft nicht ein, auch wenn es finster um euch ist, sonst verschlaft ihr mich noch, lasst euch von der Dunkelheit nicht blenden, baut vor, damit ihr auch die Dunkelheit übersteht. Möglichkeiten, wach zu bleiben, hat Jesus genug aufgezeigt. Wenn man ernst nimmt, was Jesus uns mit auf den Weg gibt, braucht einem nicht bange sein vor dem Augenblick, wenn wir vor ihm stehen werden. Wir haben so viele Möglichkeiten, Jesus gibt uns so viele Chancen. Wer sie nicht nimmt, ist tatsächlich so dumm, wie in den Gleichnissen beschrieben, und selbst dafür verantwortlich.
Angst braucht tatsächlich niemand zu haben, er denke an den untüchtigen Knecht und die falschen Voraussetzungen, von denen dieser aus eigener falscher Einsicht ausgegangen ist, weil er dachte, er müsse über den HERRN (fehl-)urteilen. Jesus wollte uns in der Hinsicht belehren. Was er von uns fordert, ist für jeden, der will, machbar, es ist ein Minimalkatalog, der von jedem zu erreichen ist. Und wenn nicht, kann man das nicht Jesus oder Gott in die Schuhe schieben. Das verantwortet jeder im Jetzt und dann selbst. Über„Sünde“ verliert Jesus hier übrigens kein Wort. Ich denke, lieber Luther, dich brauche ich nicht aufwecken.
Herzliche Grüße
Deborrah

Charakterstudie à la Jesus

Lieber Luther,
wir gehen gern um mit einem weichgezeichneten Bild von Jesus. Wir wollen denken, er war nur sanft, nur mitleidig, nur vergebend. Der Gebende gefällt uns wohl, der Nehmende weniger. Auf diesem Auge sind wir gern blind. Jesus war durchaus kritisch mit uns, mit dem Menschengeschlecht.
Es gibt Stimmen, die sagen, Gott kann nicht zornig sein auf uns, wieso sollte er über sein Ebenbild zornig sein? Wirklich nicht? Wir können uns nun ausdenken und ausmalen, wie wir das gerne hätten. Die Bibeltexte werden eher kritisch beäugt – in den Teilen, die einem nicht gefallen zumindest. Das wird dann als „nicht nachprüfbar“ deklariert, als Geschichten von Geschichtenerzählern, Hirngespinste. Als Referenz für Gott nimmt man lieber sich selbst, bastelt sich seinen Gott, wie man ihn gerne hätte, hört nur auf das eigene (innere) Geschwätz. Oder bastelt man sich da etwa einen eigenen Götzen? Rosinenpicken.
Wie du weist, halte ich mich lieber an die Bibel, versuche zu verstehen, was da steht, was Jesus sagt, was die Botschaft ist. Das Matthäus Evangelium gibt viel Denkstoff. Das Charakterbild, das Jesus von „diesem Geschlecht“ zeichnet, ist nicht gerade schmeichelhaft, aber bis heute ein Spiegelbild für „dieses Geschlecht“ (Mt 10-12). Jesus geht es um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott und die Mittler zwischen Mensch und Gott. Wie er seinen eigenen Tod ankündigt, so kündigt er auch an, dass es ein Jüngstes Gericht geben wird, ob wir das hören wollen oder nicht. Das eine wollen wir glauben, da es sich offensichtlich bewahrheitet hat, das andere nicht? Den ersten Teil des Satzes glauben wir, den zweiten nicht?
Jesus schickt seine Jünger aus, um zu predigen, die Kranken gesund zu machen, die Toten aufzuwecken und die Teufel auszutreiben (Mt 10). Er hat ihnen Macht über die „unsauberen Geister“ gegeben, so dass sie auch etwas bewirken können. Aber, hütet euch vor den Menschen, schickt er gleich hinter her, ich schicke euch als Schafe unter die Wölfe. Geht nicht zu den Heiden oder Samaritern, sondern zu den verlorenen Schafen aus dem Haus Israel. Prüft genau, ob das Haus, in das ihr geht, es wert ist, und nur dann wird euer Friede über dieses Haus kommen. Geht aus dem Haus, der Stadt, dem Land, wenn ihr nicht gewollt werdet. Dieser Stadt, diesem Haus, diesem Land wird es am Jüngsten Gericht schlimmer ergehen als Sodom und Gomorra. Hütet euch vor den Menschen, sie werden über euch richten und euch in ihren Schulen brandmarken, „um meinetwillen“. Aber, sie werden sich mit ihrem Tun selbst entlarven. Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, flieht in die nächste. Ihr werdet auf der Flucht sein, bis der Menschen Sohn wieder kommt. Ihr werdet allein mit Israel nicht zu Ende kommen. Aber fürchtet euch nicht, nichts ist verborgen, alles wird offenbar werden.
Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat (Mt 10, 33-40).
Einer ist in allem schon vorausgegangen: Johannes, der Täufer. Jesus hält den Menschen entgegen: Wieso seid ihr zu Johannes in die Wüste gekommen? Wolltet ihr jemanden sehen, der seine Fahne in den Wind hängt? Oder seine Macht herausfordern oder Prophetie? Ja, es ist der, von dem geschrieben steht, er soll deinen Weg vor dir bereiten, von dem ihr annehmt, es sei Elia. Und, was macht ihr trotzdem oder gerade deshalb mit ihm? Ihr werft ihn ins Gefängnis. Ihr werdet ihn sogar umbringen. Ihr ehrt ihn nicht als den Gott Gesandten, der er ist. Stattdessen maßt ihr euch wie dumme Kinder an, zu entscheiden, was nur des Himmels ist, zu entscheiden. Ihr wollt über ihn zu Gericht sitzen? Das Himmelreich und Gottes Heilige sollen nach eurer Pfeife tanzen, ihr biegt was geschrieben steht so hin, wie es euch passt. Nach eurer Lesart müsste sich die Weisheit des Vaters von den Kindern rechtfertigen lassen anstatt die Dummheit der Kinder sich vor dem Vater rechtfertigt. Wer Ohren hat zu hören, der höre (Mt 11, 1-19)
Jesus war so aufgebracht, dass er anfing, über die Städte, in denen er die meisten seiner Zeichen vergebens getan hatte, in Wehe-Rufe auszubrechen, denn sie hatten sich nicht gebessert, nicht gehört, was er ihnen predigte. Weh dir Chorazin, weh dir Bethsaida, weh dir Kapernaum: Es wird euch am Jüngsten Gericht schlimmer ergehen als Tyrus, Sidon und Sodom zusammen. Es wird eines Tages eine Abrechnung geben. Alle werden dies nicht begreifen. „Ich preise dich, Vater und HERR Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart“. Denn niemand kennt den Sohn außer der Vater und niemand kennt den Vater, außer der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir (Mt 11, 25-29). Deshalb kommt her zu mir, ihr Unmündigen, ihr Beladenen, die ihr mich nicht belehren wollt, sondern die ihr euch von mir belehren lasst, ich werde euch entlasten, mit mir geht ihr leichter.
Alles ist in Jesu Hände gegeben. Und er warnt: Nehmt euch in Acht, was ihr redet. Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben, auch die Lästerung gegen den Menschensohn, aber nicht die Lästerung gegen den Heiligen Geist. Das wird nicht vergeben, weder in dieser, noch in jener Welt. Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht „von einem jeglichen unnützen Wort“, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden und aus deinen Worten wirst du verdammt werden (Mt 12, 1-37). Es sind die Worte, nicht die Taten und nicht die Werke, die am Ende entscheiden. Am Anfang war das Wort und am Ende steht das Wort auf der Waage, unseres und Gottes.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer konnten das so nicht auf sich sitzen lassen -was maßt der sich an – und so forderten sie Zeichen, dass Jesus wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Doch Jesus lässt sich nicht versuchen. Er weist das Ansinnen strikt zurück, mit Verweis auf die Zeichen des Propheten Jona. Dort steht alles schon geschrieben. Lest dort nach und glaubt es! Die Menschen von Ninive sind nach der Predigt Jonas umgekehrt und haben Buse getan, ihr tut es nicht und hier steht einer, der mehr ist als Jona. Am Jüngsten Gericht wird euch das vorgehalten werden, werdet ihr an die verpasste Chance erinnert (Mt 12, 38 ff).
Jesus erklärt auch, wieso er „diesem Geschlecht“ keine Zeichen tut: Wenn der „unsaubere Geist“ aus den Menschen ausgefahren ist, durchwandert der Mensch dürre Zeiten, sucht Ruhe und findet sie nicht. Er hat keine Durchhaltevermögen, durch diese dürren Zeiten hindurch zu gehen, geht den Weg des geringsten (inneren) Widerstands. Er verfällt wieder in die alten Laster, gibt seinem Ego nach und anderen Göttern, wird noch gottloser als er vorher schon war (Mt 12, 43-45). Deshalb werden „diesem Geschlecht“ keine sichtbaren Zeichen gegeben. Sie würden in der Konsequenz nicht verstanden, wären eher kontraproduktiv. Lest und glaubt!
Lieber Luther, man könnte es auch so zusammenfassen: Du Menschengeschlecht, sei nicht so anmaßend, nicht so halsstarrig, lerne von Jesus, was das Himmelreich ausmacht, es steht nicht zu deiner Disposition. Ihr habt keine Macht darüber, es unterliegt nicht eurem Urteil, wie sehr ihr euch das auch einredet. Und wenn ihr euch das auch weg redet, der Tag wird kommen, nenn es Jüngstes Gericht, nenn es Rechtfertigung vor Gott, an dem das gottlose Leben auf Gottes Tapet erscheint wie Menetekel an der Wand. Alle Sünde und alle Lästerung – auch gegen Jesus – ist da schon vergeben, es spielt nicht die Rolle, die Mensch ihm zuspricht. Allein die Lästerung des Heiligen Geistes ist es, was wirklich am Ende zählt. Jesus hat das so benannt.
Den heiligen Geist zu respektieren, zu ehren, nicht mit Worten und Gedanken in den Schmutz zu ziehen, ist doch eigentlich nicht so schwer, lieber Luther. Dem Jüngsten Gericht kann man leichter entgegen gehen, als gemeinhin gedacht wird.  Es bedarf nur, dass wir in diesem einen Punkt achstam sind: im Umgang, in unserer Beziehung zum Heiligen Geist. Das müsste doch – möchte man denken – leistbar sein. Deshalb sagt Jesus: Mein Joch ist leicht. Aber auch: Mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht, denn sie verstehen es nicht, oh, dies Menschengeschlecht! (Mt 13, 13).
Herzliche Grüße
Deborrah

Abendmahl

Lieber Luther,
ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, dir zu schreiben, so viel bewegt mich. Ich habe ein neues Projekt angefangen. Ich will in einem Jahr die ganze Bibel lesen, nach einem festen Leseplan. Die Bibel soll mein geistlicher Begleiter auf der Reise durch das Jahr werden. Alle anderen geistlichen Begleiter sind mir irgendwie abhanden gekommen. So nehme ich den, der treu zu mir steht.
Ich kann dir nicht beschreiben, was das für ein Erlebnis ist. Du kennst das sicher. Wenn ich mein tägliches Bibelstudium beendet habe, bin ich so angefüllt, elektrisiert, aufgewühlt, dass ich kaum in den Schlaf finde. Am Liebsten würde ich alles in mich einsaugen, an meine inneren Wände kleben, so dass ich auch nicht ein Wort vergesse. Es wird nicht ausbleiben, dass ich dir von der ein oder anderen Entdeckung schreiben werde. Natürlich heißt das auch, dass ich auf anderes verzichten muss, meine Zeit umschichten muss. Wovon ich dir heute schreiben wollte, muss nochmals zurückstehen, da mich mein Dauerthema drängt, das Abendmahl, das für mich sehr wichtig ist. Notgedrungen muss ich eine Antwort für mich finden. Ich berichte dir das, auch wenn ich dein Stirnrunzeln schon vor Augen habe.
Du weißt, dass ich des Öfteren mal im Hader bin mit Kirche und ihren Vertretern. Es ist fast ein Jahr her, dass ich die Frage in den Raum gestellt habe, ob es zur Feier des Abendmahls organisierte Kirche braucht. Seither denke ich darüber nach.
Ich habe heute eine Antwort für mich gefunden. Nein, zwingend notwendig ist organisierte Kirche nicht, auch kein Pfarrer. Abendmahl ist zuallererst eine Angelegenheit zwischen mir und Jesus, zwischen mir und dem Heiligen Geist. Es ist ein transzendentes Geschehen, unabhängig vom Ort, nicht an kirchliche Personen gebunden, die den Segen der Kirche als Institution haben. Abendmahl kann dort stattfinden, wo der Heilige Geist, Jesus, anwesend ist. Umgekehrt muss er nicht bei jedem kirchlich gefeierten Abendmahl anwesend sein, er kann sich von dort auch abwenden, weggehen von Orten, an denen er einmal war, an denen nur noch Dürre und Scheinheiligkeit herrscht, da hilft aller Ritus nichts. Er kann einen auch bei der Hand nehmen und wegführen von solchen Orten. Zurück bleiben leere Kirchen. Dann ist Brot und Wein nichts als Brot und Wein. Form kann leer sein, auch wenn noch so viele Worte gemacht werden. Leere Worte, wenn Gottes Kraft dahinter fehlt.
Abendmahl kann man auch ohne Form feiern, Jesus jederzeit zu sich einladen. Er kommt, stellt sich mit dir in den Kreis, teilt mit dir Brot und Wein, segnet dich mit den Worten, die er für diesen feierlichen Augenblick vorgesehen hat, teilt mir dir sich selbst, seinen Leib und seinen Lebenssaft.
Nimm hin und iss,
das ist mein Leib,
dass er dich stärke,
dir Kraft verleihe von innen heraus,
lebensspendende Kraft.
Nimm hin und trinke,
auf unseren neuen Bund,
mit dem Saft, der aus meinem Weinberg kommt,
dass mein Wort in dich einfließe,
lebensspendender Geist.
Langsam vergrößert sich der Abendmahlskreis. Es gesellen sich diejenigen hinzu, für die ich bete, denen meine Fürbitte gilt. Welch ein Glück, mit ihnen hier zu stehen. Welch ein Glück, dieser Augenblick, auch für sie. Unsichtbar kommen mehr und mehr Menschen dazu, ein großer Kreis von Menschen, deren Gesicht ich nicht kenne. Wir reichen uns die Hände. Friede sei mit euch, sagt Jesus.
Friede sei mit dir.
Herzliche Grüße
Deborrah

Rebekka

Lieber Luther,

lang hat es gedauert, bis ich zu meiner ganz persönlichen Jahreslosung 2014 gefunden habe. Die Jahreslosung 2013 lass ich hinter mir, sie hat mir genug Sturm gebracht und Wasser schlucken lassen. Eigentlich steht die Losung schon länger im Raum, es hat mir nur nicht gedämmert, was mir da ins Haus steht:
Haltet mich nicht auf, denn Gott hat Gnade zu meiner Reise gegeben (1.Mose 24,56)
Ich habe diesen Spruch an das Ende meines Nachrufs auf meinen Vater gesetzt. Der Predigttext dieser Trauerfeier beinhaltete – zu meiner Überraschung – meinen Konfirmationsspruch. Lebensreisen, die sich kreuzen. Grund genug, achtsam zu sein.
Der Schlusspunkt unter den Nachruf auf das Leben meines Vaters, ist eigentlich ein Ausgangspunkt, ein Anfang, der Anfang einer Reise, für ihn und für mich.
Abraham sendet Elieser, seinen ältesten Diener und Verwalter, auf die etwa 650 km lange Reise, um bei seiner Verwandtschaft um eine Frau für seinen Sohn Isaak zu werben. Der Bote weiß nicht, wer es sein soll und wie er die Frau finden soll. So bittet Elieser, der auf Gott vertraut, Gott um ein Zeichen: Diejenige, die auf seine Bitte hin, ihm am Brunnen zu trinken geben wird und auch noch unaufgefordert die Kamele tränkt, die soll es sein. Lass es geschehen und erweise deine Gnade, betet Elieser. Er trifft Rebekka am Brunnen und es geschieht, worum er gebeten hat.
Die Brüder und die Mutter zögern, wissen nicht so recht, ob das für Rebekka das Richtige ist. Rebekka zögert nicht, will einen Schlussstrich, einen neuen Anfang: Ich will gehen, gleich. Sie geht in eine ungewisse Zukunft, sie weiß nicht wirklich, auf was sie sich einlässt. Aber, tief in ihrer Seele weiß sie, dass es richtig ist, was sie tut. Deshalb duldet sie auch keinen Aufschub: Haltet mich nicht auf. Sie weiß, was sie weiß und was sie will. (1.Mose 24)
Rebekka, die Energische, Rebekka, die Zupackende, Rebekka, die Kraftvolle. Sie weiß nicht, dass sie einem entgegen geht, der schon gebrochen ist. Dass sie das Korsett, das Rückgrat, die Energie ist, die er braucht, um weiter zu gehen. Sie weiß noch nicht, dass sie 20 Jahre warten muss, bis sie Kinder bekommt. Sie weiß noch nicht, dass ihr Mann früh erblindet, noch nichts von ihrem Betrug an ihrem Ehemann, noch nichts von ihren Enkeln, die ein Massaker anrichten, weil sie denken, ihre Schwester sei vergewaltigt worden. Vielleicht hätte sie, wenn sie gewusst hätte, was denn so alles noch kommt, doch gezögert. Deshalb ist es gut, wenn wir nicht wissen, was kommt. Es lässt uns weiter gehen, wenn wir es für richtig in uns fühlen, unbelastet der Last und des Leids, das da kommen mag.
Rebekka geht nicht alleine. Mit ihr ging Debora, ihre Amme. Die Frau, die sie gesäugt hatte, die sie mit der Muttermilch aufgesogen hatte, der Mutterersatz. Debora war immer für sie da, Debora gab Rat, Debora verhütete, was zu verhüten war. Sie verhütete nicht, dass Rebekka Jakob dazu anleitete, sich vor seinem Vater Isaak als Erstgeborenen auszugeben, wo es doch sein Zwillingsbruder Esau war. Das ist der Fingerzeig, den Gott gibt. Nicht was irdisches Recht ist, zählt, sondern was Gottes Wille ist. Esau und Jakob wuchsen beide im Mutterleib, parallel, gleichberechtigt. Die Gesetze der Gesellschaft haben sie zu Ungleichberechtigten gemacht. Gott hat eingegriffen und ein Zeichen gesetzt: Eure Gesetze sind null und nichtig, allein meine Gesetze zählen. Nach meinem Gesetz ist Jakob der Erstgeborene. Aber, ich will die List und Tücke nicht dulden, die ihm dieses irdische Recht verschafft hat, so muss er Buse tun, viele Jahrzehnte, um sein Unrecht an seinem Vater zu tilgen. Rebekka sieht ihren Lieblingssohn nach dessen Flucht nie wieder.
Das alles änderte nichts daran, dass Gott Jakob eine besondere Erwählung gab. Das Unrecht, das Rebekka getan hat, an ihrem Mann und an ihren Söhnen, nach geltendem Recht, in ihrer Gesellschaft, ändert nichts daran, dass sie trotzdem mit Gottes Segen in Gottes Willen handelte. Gott hat Gnade zu der Reise gegeben. Was scheinbar Unrecht ist, kann vor Gott Recht sein. Rebekka wandelte in all dem Zwiespalt zwischen Recht und Unrecht dennoch sicher. Debora war ihr Korrektiv. Debora nahm sie in den Arm und weinte mit ihr, wenn es kein Weiter zu geben schien, Debora tröste, Debora fand die Worte, die Rebekka weiter gehen ließen. Debora war die Frau im Hintergrund, die nur zwei Mal erwähnt ist. Am Ausgangspunkt, wenn sich Rebekka auf die Reise einlässt, und am Endpunkt, wenn Debora begraben wird an an der Träneneiche, an der Klageeiche. Immer im Hintergrund, kaum einer Erwähnung wert, aber dennoch immer im Vordergrund. Sie starb in Bethel, dem Ort, an den Gott Jakob geschickt hatte, um einen Altar für ihn zu errichten. Mit Debora verschwindet auch Rebekka aus dem Gesichtsfeld. Am Ende hatte sie alles verloren, was ihr lieb und teuer war. Und doch: Gott hat Gnade zu der Reise gegeben.
Lieber Luther, haltet mich nicht auf, Gott hat Gnade zu dieser Reise gegeben. Für mich ist es meine persönliche Jahreslosung 2014. Wohin ich aufbreche in dieses neue Jahr, weiß ich nicht. Halten wir es mit Elieser und bitten um Gnade für diese Reise.
Herzliche Grüße
Deborrah

Weckruf

Lieber Luther,

manchmal trifft einen etwas tief. Das ist mir mit der Tageslosung vom letzten Samstag passiert:

Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
Jesaja 53,3

Ich bin immer noch über sie erschüttert. Das Entsetzen über uns selbst, unsere Mitleidlosigkeit, das Mitleid mit dem Gepeinigten hat mich erfasst. Wie konnten wir nur, wie können wir nur, wieso immer wieder? Weiterlesen „Weckruf“

Noah – ewiger Bund

Lieber Luther,
mit manchen Themen kann man sich lange beschäftigen. Wenn es um herausragende Gestalten der Bibel geht sowieso.
Noah ist so eine Gestalt. Ist es die Sintflut, die Arche oder Noah oder das ganze Paket? Oder die Geschichte danach, nach dem großen Regen und dem Sturm? Der menschliche Sturm danach? Seine Entblößung (1.Mose 9, 18ff)? Die Auf und Abs des Lebens. Noah, der uns sagt, auch der Gerechteste strauchelt, Mensch kommt vom Sturm in den Regen, vielleicht in die Sintflut, wird hinweggeschwemmt, wartet auf besseres Wetter, findet sich wieder auf festem Boden, wird Weingärtner im Acker Gottes, um dann wieder über sich selbst zu stolpern.
Gott rettet Noah, ganz so wie später Lot. Beide stolpern dann über sich selbst und ihre Nachkommen. Beide Geschichten erzählen die gleiche (Menschheits-)Geschichte: Seht, auch die Gerechtesten, auch diejenigen, die Gott leitet und geleitet, rettet, versinken trotzdem noch im menschlichen Sumpf. Und, das ist die tröstliche Botschaft, einen nur Gerechten gibt es in Gottes Schöpfung nicht – Gott selbst, als Mensch in Jesus mal abgesehen. Das Leben ist für alle gleichermaßen wechselhaft wie das Wetter. Gott weiß das, kennt das Wesen des Menschen. Deshalb hat er mit Noah für die Menschheit einen Bund geschmiedet, hat Noah geschworen, dass er den Menschen nicht noch einmal vernichten will, wie bei der Sintflut. Gott will mit den Menschen sein, auch wenn sie fehlen (1. Mose 9). Seid fruchtbar und mehret euch. Die Noahgeschichte ist insofern eine 3. Schöpfungsgeschichte.
Gott schließt einen ewigen Bund mit seiner Schöpfung. Er anerkennt den Menschen damit auch als frei handelnde Wesen, die auch getrennt von ihm sein können, eigene Wege gehen – auch, wenn es nicht seine Wege sind, die sie gehen, seine Gebote nicht achten. Gott ist sozusagen entidealisiert, er ist auf dem Boden der Menschheit angekommen, hat seinen göttlichen Anspruch an seine Schöpfung zurückgeschraubt auf ein menschliches Maß. Insofern ist es auch eine Weihnachtsgeschichte: Gott hat uns bereits mit diesem Bund, den er mit Noah stellvertretend geschlossen hat, ewige Verzeihung, ewige Treue versprochen:
… und soll hinfort keine Sintflut mehr kommen, die die Erde verderbe. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich gemacht habe zwischen mir und euch und allen lebendigen Seelen bei euch hinfort ewiglich. (1.Mose 9, 11-12).
Gott schließt diesen ewigen Bund nicht individualisiert, sondern mit der Menschheit als Ganzes. Deshalb hat er den Regenbogen an den Himmel gesetzt: dass er selbst ihn sehe und er sich an diesen Bund erinnere, damit sein Zorn über die Verfehlungen und die Gottlosigkeit der Menschen ihn nicht dazu verführe, noch einmal ein vernichtendes Urteil über die Menschen zu sprechen. Gott bleibt beim wetterwendischen Menschen, vernichtet hinfort nicht die Menschheit als Ganzes, sondern schaut genau hin, schaut auf den Einzelnen, spricht aus dem Wetter mit ihm, wendet sich jedem Einzelnen zu.
Die Noah- und die Lotgeschichte sagen, wenn ihr auf meine Stimme hört, werdet ihr gerettet, bringe ich euch aus dem Verderben aufs trockene Land, ermögliche ich euch, dass ihr euch rettet. Der Mensch ist dem Leben wie Wind und Wetter ausgesetzt, der Familie, dem sozialen Umfeld, den politisch und wirtschaftlich Mächtigen, den Naturgewalten. Er ist deshalb immer in Gefahr, dass die Atmosphäre zwischen den Menschen sich so auflädt, dass sie sich in einem Blitz, der auch vernichten kann, entlädt. Es ist aber immer eine begrenzte Vernichtung, eine Angelegenheit zwischen den Menschen. Mensch kann etwas tun, um es nicht soweit kommen zu lassen. In dieser Gefahr und in der Möglichkeit der Gefahrenabwehr sind sich alle Menschen gleich. Das ist Teil dieses Bundes, den Gott hier mit den Menschen schließt, ist Teil von Gottes Gerechtigkeit. Gott nimmt sich zurück, will sich nicht mehr seinem Zorn hingeben, sagt: Ich vernichte euch nicht mehr, ihr könnt euch nur noch selbst vernichten, wie ihr euch auch nur selbst retten könnt. Gott lässt dem Menschen den Vortritt, nimmt dem Menschen gegenüber eine demütige Haltung an. In Jesus wird das sichtbar und in ihm fordert er uns zur Nachfolge auf.
Welcher Gestalt dieser Bund ist, erschließt sich im unmittelbar Folgenden. Anstatt in Dankbarkeit über ihre Rettung in Frieden zu leben, verflucht Noah seinen jüngsten Sohn Ham (1.Mose 9, 18ff). Noah ist Gott nachgefolgt, hat wider alle Vernunft die Arche gebaut, Familie und Tier dort versammelt, den Frieden in der Arche bewahrt, so dass die dort Versammelten in der Enge und Eingeschlossenheit miteinander auskommen und ausharren konnten. Er war danach fleißig, hat einen Weinberg gepflanzt, ist Gottes Weingärtner geworden. Dann hat er sich aber berauscht, der klare Verstand ist ihm abhanden gekommen, seine Rechtschaffenheit. Er hat sich in einer Weise entblößt, dass es auch für sein Umfeld gewahr wurde. Damit nicht genug, er hat sich dann auch noch ungerecht gegenüber seinem jüngsten Sohn Ham verhalten, als dieser den Brüdern von der Verfehlung des Vaters erzählte. Noah führt uns vor Augen, dass ein vor Gott Gerechter in menschlichen Dingen fehlen und ungerecht sein kann und trotzdem Gott bei ihm bleibt, sofern er bei Gott bleibt.
Man kann die Dinge auch von einem anderen Blickwinkel betrachten. Ham hätte auch über die Verfehlung des Vaters hinwegschweigen können. Du sollst Vater und Mutter ehren. Gottes Gebot. Insofern könnte man Hams Mitteilungsbedürfnis auch als mangelnden Respekt vor dem Vater, dem Familienoberhaupt, ansehen. Heißt das, man soll als Kind über alles hinweg sehen und verschweigen, alles decken, egal was? Und wenn nicht, der jüngste Sohn Noahs sei euch ein warnendes Beispiel?
Nein, das heißt es sicher nicht. Es heißt, es ist genug, wenn sich einer selbst bloß stellt. Es ist verwerflich, einen derart Entblößten und Gedemütigten noch weiter bloß zu stellen. Er hat sich mit seiner Maßlosigkeit schon selbst herabgewürdigt, würdige ihn nicht noch weiter herab. Jeder Würdelose hat noch eine Würde, die es zu schützen gilt. Decke seine Blöße zu und verhelfe ihm wieder zur Würde. Respektiere seine Würde, ansonsten verlierst auch du deine Würde.
Lieber Luther, Gott schenkt uns durch Noah einen Bund, einen ewigen Bund, einen Bund, der unabhängig von menschlicher Fehlbarkeit ist. Eine Zusage auf Ewigkeit, die uns entlastet, auch wenn wir fehlen. Aber er sagt auch, entwürdige nicht, würdige deinen Nächsten, achte ihn, wenn du ihn nicht achtest, achte ich dich auch nicht.
Immer wieder sagt uns das Gott und, lieber Luther, immer wieder fehlen wir darin. Das ist der Anfang von menschlichen Ungewittern, die auch zerstörerische Ausmaße annehmen können. Das ist der Kern von Gottes Wort. Um es in die Welt zu bringen, um diesen Bund, den er mit Noah geschlossen hat, mit uns zu erneuern, darum ist er in Jesus selbst auf die Welt gekommen. Um ihm und dieser Botschaft Gehör zu verschaffen, feiern wir Weihnachten. Jedes Jahr aufs Neue. Wenn nur einer dies versteht, haben sich die vollen leeren Weihnachtsgottesdienste gelohnt. Deshalb sei unverzagt.
Herzliche Grüße
Deborrah

Thema verfehlt

Lieber Luther,
eine scheinbar einfache Frage: „Bin ich ein Sünder?„, von einem 10jährigen Kind gestellt. Wie sollen wir diese Frage beantworten? Wir könnten eine Standardantwort geben: Mach dir keine Sorgen, Gott liebt alle. Er ist dein guter Onkel oder weiser Opa. Oder, kumpelhaft: Ach, wir sind ja alle Sünder. Gott verzeiht uns unsere Fehler. Nur, werden wir dem Kind damit gerecht, legen wir da die richtige Saat oder säen wir mit solch einer Antwort nicht Spreu? 
Eine Kinderfrage ernsthaft zu beantworten, benötigt eine noch ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Thema der Frage als eine Erwachsenenfrage. Eine Kinderseele ist noch offener und verletzbarer als eine Erwachsenenseele, ist – in der Regel – noch nicht so verletzt und vernarbt wie eine Erwachsenenseele. Gott scheint noch mehr aus ihr hervor. Das ist gemeint, wenn Jesus sagt: Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, dass ihr umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen (Matth 18.3). Jesus meint hier die unschuldige Kinderseele, in der Gott unverstellt wohnt.
 Kinder wie Kinderschüler oder Analphabeten in Glaubensdingen zu behandeln – beruhigend irreführend – alles ist gut – heißt sie nicht ernst nehmen. Kinder kann man jenseits von Albernheit – man könnte auch sagen Verdummung – erreichen, viel mehr als Erwachsene. Das fängt schon bei der Sprache an. Genau so wenig hilfreich, wie – wissenschaftlich anerkannt – eine allgemeine Ansprache eines Kindes in sogenannter „Kindersprache“ ist, so wenig hilfreich ist es, in einer solchen Kindersprache mit den Kindern über Gott zu reden. Das nimmt sich in ihre Kontraproduktivität nichts. 
Im Kind sehen wir Gott viel deutlicher als beim Erwachsenen. Wir richten in einer solchen Gott verniedlichenden Ansprache bei Kindern viel Schaden an. Gott ist keine Seifenblase, die zerplatzen kann. Wie soll ein Kind als Erwachsener Gott ernst nehmen, wenn wir ihn zu einer Figur in einem Kasperltheater machen? Wir unterschätzen unsere Kinder und respektieren damit Gott nicht, der in ihnen aufscheint.
Das Fundament für die Gottesferne der Erwachsenen legen wir bei den Kindern. Die Kinder spüren das, wenn in unseren Erklärungen nichts in ihrer Seele aufklingt, unsere Erklärungen Kindergartenniveau haben, man Gott verwechseln könnte mit Albus Dumbledore. Das ist fauler Zauber, den die Kinder instinktiv entlarven, indem sie das, was wir erklären, wie einen Harry Potter Film an sich verbeiziehen lassen. Nach dem Abspann kommt das nächste Thema, das sich um die Aufmerksamkeit des Kindes bewirbt.
Gott zeigt sich in der Seele eines Menschen. Wenn er sich dort zeigt, völlig unabhängig von Kirche, dann ist ein Fundament gelegt für sein Wirken. Dass Gott, sein Aufscheinen in der Seele, unabhängig von Kirche ist, ist beruhigend. Kirche leistet da dem Glauben und unseren Kindern oft keinen guten Dienst. Wer denkt, wenn man einem Jugendlichen sagt, Jesu Haarlänge sei irrelevant, sei unfreundlich, geht jeglicher ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Jugendlichen aus dem Weg und trägt zu seiner Blindheit im Glauben bei.
Wenn Kinder zu Jugendlichen werden, muss man den Glauben, Gott in ihnen, anders sehen und ansprechen. Jugendliche sind dabei, der kindlichen Unschuld ihrer Seele zu entwachsen. Ihr Seengrund sackt in ihrer Erinnerung, versackt unter weltlich-menschlichen Dingen, die als wichtiger erachtet werden. Gott, das innere Wissen von Gott, wird dabei verschüttet, aber es ist noch da. Die Jugendlichen verlieren Gott aus dem Blickfeld, Kirche in den überwiegenden Fällen sowieso.
Kaum hat ein Konfirmand die Konfirmation hinter sich, wird er nicht mehr in der Kirche gesichtet. Anschauungsunterricht geben mir meine Söhne. Kirche ist ihnen fern, Glauben auch, könnte man auf den ersten Blick meinen, könnte man auch meinen, wenn man ihnen zuhört. Aber gerade der Blick auf sie zeigt mir, dass es nicht so ist, ganz und gar nicht. Gott scheint in ihnen auf, jeden Tag, er äußert sich in ihrer Seele. Im Umgang miteinander. Im Respekt, den sie anderen gegenüber entgegenbringen. Im Respekt vor der Unversehrtheit des anderen. In ihrer Betroffenheit, wenn sie Fehler gemacht haben. Im Wertesystem, das sie – unreflektiert, undefinierbar und unerklärbar – in sich tragen und das die Basis ihres Handelns bildet, in dem, was sie zu verantwortlichen Menschen macht, Menschen, die mit die Verantwortung für die Zukunft der Schöpfung tragen.
Lieber Luther, ich denke, das ist das Entscheidende: Menschen, die Verantwortung – in Gottes gutem Sinne – für seine Schöpfung, Mensch, Tier, seine ganze Natur, übernehmen, auf dem Platz, wo sie hingestellt sind. Unerheblich dabei ist, ob sie Gott und Glauben im Munde führen oder nicht. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass da, wo Menschen dies tun, Gott in ihrer Seele wohnt, ihre Seele von innen nährt und wärmt, völlig unabhängig von allen Alltagswidrigkeiten.
Braucht es dann Glaube, Kirche, Bibel, Jesu Nachfolge, einen Gott, über den man redet, oder wirkt er überall und bei jedem stillschweigend? Ja, das braucht es, es braucht Menschen, die von Gott reden, von ihm erzählen. Das passiert in der Bibel, das versucht Kirche, das tun Menschen, die glauben und etwas über Glauben und Gott zu sagen haben. Das Wissen, das Bewusstsein Gottes ginge verloren, wenn niemand mehr von ihm reden würde. Das lässt Gott nicht zu. Deshalb wird es immer Menschen geben, die von ihm erzählen und den Glauben und sein Wort weitertragen. Das zeigen die Jahrtausende des Glaubens an den EINEN Gott.
Das heißt aber nicht, lieber Luther, dass Gott bei den Menschen, die ihn vergessen haben, deren Erinnerung an das Göttliche in ihnen eingeschlafen ist, Gott nicht in ihrer Seele haben. Er ist dort. Ob das „Gut“ Gottes in ihrer Seele eine Chance hat, nicht unter dem Alltagsmüll zu versinken, auch dafür hat er den Menschen, uns, die Verantwortung gegeben. Diese gottblinden Menschen werden in der Bibel „Heiden“ genannt. Gott wird nicht ruhen, bis er alle gesammelt und zu Sehenden gemacht hat. Solange wird es Menschen geben, in deren Seele er aufscheint, die ihn in Wort und Tat in unserer jeweiligen Wirklichkeit vergegenwärtigen, uns an ihn erinnern.
Bei uns, lieber Luther, liegt die Verantwortung, ob wir bei unseren Kindern und Jugendlichen Weizen oder Spreu säen, mit Kirche oder ohne. Denn, was wir säen werden wir ernten.
Thema verfehlt, könnte man sagen. Aber vielleicht auch nicht. Das wird sich zeigen. Ich schreibe dir über mein eigentliches Thema – bin ich ein Sünder – später, die Frage ist ja noch nicht beantwortet.
Herzliche Grüße
Deborrah.

Feigenbaum und Feigenblatt

Lieber Luther,
gute Nachrichten hören wir gern, schlechte weniger. Wenn man uns gibt, nehmen wir gern, doch Verpflichtungen eingehen, davor scheuen wir zurück. Verpflichtung heißt, man betrachtet fortan etwas als seine Pflicht, heißt, setzt sich für etwas ein, steht für etwas, steht jemandem bei, auch wenn man sich selbst zurückstellen muss. Verpflichtung ernst genommen, ist ein Versprechen, sich in die Pflicht nehmen zu lassen für etwas.
Von Gott nehmen wir gern, lassen uns aber weniger gern von ihm in die Verpflichtung nehmen. Wir sehen das gern als Einbahnstraße, als einseitigen Bund. Gott ist in der Pflicht uns zu lieben, uns zur Hilfe zu eilen, uns zu heilen. Dieser Gott wird überwiegend von den Kanzeln gepredigt. Gott als der (einseitig) Liebende, der den Menschen liebt, was immer er tut. Alles andere ist unpopulär. Wer will sich schon in die Pflicht für Gott nehmen lassen? Wollen wir die eh schon kleine Zahl der Kirchgänger auch noch verschrecken mit lästigen Verpflichtungen?
Warnungen, gegen den Mainstream gerichtet, werden seit jeher nicht gern gehört. Gott und auch Jesus haben uns viele Warnungen geschickt. Jeremia hat sich damit abgequält, Gottes Warnungen zu überbringen, war Gottesknecht und hat unter dieser Last schwer geächzt. Trotzdem hat er nicht geschwiegen. Die Zugvögel, die keinen festen Ort kennen, finden an ihren Ort zurück und wissen, wann es Zeit ist, heimzukehren. Wenn selbst Vögel das wissen, die kein Gehirn zum Nachdenken haben – oder gerade deswegen -, warum kann und tut der Mensch das nicht? Und keiner bereut. Sie wenden sie weiter ab, laufen weg vor mir, wie ein Wildpferd, das sich von mir bedroht fühlt. Man hört aus diesen Worten, wie Gott über seine Schöpfung stöhnt und Jeremia, als Überbringer der schlechten Botschaft, mit ihm (Jer 8, 4-7).
In Jeremias Tempelrede ist klar benannt, was Gott von uns fordert: Denn nur, wenn ihr eure Wege und eure Taten wirklich gut macht, wenn ihr wirklich Recht übt untereinander, gerecht seid zu euch selbst und zueinander, niemanden unterdrückt, kein Leben vernichtet, keine anderen Götter nachlauft, nur dann will ich bei euch wohnen (Jer 7, 5-7). Das sind Pflichten, die Gott von uns einfordert. Gott sagt zu Jeremia: Stell dich in das Tor des Hauses des Herrn und sage das ganz laut, auch zu den Wortverdrehern, die dort berufsmäßig das Wort auslegen. Priester und Propheten gehen mit Lügen um, predigen meinen Frieden und es ist doch nicht Friede (Jer 8, 10-11). Ich bin mit euch nicht im Frieden und ihr nicht mit mir. Lasst euch nicht einlullen von falschen Versprechungen. Keine Trauben sind am Weinstock und keine Feigen am Feigenbaum, das Blatt ist verwelkt: Frucht- und leblos werdet ihr vergehen, wenn ihr so weitermacht (Jer 8, 13).
Szenenwechsel. Etwa 600 Jahre später. Markus 13. Wieder geht es um Gottes Tempel. Wieder die gleiche Mahnung, wie eine Dublette: Passt auf, seid wachsam, lasst euch nicht von falschen Propheten verführen, die unter meinem Namen getarnt euch falsche Götter unterjubeln. Wenn ihr von Kriegen hört, so geschieht das, weil die Menschen nicht auf mich hören wollen, aber es ist nicht das Ende. Es wird sich Nation gegen Nation erheben, es wird Erdbeben geben, Hungersnöte, sie werden sich gegenseitig umbringen, sich gegenseitig bedrücken. Leben wie es ist, seit es Menschen gibt.
Deshalb ist es wichtig, dass ihnen das Evangelium gepredigt wird. Wieso? Wer das liest, höre: Damit die Menschen wissen, dass sie umkehren können, sie die Möglichkeit haben, sich auf meinen heiligen Berg zu retten, solange noch Zeit ist. Es ist ein Ort ohne irdische Güter, deshalb braucht man dort nichts Materielles. Betet, dass es nicht Winter ist in euch, eure Seele nicht kalt und ohne Nahrung ist, wenn ihr dies lest.
Jedoch, alle Menschen sind mit menschlichen Irrtümern belastete Menschen. Deshalb wird, wenn ihr die äußeren und inneren Gräuel und Verwüstungen, die ihr angerichtet habt, ungeschönt sehen werdet, eure Bedrängnis größer sein, als im Augenblick der Untat. Deshalb hat Gott die Zeit, wenn es gilt, dies einzusehen, verkürzt. Sonst würde er keinen Menschen mehr zu sich zurück bringen können, solange würde diese Selbstschau dauern. Alle werden dann Auserwählte sein, alle werden dann heimgeführt sein, und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit. Deshalb lernt vom Feigenbaum: Wenn sein Zweig schon weich geworden ist und Blätter hervortreibt, ist der Winter vorbei, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. Der Feigenbaum ist bereit, Frucht zu treiben.
Der Bogen zu Jeremia ist geschlagen. Jesus erklärt in Markus 3 etwas komprimierter was 600 Jahre zuvor Gott Jeremia aufgetragen hat zu sagen (Jes 7-8) und alles ist bei beiden zusammengefasst im Bild des Feigenbaumes. Der Feigenbaum steht für den Anfang des Menschen uns das Ende. Der Feigenbaum ist die erste Pflanze, die namentlich in der Bibel erwähnt wird. Adam und Eva machten sich einen Schurz aus Feigenblättern, um ihre Blöße zu decken (1. Mose 3, 7). So meint es auch Jesus in seiner Rede: Wenn ihr euch dereinst mit euren eigenen Schandtaten auseinandersetzen müsst, kann kein Feigenblatt mehr eure Blöße decken. Eure eigene Wahrheit zu sehen, vom Baum dieser Erkenntnis zu essen, wird euch schlimmer ankommen, als alle Untaten, die ihr im Laufe des Lebens verübt habt.
Die Botschaft ist in beiden Texten gleich: Gottes Volk hört nicht auf seine Stimme, hält nicht, was er ihnen aufgetragen hat, verpflichtet sich nicht ihm gegenüber auf sein Recht, sondern tut beständig Unrecht, hört auf die falschen Propheten und Götter und folgt keiner Mahnung zur Umkehr. Deshalb bleibt der Feigenbaum bei Jeremia und bei Jesus ohne Frucht, die Blätter sind verwelkt (Matth 21, 18-22). Kein Feigenblatt vermag dies vor Gott zu verbergen, jetzt nicht und nicht, wenn wir sterben. Aber, Jesus gibt Hoffnung. Der Feigenbaum bleibt nicht unfruchtbar. Wenn die Zweige weich geworden sind, Hartherzigkeit und Hartleibigkeit aufgeweicht sind, dann erwacht der Feigenbaum wieder zum Leben, treibt Blätter, danngrünt der Feigenbaum wieder und trägt Frucht.
Lieber Luther, die Bibel steckt voller Überraschungen. Mit dieser Wendung habe ich zu Anfang nicht gerechnet. Jeremia und Jesus erzählen die gleiche Geschichte, verwenden die gleichen Bilder, haben die gleiche Botschaft. Beide Texte sind Predigttext für diesen und nächsten Sonntag, einmal in der alttestamentlichen und einmal in der neutestamentlichen Version. Doppelt hält besser, bleibt wenigstens zu hoffen. Ihr bringt keine Frucht, sagt Jeremia und sagt Jesus, ihr lebt und handelt nach euren eigenen Maßstäben, nicht nach meinen. Bezeichnend auch, dass beide Predigttexte die Textstellen, in denen es um die Verpflichtung der Menschen auf Gottes Recht geht, umschiffen, die Konsequenzen verschweigen. Die ganze Sündentheologie ist zwar obsolet, aber das heißt nicht, dass wir Narrenfreiheit haben in dem, was wir tun. Wir sind dafür verantwortlich, jeder persönlich. Eines Tages wird uns der Spiegel vorgehalten und wir müssen für uns selbst einstehen. Gott nimmt uns in die Pflicht und an dieser Stelle werden wir nicht ausweichen können, wie noch im diesseitigen Leben. Ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht. Wie sagte doch Jesus? Wer dies liest, merke auf (Mark 13, 14), ihr habt es in eigenen Händen. Wieder eine (ungehörte) Warnung.
Nicht nur Jeremia kündigt an, dass vor Gott eines Tages eine Abrechnung kommt, ein Abwiegen und Abwägen. Auch Jesus sagt nicht, Mensch, ihr könnt tun und lassen was ihr wollt, könnt Unrecht tun, unterdrücken, morden, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen hat, Gott liebt euch, was immer ihr tut, ob ihr seine Gebote beachtet oder nicht. Jesus sagt, wie Jeremia, sehr drastisch, folgenlos wird euer Tun nicht bleiben, ihr werdet kein Feigenblatt haben, um das zu verdecken. Aber auch das wird vorüber gehen, die Zeit, die ihr das aushalten müsst, ist verkürzt. Dann wird aus dem Holz des Feigenbaums Leben wachsen.
So hören wir zu, lieber Luther, stehen zu unserer Verpflichtung, sind achtsam und wachsam, auch wenn uns hin und wieder vor Müdigkeit die Augen zuzufallen drohen. Jeremia hat auch nicht aufgegeben.
Herzliche Grüße
Deborrah

Der ungerechte Richter oder: Gebt nicht auf!

Lieber Luther,

der heutige Predigttext (Lk18, 1-8) ist mir vor drei Wochen schon einmal begegnet und zwar in einer Form, die ich sicher mein ganzes Leben nicht mehr vergessen werde. An einem Ort, an dem sein ganzer Sinn plötzlich im Raum stand. Gott hat sich quasi neben die Menschen, die es angegangen ist, auf die Kirchenbank gesetzt und hat gewirkt. Alle Beteiligten haben seine Anwesenheit verspürt. Weiterlesen „Der ungerechte Richter oder: Gebt nicht auf!“

Falsche Schwüre

Lieber Luther,
wenn wir denken, etwas besonders ehrlich zu meinen, schwören wir. Bei der Vereidigung von Politikern, Richtern, Soldaten, wird geschworen, auf die Verfassung, auf die Bibel. Auch ewige Liebe wird geschworen, Treue. Wenn geschworen wird, beteuert derjenige der schwört, ich halte mich an das Gesetz, an die Verfassung, an den Bund.
Damit ist schon offensichtlich, Mensch sollte nicht schwören, den es ist schon vorprogrammiert, dass er nicht halten wird, was er gerade noch im Munde führt. Es geht, lieber Luther, um den Predigttext an diesem Sonntag: Matthäus 5, 33-37:
Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl, noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel, noch bei Jerusalem, denn sie ist des großen Königs Stadt. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Jesus weist uns hier in unsere Schranken und will uns gleichzeitig vor uns selbst bewahren: Ihr sollt nicht falsch schwören bei meinem Namen und entheiligen den Namen deines Gottes; denn ich bin der Herr (3.Mose 19, 12), denn du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht (2.Mose 20, 7; 5 Mose 5, 11). Das steht im 2. Gebot.
Das heißt, du sollst nicht ein Versprechen abgeben, das du nicht hältst, das heißt, Gott nicht im Munde führen und gleichzeitig Lug, Trug, Betrug, Falschheit, Nichtigkeiten leben, in die Welt tragen. Denn was in der Welt ist, das IST und lässt sich nicht mehr rückgängig machen, es ist und bleibt mit dir und deinem Namen verbunden. Du sollst nicht Hinterhältigkeit, Bosheit, Lüge im Munde führen, denn so trägst du keine Frucht, so bist du Spreu, die der Wind hinwegfegt, so kommst du nicht in Gottes Tenne.
Erhebe, Mensch, nicht die Hand zum Schwur. Du kannst nicht halten, was du schwörst. Schwören heißt, einen Eid leisten, sich verpflichten vor Gott, sich bekennen zu Gott und der Wahrheit. Wer schwört und nicht einhält, den trifft Gottes Strafe. Gott mag es nicht dulden, dass man seinen Namen benutzt, um Lügen zu begründen, Meineide zu rechtfertigen, Falschheiten zu beschönigen.
Der Einzige, der Schwüre hält, ist Gott. Gott schwört und hält Treue zu den Menschen. Als Mose ihn an seinen Schwur erinnert, den er vor sich selbst abgelegt hat, Abraham und seinen Nachkommen das Land, das er ihnen verheißen hat, zu geben, tut Gott etwas, was er höchst selten tut: Er revidiert sein Urteil, das er schon gegen sein Volk gesprochen hatte (2.Mose 13-14). Gott ist treu und hält sein Wort. Es zeigt aber auch, wie ernst es Gott selbst mit der Worttreue nimmt, er sagt uns: Mein Wort ist mein Eid, mein Schwur, zu euch. Was ich sage, das werde ich halten. In dieser unumstößlichen Gewissheit und Wahrheit kann dies nur Gott versprechen.
Gott schwört bei sich selbst: Ich schwöre bei mir selbst, und ein Wort der Gerechtigkeit geht aus meinem Munde, dabei soll es bleiben: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören (Jes 45, 23). Der einzige, der diesen Eid einfordern kann, ist Gott. Das einzige, was zu sagen bleibt auf diesen eingeforderten Eid, ist ein doppeltes Ja: ein Ja zum Vater und ein Ja zum Sohn, zur ihrer Wahrheit und Treue, zu unserer Umkehr und Reue, und ein doppeltes Nein: ein Nein zur Lüge und zu allem Bösen.
Führe den Himmel nicht im Munde, berufe dich nicht auf Gottes Schöpfung, noch auf Gottes Stadt Mensch, denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Du überschätzt dich, wenn du auf etwas schwörst, das deinen Möglichkeiten entzogen ist. Das kommt allein Gott zu. Es wiegt doppelt schwer, wenn du dich auf Gottes Gesetz berufst und es dann nicht hältst (Sir 23, 11).
Lieber Luther, es heißt, Gottes Namen vergeblich führen, wenn man Gott den Herrn nennt, dabei falsch ist, obwohl das Herz es anders weiß, wie du selbst im Großen Katechismus schreibst. „Denn lügen und trügen ist an sich selbst große Sünde, wird aber viel schwerer, wenn man sie noch rechtfertigen will und sie zu bestätigen Gottes Namen anzieht und zum Schanddeckel macht, also, dass aus einer eine zweifältige, ja vielfältige Lüge wird“.
Ja, Jesus wollte uns mit seiner Warnung vor uns selbst bewahren. Begnügt euch mit einem Ja oder Nein, ohne euch noch auf Gott zu berufen. Steht zu eurem Ja oder Nein. Doch selbst ein offenes Ja oder Nein, ein offenes Stehen, zu dem, was unser Herz sagt, fällt Mensch oft schwer. Und so betrügt er, sich und andere.
Tröstlich ist, lieber Luther, dass Gott in alle Herzen sieht, alle Wahrheit kennt und vor ihm jeder Betrug aufgedeckt wird, auch der Selbstbetrug. Auch wir sind davon nicht frei.
Herzliche Grüße
Deborrah

Lutherdekade – Gedanken zum Reformationstag 2013

Lieber Luther,
erinnerst du dich? Wir zwei feiern heute Geburtstag. Genau seit einem Jahr korrespondieren wir. Vor einem Jahr habe ich dir geschrieben, aus meinem Zorn heraus, dass der Reformationstag deinen evangelisch – lutherischen Kirchen keinen Gottesdienst mehr wert ist. Ein inneres Bedürfnis, das ich verspürt hatte, aber ins Leere lief und sich deshalb in anderer Weise Bahn gebrochen hat.
Ich habe gerade auch nochmals die 95 Thesen, die ich vor einem Jahr aufgeschrieben habe, gelesen. Jede einzelne ist noch genauso gültig und stimmig für mich wie letztes Jahr, vielleicht noch mehr.
Heißt das, keine Veränderung? Das kann man nicht sagen. Was den Zustand deiner Kirche anbelangt, sicher nicht, da geht es eher weiter bergab. Deine katholischen Brüder erleben mit der eigenen Zunft ein Waterloo nach dem anderen. Wie ich letztes Jahr schon schrieb, krankt der Patient Kirche schwer an sich selber,
an den eigenen Abgründen,
am Geblendet-sein vom Tand. von fremden Göttern, von Blendern,
am verheerenden Zustand der Institution Kirche,
an der sittlich, geistlich und spirituellen Erosion der kirchlichen Rolleninhaber.
Äußere Schätze stehen vor inneren,
der Umgang der Amtskirche mit Kritikern und Abweichlern ist nach wie vor unsäglich.
Es dominiert entgeistigter Zeitgeist,
billig produzierte geistige Wellness von der Stange oder Internet.
Die Litanei ist unverändert seit letztem Jahr, angereichert mit aktuellem Anschauungsunterricht, in dessen Folge sich viele Kirchenmitglieder mit Grausen abwenden und die Beine in die Hand nehmen.
Auch du bist in vieler Munde, schließlich sind wir in der sogenannten Lutherdekade. Deiner Reformation zu gedenken, reicht schließlich kein Tag oder Jahr, man braucht schon ein Jahrzehnt. Vielleicht wirst du einfach auch nur in Beschlag genommen, um im Gespräch zu bleiben. Schon bei der Benennung dieser Dekade haben die Absetzbewegungen von dir eingesetzt, wie bezeichnend.
„Luther“-Botschafter will man nicht sein (Frau Käßmann) und von „Luther“-Dekade nur in Gänsefüßchen reden, man spricht von unangemessener Engführung auf eine Person – du bist gemeint. Und – wie kurios – das EKD-Projekt „Reformdekade“ ja nicht mit der Luther-Reformationsdekade verwechseln. Nichts als Eitelkeiten, lieber Luther, aber immerhin restaurierte Kirchen und Plätze. Dir würde grausen, ob all der Indienststellung deines Namens für ganz unheilige Zwecke.
Die Großen kümmern sich unverändert nach wie vor um Prunk und schönen Schein, das Fußvolk ringt, ziemlich allein gelassen, um den Glauben, versucht in der Wüste und Einöde die suchenden Seelen nicht verhungern zu lassen, immer in Gefahr selbst zu verhungern. Das nährende Brot, die Unterstützer sind rar, es herrscht, insbesondere unter den Berufskirchlichen, viel geistige Dürre. Ein Ausdruck, der eher in deine Zeit passt, der aber den Kern genau trifft.
Als guten Aufhänger nimmt man dich gern. Heute beginnt ein neues Jahr in der ausgerufenen Luther(????)dekade mit dem Schwerpunkt „Reformation und Politik“, innere und äußere Freiheit, Paradies und Politik. Was hat das Ganze eigentlich mit Glauben zu tun? Interessiert das Ganze eigentlich jemanden außerhalb derjenigen, die Teil der Fest-Inszenierung sind und derjenigen, die politikhalber mitspielen, die innerkirchlichen und außerkirchlichen Profiteure? Interessiert eigentlich die Masse der Gläubigen oder nur die Kasse?
Lieber Luther, letztes Jahr war ich voller Zorn über den Zustand deiner Kirche. Er hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil. Wenn ich auf mein eigenes „Kirchenleben“ blicke, so mag im Augenblick weder Kampfgeist, noch Andacht, noch Geist aufkommen, nur noch ein schwarzes Loch. Ich laufe nicht einmal mehr ins Leere oder auf, ich laufe gar nicht mehr hin. Eigentlich nur noch Trauer.
Wenden wir den Blick lieber ab. Schauen wir doch lieber in die Bibel. Da finde ich den Tröster, der hilft mir weiter, als der Blick auf Kirche. Deshalb Schluss nun, damit noch Zeit für das Wesentliche bleibt.
Reformatorisch gestimmt,
herzliche Grüße
Deborrah