Woran kann man Gott erkennen?

Gott zu erkennen ist nicht ganz einfach. Wir neigen dazu, insbesondere wenn es uns gut geht, Gott zu loben, wenn es uns schlecht geht, mit ihm zu diskutieren, uns zu beklagen, Bittgebet über Bittgebet zu ihm zu schicken. Wir fühlen uns von ihm verlassen, weil er nicht tut, was wir wollen.

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Gott ist nicht unser Erfüllungsgehilfe. Gott und meine Beziehung zu Gott ist unabhängig von meinen alltäglichen Befindlichkeiten, von meinen Egoismen und Tagesform abhängigen Stimmungsschwankungen. Wir sollten unsere Brillengläser entspiegeln. Anstatt Gottes Wille spiegeln wir in ihnen unseren Willen. Gott sieht das wohl und deshalb versteckt er sich und wir fühlen uns von ihm verlassen. Er will von uns gesucht und gefunden werden. Er will, dass wir an ihn ohne Wenn und Aber glauben, auch wenn wir denken er sei nicht da.

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Gerade wenn wir uns verlassen fühlen, ist er da und vielleicht einfach nur da. Glauben heißt ihm vertrauen, auch wenn er sich versteckt, wir ihn nicht erkennen, es uns schlecht geht. Er rettet die Situation nicht unbedingt. Jesus ist am Kreuz gestorben, Gott hat den physischen Menschen Jesus nicht vor den Menschen gerettet, aber er hat seine Seele, seinen Geist, sein Vertrauen in Gott, sein Leben nach dem Tod gerettet. So rettet Gott uns auch. Jesus ist vorangegangen. Er rettet nicht unseren Wohlstand und unser Wohlbefinden, er rettet unsere Seelen und unser Leben in Gott, sofern wir ihn lassen.

Wie erkenne ich das? Wer mit Gott und in Gott jeden Tag durch den Tag geht, lernt zu erkennen und Gott gibt sich zu erkennen. Man erkennt aber nur, wenn man achtsam genug ist, achtsam sich selbst gegenüber und achtsam dem Mitmenschen gegenüber. Man erkennt, wenn Gott Gutes bewirkt, erkennt ihn im Gegenüber, in einem selbst, im Rückblick, wenn man erkennt, wie einen die Dunkelheit einen Schritt weiter in der Erkenntnis und der Nähe zu Gott gebracht hat. Man erkennt, wie Gott im Leid Gutes bewirkt. Gott wird einem im Alltag bewusst, er ist ein Begleiter, dessen Anwesenheit man körperlich spürt. Im Guten, wie im Schlechten.

Das ist ein Weg, den man geht, eine Himmelsleiter, die man hinaufsteigt. Jakob ist ein gutes Beispiel:

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Jede Stufe kann schmerzvoll, voller Leid sein. Aber wenn man sie genommen hat, fühlt man sich leicht, entkörperlicht. Ein Glückszustand, der den Himmel öffnet. Aber er ist nur vorübergehend, eine Vorschau, die Kraft und Gewissheit schöpfen lässt. Die Wolken ziehen wieder auf, die nächste Stufe wartet, was immer das sein mag.

Gott zu erkennen ist ein Kreuzweg, der andauert, bis man Erlösung gefunden hat. Darüber sollte man sich keine Illusionen machen.

Jeder Schritt lohnt sich, wie schmerzvoll er auch ist. Wer mir nachfolgen will, nehme sein Kreuz auf sich. Und Gott hilft tragen. Darin erkennen wir ihn.

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Feigenbaum und Feigenblatt

Lieber Luther,
gute Nachrichten hören wir gern, schlechte weniger. Wenn man uns gibt, nehmen wir gern, doch Verpflichtungen eingehen, davor scheuen wir zurück. Verpflichtung heißt, man betrachtet fortan etwas als seine Pflicht, heißt, setzt sich für etwas ein, steht für etwas, steht jemandem bei, auch wenn man sich selbst zurückstellen muss. Verpflichtung ernst genommen, ist ein Versprechen, sich in die Pflicht nehmen zu lassen für etwas.
Von Gott nehmen wir gern, lassen uns aber weniger gern von ihm in die Verpflichtung nehmen. Wir sehen das gern als Einbahnstraße, als einseitigen Bund. Gott ist in der Pflicht uns zu lieben, uns zur Hilfe zu eilen, uns zu heilen. Dieser Gott wird überwiegend von den Kanzeln gepredigt. Gott als der (einseitig) Liebende, der den Menschen liebt, was immer er tut. Alles andere ist unpopulär. Wer will sich schon in die Pflicht für Gott nehmen lassen? Wollen wir die eh schon kleine Zahl der Kirchgänger auch noch verschrecken mit lästigen Verpflichtungen?
Warnungen, gegen den Mainstream gerichtet, werden seit jeher nicht gern gehört. Gott und auch Jesus haben uns viele Warnungen geschickt. Jeremia hat sich damit abgequält, Gottes Warnungen zu überbringen, war Gottesknecht und hat unter dieser Last schwer geächzt. Trotzdem hat er nicht geschwiegen. Die Zugvögel, die keinen festen Ort kennen, finden an ihren Ort zurück und wissen, wann es Zeit ist, heimzukehren. Wenn selbst Vögel das wissen, die kein Gehirn zum Nachdenken haben – oder gerade deswegen -, warum kann und tut der Mensch das nicht? Und keiner bereut. Sie wenden sie weiter ab, laufen weg vor mir, wie ein Wildpferd, das sich von mir bedroht fühlt. Man hört aus diesen Worten, wie Gott über seine Schöpfung stöhnt und Jeremia, als Überbringer der schlechten Botschaft, mit ihm (Jer 8, 4-7).
In Jeremias Tempelrede ist klar benannt, was Gott von uns fordert: Denn nur, wenn ihr eure Wege und eure Taten wirklich gut macht, wenn ihr wirklich Recht übt untereinander, gerecht seid zu euch selbst und zueinander, niemanden unterdrückt, kein Leben vernichtet, keine anderen Götter nachlauft, nur dann will ich bei euch wohnen (Jer 7, 5-7). Das sind Pflichten, die Gott von uns einfordert. Gott sagt zu Jeremia: Stell dich in das Tor des Hauses des Herrn und sage das ganz laut, auch zu den Wortverdrehern, die dort berufsmäßig das Wort auslegen. Priester und Propheten gehen mit Lügen um, predigen meinen Frieden und es ist doch nicht Friede (Jer 8, 10-11). Ich bin mit euch nicht im Frieden und ihr nicht mit mir. Lasst euch nicht einlullen von falschen Versprechungen. Keine Trauben sind am Weinstock und keine Feigen am Feigenbaum, das Blatt ist verwelkt: Frucht- und leblos werdet ihr vergehen, wenn ihr so weitermacht (Jer 8, 13).
Szenenwechsel. Etwa 600 Jahre später. Markus 13. Wieder geht es um Gottes Tempel. Wieder die gleiche Mahnung, wie eine Dublette: Passt auf, seid wachsam, lasst euch nicht von falschen Propheten verführen, die unter meinem Namen getarnt euch falsche Götter unterjubeln. Wenn ihr von Kriegen hört, so geschieht das, weil die Menschen nicht auf mich hören wollen, aber es ist nicht das Ende. Es wird sich Nation gegen Nation erheben, es wird Erdbeben geben, Hungersnöte, sie werden sich gegenseitig umbringen, sich gegenseitig bedrücken. Leben wie es ist, seit es Menschen gibt.
Deshalb ist es wichtig, dass ihnen das Evangelium gepredigt wird. Wieso? Wer das liest, höre: Damit die Menschen wissen, dass sie umkehren können, sie die Möglichkeit haben, sich auf meinen heiligen Berg zu retten, solange noch Zeit ist. Es ist ein Ort ohne irdische Güter, deshalb braucht man dort nichts Materielles. Betet, dass es nicht Winter ist in euch, eure Seele nicht kalt und ohne Nahrung ist, wenn ihr dies lest.
Jedoch, alle Menschen sind mit menschlichen Irrtümern belastete Menschen. Deshalb wird, wenn ihr die äußeren und inneren Gräuel und Verwüstungen, die ihr angerichtet habt, ungeschönt sehen werdet, eure Bedrängnis größer sein, als im Augenblick der Untat. Deshalb hat Gott die Zeit, wenn es gilt, dies einzusehen, verkürzt. Sonst würde er keinen Menschen mehr zu sich zurück bringen können, solange würde diese Selbstschau dauern. Alle werden dann Auserwählte sein, alle werden dann heimgeführt sein, und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit. Deshalb lernt vom Feigenbaum: Wenn sein Zweig schon weich geworden ist und Blätter hervortreibt, ist der Winter vorbei, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. Der Feigenbaum ist bereit, Frucht zu treiben.
Der Bogen zu Jeremia ist geschlagen. Jesus erklärt in Markus 3 etwas komprimierter was 600 Jahre zuvor Gott Jeremia aufgetragen hat zu sagen (Jes 7-8) und alles ist bei beiden zusammengefasst im Bild des Feigenbaumes. Der Feigenbaum steht für den Anfang des Menschen uns das Ende. Der Feigenbaum ist die erste Pflanze, die namentlich in der Bibel erwähnt wird. Adam und Eva machten sich einen Schurz aus Feigenblättern, um ihre Blöße zu decken (1. Mose 3, 7). So meint es auch Jesus in seiner Rede: Wenn ihr euch dereinst mit euren eigenen Schandtaten auseinandersetzen müsst, kann kein Feigenblatt mehr eure Blöße decken. Eure eigene Wahrheit zu sehen, vom Baum dieser Erkenntnis zu essen, wird euch schlimmer ankommen, als alle Untaten, die ihr im Laufe des Lebens verübt habt.
Die Botschaft ist in beiden Texten gleich: Gottes Volk hört nicht auf seine Stimme, hält nicht, was er ihnen aufgetragen hat, verpflichtet sich nicht ihm gegenüber auf sein Recht, sondern tut beständig Unrecht, hört auf die falschen Propheten und Götter und folgt keiner Mahnung zur Umkehr. Deshalb bleibt der Feigenbaum bei Jeremia und bei Jesus ohne Frucht, die Blätter sind verwelkt (Matth 21, 18-22). Kein Feigenblatt vermag dies vor Gott zu verbergen, jetzt nicht und nicht, wenn wir sterben. Aber, Jesus gibt Hoffnung. Der Feigenbaum bleibt nicht unfruchtbar. Wenn die Zweige weich geworden sind, Hartherzigkeit und Hartleibigkeit aufgeweicht sind, dann erwacht der Feigenbaum wieder zum Leben, treibt Blätter, danngrünt der Feigenbaum wieder und trägt Frucht.
Lieber Luther, die Bibel steckt voller Überraschungen. Mit dieser Wendung habe ich zu Anfang nicht gerechnet. Jeremia und Jesus erzählen die gleiche Geschichte, verwenden die gleichen Bilder, haben die gleiche Botschaft. Beide Texte sind Predigttext für diesen und nächsten Sonntag, einmal in der alttestamentlichen und einmal in der neutestamentlichen Version. Doppelt hält besser, bleibt wenigstens zu hoffen. Ihr bringt keine Frucht, sagt Jeremia und sagt Jesus, ihr lebt und handelt nach euren eigenen Maßstäben, nicht nach meinen. Bezeichnend auch, dass beide Predigttexte die Textstellen, in denen es um die Verpflichtung der Menschen auf Gottes Recht geht, umschiffen, die Konsequenzen verschweigen. Die ganze Sündentheologie ist zwar obsolet, aber das heißt nicht, dass wir Narrenfreiheit haben in dem, was wir tun. Wir sind dafür verantwortlich, jeder persönlich. Eines Tages wird uns der Spiegel vorgehalten und wir müssen für uns selbst einstehen. Gott nimmt uns in die Pflicht und an dieser Stelle werden wir nicht ausweichen können, wie noch im diesseitigen Leben. Ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht. Wie sagte doch Jesus? Wer dies liest, merke auf (Mark 13, 14), ihr habt es in eigenen Händen. Wieder eine (ungehörte) Warnung.
Nicht nur Jeremia kündigt an, dass vor Gott eines Tages eine Abrechnung kommt, ein Abwiegen und Abwägen. Auch Jesus sagt nicht, Mensch, ihr könnt tun und lassen was ihr wollt, könnt Unrecht tun, unterdrücken, morden, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen hat, Gott liebt euch, was immer ihr tut, ob ihr seine Gebote beachtet oder nicht. Jesus sagt, wie Jeremia, sehr drastisch, folgenlos wird euer Tun nicht bleiben, ihr werdet kein Feigenblatt haben, um das zu verdecken. Aber auch das wird vorüber gehen, die Zeit, die ihr das aushalten müsst, ist verkürzt. Dann wird aus dem Holz des Feigenbaums Leben wachsen.
So hören wir zu, lieber Luther, stehen zu unserer Verpflichtung, sind achtsam und wachsam, auch wenn uns hin und wieder vor Müdigkeit die Augen zuzufallen drohen. Jeremia hat auch nicht aufgegeben.
Herzliche Grüße
Deborrah

Glauben

Lieber Luther,
vor mir liegt ein Senfkorn. Ich habe es vom heutigen Sonntagsgottesdienst mitgebracht. Es ist klein, trotzdem habe ich es nicht verloren. Was hat es mit diesem Senfkorn auf sich?
„Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! so wird er euch gehorsam sein.“ (Luk 17, 5-6).
Die Predigt fand ich schön und zunächst eingängig und konsistent. Die Apostel hätten gar nicht den Glauben gemeint, Glaube könne man nicht stärken. Glaube sei eine Beziehung zu Gott, hieß es da. Gott, Jesus an sich sei Glaube.
Die Fragen sind erst hinterher gekommen. Kann man Glauben wirklich nicht stärken, mehren, vertiefen? Widerspruch hat sich in mir geregt, deshalb, lieber Luther, musst du wieder herhalten.
Glaube besteht sicher auch in einer „Beziehung“ zu Gott. Aber gerade Beziehungen muss man pflegen, man kann sie stärken, man kann sie auch schwächen, man kann sie beenden, sich nicht entwickeln lassen oder ihnen auch den Todesstoß versetzen. Beziehungen sind fragil und immer in Gefahr, die Beziehung zwischen Menschen, aber auch zu Gott.
Für Jesus kam die Frage der Apostel nicht überraschend, er kannte das schon: Wieso ist euer Glaube so klein, kommt es postwendend zurück. Der Kleinglaube der Apostel war bei Jesus oft Gegenstand seiner Belehrungen. Sie, die „Glauben“ in die Welt tragen sollten, zu stärken, gehörte zum Kern der Mission Jesu, seine Apostel, seine Nachfolger, zu lehren undauf seine Nachfolge vorzubereiten.
Zunächst: Was ist Glaube? Sich über etwas zu verständigen, das so abstrakt und individuell ist wie Glaube, ist schwierig. Wie äußert sich Glaube? Eine allgemeingültige Antwort gibt es hier nicht, es gibt wahrscheinlich so viele individuelle Ausprägungen, wie es gläubige Menschen gibt. Deshalb gibt es wohl „den“ Glauben nicht, sondern nur Glaube.
Wenn man anfängt auszusortieren, scheint zumindest klar zu sein, dass es Menschen gibt, die glauben und Menschen die nicht glauben – egal um welche Religion es sich handelt. Glaube ist also etwas, das an das Individuum, an den Menschen, an den jeweiligen Menschen, an den Einzelnen, dich, mich gebunden ist oder auch nicht. Glauben tut man oder eben nicht. Insofern ist das nichts, das man selbst beeinflussen kann. Glauben, glauben können an sich, ist zunächst eine göttliche Gnade. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass man niemand einen Vorwurf machen kann, wenn er nicht glaubt. Gott weiß, dass erst am Ende der Zeit alle glauben werden. Insofern sieht er das wahrscheinlich wesentlich unaufgeregter als die Gläubigen, die die Zahl der Ungläubigen bejammern.
Wäre noch die Frage, ob man den Glauben durch fromme Übungen, durch Gebete, durch Bibellesen herbeibeten kann. Sicher nicht, das bewirkt eher das Gegenteil und endet im schlechten Fall in Psychosen. Man kann sich auf die Suche nach Gott machen, im Idealfall in und mit guter Begleitung, und er wird sich sicher finden lassen, aber auf seine Weise und nicht wie wir uns das idealisiert ausmalen.
Wie man aber glaubt, wenn man glaubt, in welcher Sicherheit, in welcher Tiefe, in welcher Unangefochtenheit, in welcher Stärke, mit welcher Berge versetzender Kraft, darin besteht ein Unterschied. Der Weg im Glauben ist lang, steinig und schmerzhaft. Man sollte sich das nicht so vorstellen, dass man eine Erleuchtung hat, wie Paulus, und dann ist man Apostel. So ist das sicher nicht. Glaube ist auch Arbeit, um Glaube muss man ringen, im Glauben ist man Anfechtungen ausgesetzt, Glaube muss man pflegen und gießen, sonst wächst das Senfkorn nicht. Glauben muss man erfahren, erleben, jeden Tag. Es ist auch notwendig, seinen Glauben immer wieder zu hinterfragen, damit man nicht für Glauben hält, was am Ende Aberglauben ist. Aber genau das stärkt den Glauben und lässt einem im Glauben wachsen. Es ist die Anfechtung, nicht selbstgerechte Gewissheit. Selbst Jesus ist in seinem Glauben in der Wüste angefochten worden. In dem Fall hat die Seele Fastenzeit. 
Wenn die Jünger ihren Glauben klein fanden und gerne darin bestärkt werden wollten, ist das etwas, was für Menschen normal ist. Sie – und wir – sind nicht wie Jesus, sie sind nicht Gott, sie sind schwach und können nur versuchen, stärker zu werden. Sie bitten den um Hilfe, der allein helfen kann. Es zeugt von gesundem Realismus, dass sie sich ihrer Schwäche – auch im Glauben – bewusst sind, mit Jesus als Gallionsfigur jeden Tag vor Augen sowieso.
Im Glauben hat man eine Beziehung zu Gott, man vertraut sich Gott an, bekennt sich zu Gott, wirft sich ihm in die Arme, redet mit ihm, sitzt mit ihm zu Tisch. Dass die Jünger einen solchen Glauben, eine solche Glaubensbeziehung, hatten, steht außer Frage. Das ist, was Mensch aus sich heraus vermag: Sein Vertrauen in Gott setzen, an Jesus glauben und ihm nachfolgen. Das ist, was Jesus in seiner Brotrede gemeint hat. Das ist sozusagen der Glaubensalltag.
Das ist aber nicht das, was Jesus wirklich in Frage stellte mit diesem Senfkorn-Vergleich. Jesus meint hier einen ungleich größeren Glauben, einen Glauben, der Berge versetzen kann oder eben Maulbeerbäume.
Deutlicher wird dies bei der Heilung des Fallsüchtigen: Die Jünger versuchen nach dem Vorbild Jesu zu heilen, schaffen es aber nicht. Jesus herrscht sie an: „Ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Die Jünger fragen, wieso ihnen nicht gelungen sei, zu heilen. Die Antwort ist eindeutig: Wegen eures Kleinglaubens, „denn wahrlich ich sage euch, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: Hebe dich weg von hier dorthin! Und er wird sich hinwegheben und nichts wird euch unmöglich sein.“ (Matth 17, 17 ff). Jesus ist fast am Ende seines Weges und seine Jünger haben immer noch nicht den Glauben, der heilen lässt, sie sind kleingläubig. Das Beispiel, als Petrus über das Meer gehen will und versinkt, sagt nichts anderes (Matth 14, 30-31).
Es geht also um einen Glauben, der Dinge vermag, die außerhalb der menschlichen Möglichkeiten liegen, Berge oder Bäume versetzen allein, aus Glaube. Übers Meer gehen. Nichts wird euch bei diesem Glaube unmöglich sein, so sagt Jesus. Da stehen wir ganz klein vor unserer Angst. Das trauen wir uns dann doch nicht zu. Das Vertrauen in dieses Wort ist nicht groß genug, dass wir genug Vertrauen zu uns hätten, dem zu glauben.
In der Elberfelder Übersetzung bitten die Apostel Jesus auch , MEHRE uns den Glauben, das heißt: Gib zu dem Glauben, den wir schon haben, noch das Stück Glaube hinzu, das uns heilen, das uns andere heilen, das Berge versetzen, übers Meer gehen lässt. Es ist hier von einer Glaubensgröße die Rede, die uns – mich jedenfalls – erschauern lässt. Trauen wir uns das zu? Oder muss sich unser Glaube nicht doch noch mehren, stärken? Glauben wir Jesus und gehen los, gegen jeglichen Verstand, gegen jegliches Naturgesetz? Es gibt Menschen, die das können, es ist nicht unmöglich.
Was sagt uns die Symbolik des Senfkorns? Es gibt annähernd 400 Gattungen von Senf. Senf ist also nicht gleich Senf. Senf ist ein Kreuzblütler, das ist schon eine Symbolik an sich. Es gibt Arten, die als Wildpflanzen und auf Schutt wachsen, wild, unkultiviert, nicht domestiziert. Es gibt aber auch Arten, die als Nutzpflanzen, als Gemüse-, Würz-, Arznei- oder Futterpflanzen dienen. Auch hier, wie kürzlich schon vergleichbar bei dem Baumverweis, wird auf die Vielartigkeit in Gottes Reich, in dem Fall im Bild des Senfs, des Senfkorns, hingewiesen.
Das Senfkorn muss gesät werden, gehegt und gepflegt. Es kann unter Dornen fallen, auf Fels oder auf unfruchtbaren Boden, wie im Gleichnis vom Sämann beschrieben. Nur wenn das Senfkorn auf fruchtbaren Boden fällt, wächst und gedeiht es, so wie es bei Markus beschrieben ist, als die Jünger fragen, wie das Reich Gottes zu beschreiben ist und Jesus antwortet:
Es ist wie ein Senfkorn, das, wenn es auf die Erde gesät wird, kleiner ist als alle Arten von Samen, die auf der Erde sind. Wenn es aber ausgesät ist, geht es auf und wird größer als alle Kräuter und es treibt große Zweige, so dass unter seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können (Mar, 4, 30 ff).
So wird aus etwas, was zu Beginn das Kleinste ist, am Ende das Größte. Das Senfkorn ist der Glaube. Aber: Das Senfkorn braucht Zeit, sich zu entwickeln, zu wachsen, und es braucht die entsprechende Umwelt, damit es überhaupt wachsen kann. So ist es mit den Jüngern: Ihr Glaube ist zwar schon aus dem Senfkorn gewachsen, treibt und wächst, aber er hat noch nicht die Größe, dass er den Vögeln des Himmels eine Wohnung geben könnte. Er ist noch nicht so groß, dass er für andere eine heilsame Kraft sein kann, dass er Maulbeerbäumen gebieten könnte und sie gehorchen würden.
Der Maulbeerbaum steht hier als Symbol für den Menschen. Das Charisma der Jünger ist noch nicht so groß, dass sie die Menschen bewegen könnten, gar heilen. Der Maulbeerbaum galt als Symbol der Klugheit, als der Weiseste der Bäume. Wenn Jesus sagt: Wenn ihr nur so viel Glauben habt wie der kleinste aller Samen, das Senfkorn, dann vermögt ihr die Weisesten der Menschen aus ihrer Verhaftung zu lösen und sie würden „gehorchen“, d.h. sie würden Jesu Wort nachfolgen. Seine Apostel und Prediger würden mehr können, als sie nur aus sich heraus vermögen. Jesus formuliert hier die Glaubensvoraussetzungen, die es – noch nicht zu diesem Zeitpunkt, aber später – den Aposteln doch noch möglich machte, größer als sie selbst zu sein, zu heilen, ohne zu wissen wie, das Wort in die Welt hinauszutragen, ohne in ihrer Mission zu scheitern.
Wie viel Zeit, wie viel Lernen notwendig ist, um zu so einem Glauben zu gelangen, hat Jesus in dem Weg gezeigt, den er mit den Aposteln gegangen ist. Es war ein hartes Stück Arbeit für ihn, in ihnen ihren Glauben so wachsen zu lassen, so zu mehren, so zu stärken, dass sie die Glaubensstärke hatten, die notwendig war, um die Botschaft in die Welt hinaus zu tragen und die Leiden, die ihnen dabei auferlegt waren, mit Demut zu tragen. Das konnten sie nur durch eine innere Stärke, zu der sie erst gelangen mussten. Ihr Senfkorn musste erst zu einem Heilkraut mit großen Ästen wachsen, in denen andere Geschöpfe sich bergen konnten.
Jesu redet in diesem Senfkornbild von der Zukunft: Wenn ihr so viel Glauben habt …. Ja, lieber Luther, bis wir so viel Glauben haben, dass im Vertrauen auf diesen Glauben auch das scheinbar Unmögliche möglich wird, dass wir über uns hinauswachsen können, wir unsere (Selbst-)Beschränkungen, unser uns Nichtzutrauen, hinter uns lassen können, wir Berge versetzen könnten im Glauben, das wird sicher noch dauern. Jedenfalls bei mir. Ich werde das Senfkorn aufheben, als Ansporn. Ob wir, lieber Luther, jemals Berge versetzen können?
Herzliche Grüße
Deborrah

Von der Blindheit zum Sehen

Lieber Luther,
der letzte Brief, den ich dir schrieb, handelte von Blindheit. Von der Blindheit des Tilmann Moser und auch von einer partiellen Blindheit des Predigers. Es erfüllt mich mit einer gewissen Ehrfurcht und Andacht, dass es im Predigttext dieses besagten Sonntages um die Heilung eines Blinden ging (Joh 9, 1-7). Das ist in meinem letzten Brief ganz unter den Tisch gefallen und fällt mir gerade ins Auge.
Um das gleiche Thema geht es nämlich auch im heutigen Predigttext (Mark 8, 22-26). Dass es heute schon wieder um eine Blindenheilung geht, auch das erfüllt mich mit Ehrfurcht und Andacht. Es geht – man höre – um einen 2-Stufen-Heilungs-Plan. Gott ist im täglichen Leben sehr präsent.
Wieso tut Jesus gerade an Blinden so viele Wunderheilungen? Für was stand die Blindheit? Was war die Botschaft dahinter? Was sagt uns das heute noch?
Blindheit war schon zu Jesu Zeiten und ist auch heute noch die Volkskrankheit Nr. 1. Wir sind blind gegenüber den Nöten und Bedürfnissen unserer Mitmenschen, wir verschließen die Augen vor so vielem, bei dem wir hinschauen sollten, wir sind manchmal blind vor Zorn. Blind sind wir auch Gott gegenüber, können sein Wort nicht lesen oder ihn nicht sehen.
Oft ist so viel Finsternis in uns und um uns herum, dass wir nur noch im Dunkeln tappen.
Die schlimmste Art der Blindheit ist aber ein blindes Herz. Jesus ist gekommen, um
den Armen das Evangelium zu verkünden,
die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,
den Gefangenen zu predigen
den Blinden ein „Gesicht“ zu geben (Luk 4, 18),
d.h. die Blinden sehend zu machen, sie aus ihrer Gefangenschaft in der Dunkelheit zu befreien, ihre verletzten Herzen zu heilen, durch sein Wort, durch das Evangelium, Gott in ihm selbst ein Gesicht zu geben, damit wir sehend werden, ihn ansehen können und er uns. Denn ein Blinder kann keinem Blinden den Weg weisen, sie fallen gemeinsam in die Grube ( Lukas 6, 39). Solange die Menschen blind sind, finden sie nicht zu Gott. Grab anstatt Auferstehung, Dunkelheit anstatt Licht, Verirrung anstatt Nachfolge.
Bei der Heilung des Blinden bei Jericho entwickelt sich folgender Dialog:
Jesus fragt den Blinden: Was willst du, dass ich dir tun soll?
Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni, dass ich sehend werde.
Jesus aber sprach zu ihm: Gehe hin; dein Glaube hat dir geholfen. Und alsbald ward er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. (Mark 10, 46-52).
Sein Glaube hat ihm geholfen, er ward sehend und folgte nach. Damit ist im Prinzip alles gesagt. So geht es. Dein Glaube hat dir geholfen, hat dich heil gemacht, geh den Weg, den du jetzt siehst.
Ins Auge sticht in der Heilungsgeschichte in Markus 8, dass Jesus zwei Anläufe zu brauchen scheint, um dem Blinden die Augen zu öffnen. Wie auch schon in der Geschichte in Joh 9 heilt Jesus auch hier zunächst mit Spucke. Spucke steht hier für sein lebendiges Wasser, sein Heilwasser, das die Dunkelheit hinwegschwemmt. Aber, was sieht der Blinde: „Ich sehe die Menschen, denn ich sehe sie wie Bäume umhergehen.“ (Mark 8, 24, nach Elberfelder Übersetzung). Das ist der entscheidende Satz in dieser Geschichte.
Der Blinde sieht viele verschiedene Arten von Menschen. Der Baum steht für den Menschen in seinem natürlichen Wachstum. Es gibt kleine und große Bäume, unscheinbare und hervorstechende, schwache und mächtige, Bäume die von innen her faulen und Bäume, die von Schädlingen befallen sind. Manche Bäume nehmen den anderen das Licht, andere wiederum gedeihen im Schatten von größeren Bäumen. Manche Bäume passen gut zusammen, manche können nicht miteinander gedeihen, manche wachsen schnell, manche langsam. Bäume brauchen unterschiedlichen Nährboden und sie gedeihen nur in einem bestimmten Klima. Manchen Bäumen reichen flache Wurzeln, manche haben tiefe Wurzeln. Es gibt Nadel- und Laubbäume, Bäume, die sich gegenseitig befruchten, unfruchtbare und fruchtbare Arten.
Der Baum ist in der Geschichte ein Bild für den Menschen in seiner Vielgestaltigkeit. Der Blinde, den Jesus heilt, sieht zunächst vor lauter Bäumen nicht diejenigen, die auf Gottes Acker wachsen, die für ihn fruchtbaren Bäume. Er muss sich an sein Sehen erst gewöhnen, er muss erst lernen zu sehen. Er weiß nicht, an wem er sich orientieren soll. Ihm ist seine Blindheit zwar genommen, aber noch kann er nicht klar erkennen, welcher Baum für ihn gut ist und welcher nicht. Er sieht, aber er kann nicht einordnen, sieht nicht hinter die Fassade, er sieht die Oberfläche, nicht in die Herzen und nicht mit dem Herzen. Er spürt aber, dass das nicht alles sein kann. Jesus erkennt das an der Art der Antwort, die der Blinde auf seine Frage gibt, ob er etwas sähe. Der Blinde scheint sich zu wundern.
Offensichtlich gibt es unterschiedliche Arten von Sehen: eine oberflächliches und ein tiefer gehendes, unscharfes und klares Sehen. Sehen hat immer zwei Seiten: der der sieht und der der angesehen wird. Der Blinde sieht selbst noch nicht klar und sieht auch diejenigen, die er ansieht, nur undeutlich.
Deshalb geschieht eine zweite Heilung. Jesus legt also dem Blinden ein zweites Mal die Hände auf die Augen, um diesen Grauschleier von seinem innren und äußeren Auge zu nehmen. „und er sah deutlich und ward wieder hergestellt und sah alles klar.“ Es ist ein doppeltes Heilungsgeschehen, zwei Stufen, nach innen und außen gewendet, der Sehende lernt wie man mit dem inneren Auge sieht und die zu sehen, die er ansieht.
Erst jetzt ist er wirklich sehend. Er war wieder hergestellt heißt, er ist wieder in seinem Urzustand, er ist heil, gesund, die Krankheit, die innere Blindheit ist von ihm gewichen und erst durch die zweite Heilung war er auch in Gottes Klarheit gekommen. Er konnte Jesus ins Gesicht schauen und die Bäume, die Menschen, in all ihren Unterschieden erkennen, in ihrem unterschiedlichen natürlichen Wachstum.
Lieber Luther, eine tolle Geschichte, ich bin ganz begeistert. Das Alte und Neue Testament berichtet viel von Blindheit, geheilte und ungeheilte. In dieser Geschichte wird klar, wieso für Jesus die Heilung von Blinden so wichtig ist, wieso er sich so um sie kümmert, so oft an ihnen Wunder tut. Er will damit sagen: So handele ich an euch. Ich heile euch, ich mache euch sehend, seht was ich vermag, lasst euch von mir anrühren, macht die Augen auf, dann seht ihr klar.
Aber, lieber Luther, manchmal sind wir alle Blindschleichen. Dann sollten wir uns von Jesus in die Augen spucken lassen. Aber nicht zwinkern, damit es nicht daneben geht. Ja, Gott ist im täglichen Leben sehr präsent, ob wir ihn sehen oder nicht.
Herzliche Grüße

Deborrah

Maria Himmelfahrt

Liebe Maria,
obwohl wir uns erst kürzlich gesehen haben, schreibe ich dir aus besonderem Anlass heute nochmals: Heute ist dein Hochfest, Mariä Aufnahme in den Himmel heißt es offiziell oder auch einfacher im Volksmund: Maria Himmelfahrt.
Das ist schon ein besonderer Augenblick für jeden Menschen, denn Mensch warst auch du. Du hattest ein schweres Leben. Schwanger, ohne verheiratet zu sein, bist am Pranger gestanden, Hohn, Spott und Verachtung ausgesetzt. Gut, dass Joseph zu dir gehalten hat. Dann diese entwürdigende Geburt, im Stall, unterwegs, ohne Hilfe von erfahrenen Frauen, nur mit dem hilflosen Joseph als Unterstützung.
Schon am Tag seiner Geburt waren Häscher hinter dem Kind her. Sicherheitshalber seid ihr mit dem Kind nach Ägypten geflohen. Strapazen und Entbehrungen, Hunger, Durst, Armut. Ja, dieses Kind war anstrengend. Du magst manches Mal mit deinem Gott gehadert haben.
Dann dieses Kind, das immer etwas Besonderes war. Neunmalklug hattest du von Kindesbeinen an einen schweren Stand bei ihm. Er wusste immer alles besser. Und trotzdem ging etwas von ihm aus, das dir gesagt hat, dass eine tiefe Wahrheit und Gerechtigkeit in diesem Kind ist.  Etwas, das man als Mutter spürt und weiß, aber nicht benennen kann. Trotz aller Kapriolen, das es geschlagen hat, ging von diesem Kind etwas Verlässliches aus, etwas das einem in aller Unsicherheit Sicherheit gab, unbenennbares Wissen.
Die paar Jahre, als er durch die Gegend zog und den Menschen von Gott erzählte, hattest du immer Angst um ihn. Er redete von Gott und oft stellte er sich gegen diejenigen, die das studiert haben, die Würdenträger der Kirche. Er, der Zimmermann, der gar nicht vom Fach war. Zimperlich war er dabei nicht. Nicht mit seinen Widersachern, noch mit seiner Familie. Wenn ihm etwas nicht passte, bügelte er einen ab und man konnte wie begossener Pudel wieder abziehen. Das konnte nicht gut gehen, du ahntest es schon.
Und dann diese Wundertaten. Du hast dich immer gefragt, wie er diese wohl vollbracht hat. Es musste mit diesem unbenennbaren Wissen, das er hatte, zusammenhängen. Aus diesem Wissen schöpfte er seine heilende Kraft. Schon ein bisschen unheimlich. Er verursachte immer ganze Volksaufläufe.
Dann wurden doch deine schlimmsten Befürchtungen wahr. Er wurde verfolgt und schließlich verhaftet, verurteilt, gefoltert, misshandelt, ans Kreuz geschlagen. Wie ein Verbrecher, mit Verbrechern. Eigentlich konntest du den Schmerz über das, was du mit ansehen musstest, kaum aushalten. Erstaunlich, was der Mensch so alles ertragen kann.
Aber er hat noch für dich gesorgt, dich in die Obhut eines seiner Jünger gegeben, so dass du wenigstens nicht als Freiwild unversorgt herumlaufen musstest.  Da kannst du dankbar sein. Alles, was du noch für ihn tun konntest, war seine Mission fortzusetzen, das Deine zu tun, dass die Botschaft, für die er sein Leben eingesetzt hat, weiter verbreitet wurde. Diese Arbeit gab dir Trost, Kraft weiterzuleben und richtete dein weiteres Leben aus.
Nun bist du am Ende deines menschlichen Weges angekommen, verlässt deine irdene Hülle. Endlich siehst du wieder den, nach dem du dich so gesehnt hast. Dein Kreis schließt sich. Erinnerst du dich noch, was du gebetet hast, als du von deiner Schwangerschaft erfahren hast? Meine Seele erhebet den Herrn. Nun erhebt sie sich zum Herrn. Sie lässt alles Irdische fallen, entpuppt sich wie eine Raupe, die bisher am Boden gekrochen ist und Erde gefressen hat, und fliegt wie ein befreiter Schmetterling in die Ewigkeit. Du kehrst dorthin zurück, wo du  herkommst, wirst wieder transzendent, körper-, zeit- und raumlos, wirst wieder Teil des Göttlichen. Heimkehr, welch glücklicher, froher Tag für dich.
Wenn ich dich so anschaue und deine Freude und dein Glück sehe, wird mir das Herz etwas schwer, weil mein Tag noch nicht da ist. Ich muss noch warten. Aber ich komme ganz gewiss nach. Es tröstet mich, dass unsere Seelenbande bleiben, über die körperlichen Grenzen hinweg. Wir bleiben in Kontakt.
Ich wünsche dir eine gute Reise, komm gut an! Ich freue mich auf ein Wiedersehen, im Hier oder im Dort.
Deborrah




Die Ernte ist eingefahren.

Gebote

Lass sich freuen alle, die auf dich trauen.
Psalm 5,12
Christus spricht: Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. 
Johannes 15,10-11
Das ist ein Wenn – Dann – Satz,
Ursache und Wirkung.
Wenn man diesen Satz liest,
dann könnte einem der Gedanke kommen, dass man das Ziel verfehlt.
Das liegt in der Natur eines jeglichen Menschen an sich.
Aber ist es wahrscheinlich, dass Gott uns vor unlösbare Aufgaben stellt?
Von was für „Geboten“ ist hier eigentlich die Rede?
Was sagt Jesus zu den „Geboten“?
Was den Menschen die Gebote übertreten lässt,
kommt aus dem Menschen heraus,
denn von innen, aus dem Herzen der Menschen,
gehen die bösen Gedanken aus (Mark 7, 21).
Jesus setzt sich wieder einmal mit den Pharisäern und Schriftgelehrten auseinander, die Menschengebote für Gottes Gebote verkaufen wollen.
Er beruft sich ausdrücklich auf zwei Gebote:
„Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren,“ und
„Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben.“ (Mark 7, 10).
Bei den Geboten geht es darum, dem himmlischen Vater (und hier sogar der Mutter) die Ehre zu erweisen, das Kindsein anzunehmen, die Herrschaft Gottes anzuerkennen. Alle anderen „Gebote“, alle Konsequenzen leiten sich daraus ab.
Wenn ihr meine Kinder werdet und bleibt, wenn ihr auf mein Wort hört,
dann bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Kind bin, auf sein Wort höre und in seiner Liebe bleibe.
Wenn ich aber Freude an euch habe, dann wird auch Gott Freude an euch haben und eure Freude vollkommen werden. Alle werden Freude haben, die diesem Wort trauen.
Es geht um eine doppelte Kindschaft. Es ist eine Aufforderung: Werdet wie die Kinder, werdet meine Kinder. Wenn ihr mich als Vater ehrt, wenn ihr auf mein Wort hört, wenn ihr mich anerkennt und respektiert, wie man einen Vater respektiert, dann bin ich euer Vater und ihr seid meine Kinder. Wie auch ich Kind meines Vaters bin. Kindsein heißt Fehler machen dürfen. Ich werde es euch nachsehn.
Vor diesem Hintergrund verlieren „Gebote“ ihren Schrecken.

Ecksteine

Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Psalm 118, 22-23

Auf Ecksteine bauen wir unser Haus.

Wenn der Eckstein schief sitzt, wird das Haus schief,
Wenn der Eckstein nicht passt, wird gar kein Haus.
Wenn der Eckstein falsch gewählt ist, fällt das Gebäude schnell in sich zusammen.

Die Wahl des Ecksteins entscheidet, ob wir an dem Haus Freude haben werden.
Mit der Auswahl tun wir uns mitunter schwer.
Was ist der Maßstab, den wir anlegen?
Schauen wir nur auf die geglättete Oberfläche?
Oder nehmen wir einen Stein mit Ecken und Kanten?

Ecken und Kanten halten oft besser zusammen als glatte Oberflächen,
Das Verkanten ist in diesem Fall Teil des Bauplans und
es sieht sich wie ein Wunder an,
wie die nicht normierten Oberflächen doch wie angegossen zusammenpassen.

Jesus hat nur ein paar Jahre öffentlich gewirkt, ein bis drei Jahre wird diskutiert.
Wer hätte damals gedacht, dass der spleenige Zimmermann Eckstein einer Weltkirche wird, dass Gott sein Haus auf diesen Außenseiter baut?
Auf einen, der für diesen Hausbau nur so kurze Zeit hatte?
Zimmermann hatte er ja gelernt, aber er musste auch die richtigen Steine für seinen Bau wählen, abseits aller Norm und äußeren Scheins.
Er hatte einen Bauplan, den er sich nicht von angeblichen Fachleuten hat zerreden lassen.

Das kann nur ein Wunder sein.
Kein Zweiter hat in so kurzer Zeit so nachhaltig gebaut.

Brot und Fisch

Lieber Luther,
der heutige Predigttext befasste sich mit der Speisung der 5000 (Luk 9, 10-17). Irgendwie bin ich dabei nicht ganz satt geworden. Deshalb habe ich das Bedürfnis, noch einen Happen nachzuschieben, ich verspüre immer noch Hunger.
Ich will versuchen, mich nicht zu wiederholen. Ich habe dir zum Thema „Ich bin das Brot“schon mehrmals geschrieben , auch im Hinblick auf das Abendmahl, das untrennbar auf das „Brot“ verweist.
Brot und Fisch kommen bei Jesus immer an Schlüsselstellen vor. Als er seinen Jüngern nach der Auferstehung erscheint und sie ungläubig sind, isst er mit ihnen Brot und Fisch. Mit dem Brot haben wir es leichter als mit dem Fisch. Als „Brot“ definiert er sich selbst, In der wichtigen „Brotrede“: Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt. (Joh 6.51). Im Abendmahl essen wir dieses Brot des Lebens immer von neuem.
Viele Menschen hatten sich an Jesu Fersen geheftet, da sie von seinen Wundertaten gehört hatten. Sie hatten eine gewisse Erwartungshaltung. Jesus war dessen müde und wollte dem entkommen. Das Volk blieb aber hartnäckig und so tat er, was sie erwarteten, er lehrte das Wort Gottes und heilte. „Entlass die Volksmenge“, meinten die Jünger abends, wie wenn Jesus sie festhalten würde. Vielleicht war das auch so. Er wollte davon nichts wissen. Wie könnte auch ein Vater seine Kinder hungrig wegschicken? So bewirkte er das Wunder der Speisung der 5000 mit 5 Broten und 2 Fischen. Aber was vermehrte er da?
Die Zahl 5 symbolisiert in der biblisch-hebräischen Zahlensymbolik die menschliche Bedürftigkeit und die Erlösung durch die Gnade Gottes. Genau das geschah bei der Speisung der 5000. Jesus nahm sich der Bedürftigkeit der hungrigen Menschen an, hielt sie vor Gott und durch Gottes Gnade wurden am Ende alle satt. Nicht nur ihre Mägen wurden satt, sie wurden alle satt im Glauben.
Ähnlich wie später bei den ungläubigen Jüngern und wie heute noch bei uns durch das Abendmahl wächst durch das Essen des Jesus-Brotes der Glaube. Jesu Leib für uns gegeben. Trotz aller Müdigkeit, die Jesus ob der an ihm zerrenden Menschen beschlichen haben mag, gibt er sich, seinen Leib, die Kraft seines Wortes vor Gott für die hungernden Menschen, für uns. Brot ist für Jesus nicht nur ein Nahrungsmittel, um den Hunger zu stillen und die Kraft der Menschen zu stärken, sondern immer auch ein Mittel um den Glauben zu stärken. Dafür gibt er sich ganz, setzt sich mit allem, was er hat ein, am bitteren Ende gibt er auch seinen Körper, sein Leben dafür.
Jesus teilt das Brot nicht selbst aus, er beauftragt seine Jünger. „Gebt ihr ihnen zu essen“. Die Jünger sehen sich aus eigener Kraft nicht in der Lage, so hilft er und gibt genaue Anweisung. Lasst sie sich setzen in Schichten, je fünfzig und fünfzig. Im Markusevangelium heißt es dazu verständlicher: Und er gebot ihnen, dass sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras. Und sie setzten sich nach Schichten, je hundert und hundert, fünfzig und fünfzig (Mark 6, 39).
Er versammelte die Massen gruppenweise um Tische, sie bildeten eine Tischgemeinschaft um seinen Tisch. Materielle Tische werden sie kaum plötzlich in der Wüste aufgetrieben haben. Es wurden größere und kleinere Gruppen gebildet. Sie sitzen im Gras, was einigermaßen erstaunlich ist, da sie sich nahe der Wüste aufhalten: Fürwahr, das Volk ist Gras, das Gras verdorrt, aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit (Jes 40, 6ff). Das Volk bildet kleine Gemeinschaften. Sie werden von den Jüngern mit Fisch und Brot versorgt, wie später die neuen Gemeinden durch die Apostel, wie heute unsere Kirchengemeinden von ihren Pfarrern und Pfarrerinnen. Das Geschehen weist bis zu uns.
Was aber mit den zwei Fischen? Jesus sammelt seine Jünger u.a. bei den Fischern: Ich werde euch zu Menschenfischern machen (Matth 4, 19). Das „Fischen“ meint, um das zerstreute Volk Gottes zu sammeln, sind Fischer notwendig: Siehe, ich will zu vielen Fischern senden, spricht der Herr, die sollen sie fischen“ (Jer 16,16). Dass Jesus die Jünger die Massen speisen lässt und es nicht selbst tut, verweist darauf. Er fordert von den Jüngern Aktion, heißt auch: Ich alleine kann es nicht richten, ich brauche euch, um dem vielen Volk die wahre Nahrung zu geben, die es braucht, um meine Netze zu füllen. Und siehe, ich bin bei euch, ob es hier in der Wüste ist, wo ihr das Volk allein nicht satt machen könnt, oder ob es in rauher See ist, wo ihr die Netze nur füllt, wenn ich bei euch bin. Vergesst nie, dass immer etwas übrig bleibt. Ihr könnt geben und trotzdem verbleibt ein gefüllter Korb. Die Jünger „legten vor“, ob und wie viel jeder aß, lag bei jedem einzelnen, der um den Tisch versammelt war. So ist es auch noch heute.
Der Korb ist prall gefüllt mit Gottes Wort. Ob und wer isst, ob und wer zum Menschenfischer wird, ob und wer in das Netz des Glaubens schwimmt, wer satt wird und wer nicht: Jesus macht da keine Vorschriften. Er bietet den vollen Tisch an, ob man sich daran setzt und isst, liegt in der Entscheidung des Einzelnen.
Brot in Wort und Schrift gibt uns immer Nahrung, zwei Fische sind immer da: der eine Gott und sein Mittler, Jesus, der Vater und der Sohn.  Mahl halten mit dem Einen in beiden, können wir bei jedem Abendmahl. Bei ihnen und mit ihnen werden wir nie hungern. Wir sitzen mit am Tisch der 5000, wenn wir wollen.
Lieber Luther, schon die gewaltige Symbolik dieser „Speisung der 5000“ macht uns satt, glaubenssatt. Jesus, der in Beth’lehem geboren wurde, im „Haus des Brotes“, Jesus tut dieses Nähr-Wunder mit Brot und Fisch in Beth‘saida, was übersetzt heißt „Haus des Fischens“. Er sättigt mit Brot und Fisch, macht glaubensstark mit seinem Wort, lässt uns wie ein Fisch in sein Netz schwimmen, gibt Anweisung und Hilfestellung, wenn uns das Nähren und Fischen nicht so gelingen mag. Unglaublich kraftgebend und sättigend ist diese Speise.
Guten Appetit wünscht Dir
Herzlich
Deborrah

Grenzüberschreitungen

Lieber Luther,

mitten in meine Erstarrung und Lesehemmung hinein ist mir ein Büchlein zugeflogen, über „Grenz-Gängerinnen“. Es handelt von vier Frauen, den vier Frauen aus dem Stammbaum Jesu. Das vermochte mich nun doch zu locken.

Wieso sind bei Matthäus (nicht bei Lukas) diese Frauen erwähnt? Wieso überhaupt Frauen, die Handelsware in damaliger Zeit? Es ist Tamar, Rahab, Ruth und Bathseba. Was soll uns das sagen? Welcher Gewinn sind sie mir heute noch?
Alle vier Frauen sind tief ins Leben verstrickt, so wie Leben spielt, auch heute noch: Verrat, Vergehen, Täuschung, Enttäuschung, Lüge, Unrecht, Verlassenwerden, Verlassenheit, Ehebruch, bis hin zu Mord. Beteiligt daran, Ursache, Verursacher, Versucher, Auslöser sind Männer. Es sind Gottes Männer, die tief menschlich sind und – wie alle Menschen – gute und böse Züge haben. Alle stehen trotz ihrer teilweise bösen Taten in der Ahnenreihe Jesu.

David ist der Hervorstechendste unter ihnen. Seine Frau, ist eigentlich „die des Urija“. Er lässt Urija in einem Auftragsmord beseitigen, um zu verbergen, dass Batscheba schwanger von ihm ist. David, der Psalmschreiber, der Schöngeist. Er erliegt den weiblichen Verlockungen, dem Allzumenschlichen. Er kann dem Versucher nicht widerstehen und übertritt die Gesetze, die er gut kennt. Das erste Kind, während des Ehebruchs gezeugt, stirbt. Batscheba weiß es von vornherein, David erdrückt fast der Schmerz um das Kind. Da kommt Nathan, der weise Prophet und öffnet David die Augen für sein Unrecht. Jetzt erst erkennt es David. Er betet, bereut ehrlich und Gott verzeiht. Erst jetzt findet er zurück ins Leben. (2. Samuel 11-12)

Weiter zurück, Rut. Sie heiratet einen Einwanderer. Als alle Männer der Familie sterben, ist das Unglück groß bei den drei verwitweten Frauen. Als Witwe hatte man nichts mehr vom Leben zu erwarten. Die Schwiegermutter, Noemi, die Liebliche, gibt nicht auf, sondern handelt. Sie entschließt sich, in ihre Heimat zurückzukehren, in der Hoffnung, ein Überleben bei der Verwandtschaft zu finden. Rut geht mir ihr, aus ihrer Heimat in die Fremde, wie zuvor ihre Schwiegermutter. Sie sagt „dein Gott ist mein Gott“. Eine unendlich lange Reise in damaliger Zeit, noch dazu zwei Frauen ohne männlichen Schutz. Sie haben Mut, die zwei Frauen, unendlich viel Gottvertrauen und sie haben Glück. Bòas, ein angesehener Verwandter, stellt sie unter seinen Schutz, verliebt sich in Rut und nimmt sie schließlich zur Frau. Eine wunderschöne, poetische Geschichte mit Happy End nach viel Leid, Entbehrung, Strapazen, Angst. Die beiden Frauen vertrauen in Demut auf Gott und Gott nimmt sie bei der Hand und führt sie einen weiten Weg nach Hause. (Ruth 1-4)

Die Geschichte der Rachab, einer Tempeldirne, beginnt mit Verrat. Sie verrät ihr Volk, die Bewohner von Jericho, und trägt damit zum Fall Jerichos bei. Die Israeliten stehen vor den Toren, Kundschafter haben sich eingeschlichen und werden gesucht. Rachab versteckt sie, belügt die eigenen Leute und lässt sie nachts über die Stadtmauer entkommen. Wieso tut sie das? „Ich weiß, dass der Ewige euch dies Land gegeben hat.“ Sie beruft sich auf Gott. Ihm allein fühlt sie sich verantwortlich und handelt entsprechend. Auch sie ist äußerst mutig. Zum Dank wird sie beim Fall Jerichos verschont. Sie wird die Frau von Jehoschùa und damit eine Ahnin von Jesus. (Josua 2)

Schließlich Tamar, die Frau, die den Söhnen des Juda den Tod brachte und deshalb von Juda aus der Familie verstoßen wurde, zurückgeschickt zu ihrer Familie. Eine Katastrophe für Tamar in damaliger Zeit. Recht- und schutzlos war sie dadurch geworden. Doch Tamar weiß sich zu wehren. Sie verdingt sich als Zonàh, als Hure, und als Juda des Weges kommt, setzt sie sich in Positur. Juda kommt nicht an ihr vorbei. Sie verlangt ein Pfand von ihm: Siegelring, Richterschnur und Hirtenstab, die ganzen Insignien seiner Macht. Und, kaum zu glauben: Er gibt sie ihr, liefert sich aus. Tamar, die sich nicht zu erkennen gab, wird schwanger. Ein weiteres „geht gar nicht“ in ihrem Leben. Juda hört, dass seine Schwiegertochter schwanger ist und will sie zur Rechenschaft ziehen. Tamar zieht ihren Trumpf aus der Tasche: Siegelring, Richterschnur und Hirtenstab. Juda sieht sein hässliches Gesicht im Spiegel. Er lenkt ein: „Lasst sie. Wahrlich , sie ist eine Gerechte! Sie ist im Recht gegen mich.“ Sie ist schön, so nimmt er sie zur Frau und hilft ihr aus der Not, in die er sich gleich doppelt gebracht hat (1. Mose 38)

Alle vier Geschichten sind Geschichten der Bewegung, der Umkehr von Unrecht in Recht: Juda und David sehen ihr Unrecht an den Frauen ein, sie bereuen und kehren um zu den Frauen und damit zu Gott. Noemi, Rut und Rachab brechen auf im Vertrauen auf Gott. Für alle ist ein Weg zu Ende und fängt ein neuer an. Der Weg ist steinig, Unglück, Not, Angst und Bedrängnis säumen die Wegränder. Es kommen aber alle an. Keine der Frauen gibt auf. Gott ist ihnen Stecken und Stab, der einzige, auf den sie sich wirklich verlassen können.

Das Verwunderliche ist, dass aus so viel Not, Elend, Vergehen und Sünde Menschen hervorgegangen sind, die zu Jesus hinführen. Zu demjenigen, der allein ohne Sünde ist. Das ist eine starke Botschaft, die uns heute auch noch betrifft, eine Botschaft, die klärt.

Genau deshalb stehen die Frauen bei Matthäus in Jesu Stammbaum. Jesus ist körperlich aus einer Frau hervorgegangen. Frauen haben ihren Platz bei Gott und er sorgt für sie, in allem Unglück. Die Zahl vier meint in der biblischen Zahlensymbolik die Vollständigkeit der Schöpfung. Nur mit Männern und Frauen ist die Schöpfung vollkommen, wenn auch nicht vollkommen nach Gottes Recht. Vollkommene unvollkommene Schöpfung, eine ewige Dialektik. Genau das zeigen uns die vier Geschichten.

Wie unvollkommen wir auch sind, sofern wir ehrlich unsere Vergehen vor Gott bekennen, solange wir umkehren, solange wir uns wieder dem anderen zukehren können, bei allem Unrecht, das zwischen Mann und Frau geschehen kann, wie die Geschichten zeigen, solange verzeiht Gott und nimmt uns bei der Hand. Die Geschichten dieser Frauen zeigen, menschliches Leben hat oft mit Grenzverletzungen und Grenzüberschreitungen zu tun, ist oft grenzwertig. Opfer sind wir alle, unserer selbst und des anderen. Und das Wunderbare daran ist: Es kommt trotz allem immer neues Leben hervor. Das Leben siegt. Gerade deshalb stehen hierfür auch diese Frauen in Jesu Stammbaum.

Lieber Luther, das tröstet ungemein. Wenn ich all diese Prüfungen sehe, die diese Frauen – und in ihrem Gefolge auch die mit ihnen verbundenen Männer – über sich ergehen lassen mussten, wenn ich sehe, wie sie immer wieder die Kraft gefunden haben, aufzustehen und weiterzugehen, dann färbt etwas von ihrer Kraft auch auf mich ab. Über Jahre sind sie weitergegangen, auch wenn es geschmerzt hat, auch wenn sie zwischendurch gefallen sind, im festen Vertrauen auf Gott. Gott ist mit den Sündern. Gott gibt den Sündern Kraft, Einsicht und Wegweisung. Manchmal ist dazu auch – oder gerade – eine Grenzüberschreitung notwendig. Aufmachen und umkehren müssen immer alle Beteiligten, auch das zeigen diese Geschichten.
Passt irgendwie zur Losung heute. Muss in der Luft liegen.

In diesem Sinne,
Herzliche Grüße

Deborrah

PS: Das Buch, das mir den Impuls gab: Elsbeth Weymann: Grenz-Gängerinnen. Die Frauen im Stammbaum Jesu. Urachhaus. 2007

Hassen – Perspektivwechsel

Lieber Luther,

heute ist der 5.Sonntag nach Trinitatis. Nichts besonderes. Gottesdienstalltag in der Kirche, möchte man meinen. Und doch war es heute nicht so, der Predigttext eine Herausforderung: Lukas 14, 25-33. Man muss jedoch den ganzen Abschnitt lesen, da er zusammengehört und eine eindeutige Botschaft enthält. Ich kann ihn hier nicht ganz wiedergeben, du kannst ihn selbst nachlesen. (Lk 14, 25-35)

Die Pastorin hat ihn in 3 Teile geteilt und keinen Zusammenhang gefunden. Sie hat sich sehr schwer getan mit dem Teil: „So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14, 26). Wie soll man das auch auffassen, als Mutter, Familienmensch? Guter Gott, was mutest du uns da wieder zu? Das kann doch nicht dein Ernst sein? Weiterlesen „Hassen – Perspektivwechsel“

Mensch, vergiss es ja nicht

Er hat für die Übeltäter gebeten. 
Jesaja 53,12
Und er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen,
und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich.
Er hatte keine Gestalt und keine Pracht;
und als wir ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, dass wir seiner begehrt hätten.
Er war verachtet und verlassen von den Menschen,
ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut,
und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt;
er war verachtet,
und wir haben ihn für nichts geachtet.
Um unserer Übertretungen willen war er verwundet,
um unserer Missetaten willen zerschlagen.
Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm,
und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.
Wir alle irrten umher wie Schafe,
wir wandten uns ein jeder auf seinen Weg;
und Jahwe hat ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.
Er wurde misshandelt, aber er beugte sich
und tat seinen Mund nicht auf,
gleich dem Lamme, welches zur Schlachtung geführt wird,
und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern;
Er aber hat die Sünde vieler getragen
und für die Übertreter Fürbitte getan.
(aus Jesaja 53)
Trotz alledem, für uns.
Mensch, vergiss es ja nicht.

Guter Onkel

Ich bin, ehe denn ein Tag war, und niemand ist da, der aus meiner Hand erretten kann. Ich wirke; wer will’s wenden?
Jesaja 43,13

Ich wirke.
Ja.
Aber kaum einer glaubt es.
Kaum einer akzeptiert es.

Wer will’s wenden?
Wer kann aus deiner Hand erretten?
Niemand.

Aber es wird nicht als dein Wirken erkannt.
Entgegen allem was in der Bibel steht.
Man hebt dich gern in den Himmel,
dabei bist du mitten unter uns.

Man hat dich lieber als guten Onkel
nach unserem Willen, Gutdünken und Maßstäben,
denn als Gott nach deinem Recht und Willen

Wir denken dich als guten Gott dort und
alles Schlechte auf Erden ist der Mensch hier,
aber nicht du.

Nach wessen Willen wurde dein Volk nach Ägypten verschleppt
und in die babylonische Gefangenschaft geführt?
Nach wessen Willen musste Jesus sterben?

Wo bist du, wenn nicht im Menschen hier?
Wo willst du wirken, wenn nicht im Alltäglichen hier?
Wer will dein Wirken nach dem eigenen höchst beschränkten Maßstab beurteilen?

Demut vor dir ist die Stärke der Menschen nicht.
Ich danke dir für dein
Ich wirke, wer will’s wenden.

Nachösterlicher Appetithappen

Lieber Luther,
ich hatte dich ja schon gefragt, wo wohl Jesus am Karsamstag war. Eine vergleichbare Frage stellt sich für die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt. Er scheint irgendwie da und doch verschwunden.
Angeregt zu diesem Nachdenken wurde ich von meinem weisen Bruder. Er hat mich gefragt, während eines langen und schönen Spaziergangs. Ich konnte ihm so spontan nicht antworten und habe ihm eine Antwort versprochen, sobald die Zeit da ist, also jetzt. Es ist schon einige Monate her und seither denke ich darüber nach. Mal sehen, wie die Antwort ausfällt.
Liebe, Glaube, Vertrauen heißt der Dreiklang, mit dem eine Antwort auf die Frage zu finden ist, was Jesus zwischen Ostern und Himmelfahrt gemacht hat. Je nach Evangelium wird es etwas anders beschrieben.
Eins ist aber immer gleich: Es ist zwar fast unglaublich nach all der Zeit mit Jesus, aber den Jüngern fehlte es an Glauben. Nicht erst seit Jesus physisch gestorben war, auch schon vorher. Jesus hat das immer beklagt und auch versucht, seine Jünger darauf vorzubereiten, dass sie nun bald ohne seine körperliche Präsenz auskommen müssten. Es hat leider nicht gefruchtet.
Es ist kein Zufall, dass der Auferstandene und die Botschaft von der Auferstehung zuerst Frauen erreichte (Luk 24,1ff; Joh 20, 1ff), die Botschaft erreichte das Herz der Frauen, sie zogen nicht in Zweifel was sie hörten: „Und sie gedachten an seine Worte“ (Luk 24,8). Sie wussten etwas in ihrem Herzen, das kein Verstand kennt, sie liebten und vertrauten.
Also laufen die Frauen zu den Männern und bringen die Botschaft von Jesu Auferstehung. „Und es deuchten sie ihre Worte eben, als wären’s Märlein, und sie glaubten ihnen nicht.“ (Luk 24, 11). Petrus, der immer forsche, wunderte sich. Mehr nicht (Luk 24, 12; Joh 20, 6). Und bei Markus (16, 11) steht: „Und diese, da sie hörten, dass er lebte und wäre ihr erschienen, glaubten sie nicht“. Eine Ausnahme gibt es, der Jünger, den Jesus liebhatte, Johannes, er sah in das Grab hinein, sah auch dass es leer war und „glaubte es“ (Joh 20, 8). Johannes hat auch mit dem Herzen gesehen und deshalb geglaubt.
Die Männer in seiner Jüngerschar waren ein schwerer Brocken für Jesus. Ausgerechnet denjenigen, die sein Wort weitertragen sollten, mangelte es an Glauben. Wie sollten sie da auf andere überzeugend wirken? Jesus wusste es schon vorher. Deshalb musste er noch ein kleines Weilchen bleiben. Die Männer glaubten mit dem Verstand. Was sie sahen, glaubten sie, was sie nicht sahen glaubten sie nicht.
Im Johannesevangelium steht: „sie wussten die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste“ (Joh 20, 9). Besser müsste es heißen, sie verstanden die Schrift noch nicht, denn Jesus hat ihnen vor seinem Tod nichts als die Schrift ausgelegt. Aber das ist nicht das Kernproblem und trifft den Punkt nicht wirklich.
Das Problem Jesu mit den Jüngern war der Glaube und Jesus sagte es ihnen auch auf dem Weg nach Emmaus, wie so oft in seiner direkten, schonungslosen Art: O ihr Toren mit euren trägen Herzen, wieso glaubt ihr nicht, was bei den Propheten geschrieben steht. Man hört ihn innerlich stöhnen: Wie oft habe ich euch gesagt, dass die Schrift erfüllt werden muss? Und noch einmal erklärte er es ihnen. Die Jünger hörten und hörten doch nicht, sie verstanden einfach nicht, was er sagte.
Jesus musste in der Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt bei den Jüngern den Glauben in ihrem Herzen stärken. Sie mussten lernen ohne ihn auszukommen. Er war nun schon gestorben, das heißt nicht mehr im irdenen Leben. Den Jüngern erschien er sozusagen noch häppchenweise, als Appetithappen, um ihnen klar zu machen: Alles was ich gesagt habe, ist wahr, aber ihr müsst es glauben, auch wenn ihr mich nicht mehr seht, wenn ich keine Wunder vor euren Augen mehr vollbringe. Dass ihr mich, bis ich endgültig zu meinem Vater aufsteige und euch endgültig aus den sichtbaren Augen gehe, nochmals sichtbar wahrnehmen könnt, ist ein Wunder das ich tue, um euch in den rechten Glauben zu bringen. Ihr braucht den Glauben im Herzen, damit ihr denen, denen ihr mein Wort weitertragen sollt, glaubwürdig erscheint.
Jesu sagt nicht umsonst, ihr habt „träge“ Herzen. Er will ihnen sagen, ihr müsst euer Herz bewegen, ihr müsst mich in eurem Herzen finden, nur dort werde ich zukünftig noch für euer inneres Auge sichtbar sein. So bewahrt mich in eurem Herzen und glaubt was ich euch verkündet habe.
Zur Bekräftigung isst Jesus mit ihnen Brot und Fisch, lässt sich quasi von ihnen bildlich aufessen, damit ihr Glaube endlich innerlich werde (Luk 24, 41ff oder Joh 21, 12ff). Er lässt sie seinen Leib aufessen mit Brot, damit der Glaube bei den Jüngern von außen nach innen kommt, physisch verinnerlicht wird, da Jesu leiblich sichtbar als Glaubensanker nicht mehr zur Verfügung stand. Jedes Abendmahl ist eine solche Erinnerung an das innerliche Vorhandensein Jesu in unseren Herzen. Erst durch diesen bildlichen Akt Jesu wurden „ihre Augen“ (Luk 24, 31) und ihr Verständnis (Luk 24, 45) geöffnet.
Zusammengefasst ist all dies in Jesu Standpauke an den ungläubigen Thomas: „Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20, 29).
Ohne diese Zeichen und diese nachösterliche Stärkung und Bekräftigung durch Jesus, wären die Jünger nicht in der Lage gewesen, Jesu Wort wirklich weiterzutragen. Zu ungläubig, zu wenig sehend, zu wenig verständig wären sie gewesen. Sie waren entmutigt, verloren, verängstigt. Sie verkrochen sich vor den Juden, anstatt dass sie in die Welt hinaustraten, um zu predigen (Joh 20, 19). Die Gottesherde hatte ihren sichtbaren Hirten verloren und war deshalb völlig konfus, ungläubig. Jesus musste sie erst wieder versammeln, ihre ängstlichen Herzen einsammeln und ihren Glauben in ihrem Herzen sammeln, auf dass sie fest und innerlich im Glauben werden, um ihrer Mission gewachsen zu sein.
Lieber Luther, ich glaube, das ist auch eine Botschaft an uns für die Nachosterzeit. Das große Fest der Auferstehung ist vorbei, das Schwere liegt vor uns: das Glauben. Aber haben wir immer die richtige Sammlung im Herzen, dass wir auf Gottes Wort dort auch hören, dem Glauben schenken, was wir dort hören und entsprechend handeln?
Vielleicht sollten wir die Zeit bis Himmelfahrt nutzen und auf unsere Sammlung im Herzen achten. Eine stillere Zeit, als ich eigentlich dachte. Die Herausforderung im Glauben ist nach Jesu Tod größer als vorher, als er noch Mensch war. Leiden wir nicht oft unter der Jüngerkrankheit? Jeder prüfe sich selbst, es gibt keinen anderen in diesem irdischen Leben, der das für einen tun kann. Ich wünsche dir viel innere Sammlung, die allen Anfechtungen widersteht,
Mit österlichen Grüßen
Deborrah

Wo bitte geht es in die Heilige Stadt?

Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. 
Jesaja 57,15
Ich, der HERR, bin erhöht und
wohne über dir in der heiligen Stadt,
wo ich einen Platz für dich bereitet habe.
Ich wache dort über dir,
ich warte dort auf dich.
Der Weg dorthin führt nur über den Glauben,
Wegweiser ist der Glaube, dass Jesus dort
In seinem Sterben für dich eingestanden ist.
In meine Stadt kommen,
diejenigen, die sich im Glauben demütigen lassen ohne nachzutragen, wie er.
diejenigen, die mir im Glauben nachfolgen, wie er.
diejenigen, die das Leid, das ich auf sie lege, im Glauben demütig tragen, wie er.
diejenigen, die mich im Glauben suchen, wie er.
diejenigen, die sich im Glaube zerschlagen lassen um meinetwillen, wie er
Für diejenigen hat Jesus die Gräber geöffnet,
das Siegel gebrochen und den
Weg in die Heilige Stadt frei gemacht.
Manchmal steht Jesus an eurer Tür und
will euch dorthin mitnehmen.
Aber
ihr erkennt ihn nicht,
habt Angst,
weist ihn ab,
schlagt ihm die Tür vor der Nase zu.
Er aber wird nicht aufhören,
immer wieder an eure Herzenstür zu klopfen.
Irgendwann werdet ihr ihn erkennen,
aufmachen und
ihn einlassen.
Dann ist Ostermorgen.

Wo ist Jesus am Karsamstag?

Lieber Luther,
Ich hatte dir ja schon geschrieben, dass die Karwoche eine Woche ist, die mich immer besonders schlaucht. Entschuldige bitte, wenn ich dich mit Briefen zudecke, wobei ich dir gar nicht so viele Briefe schreiben kann, wie ich eigentlich müsste, so viel spukt mir im Kopf herum.
Ich stelle dir heute eine Frage, über die du vielleicht auf den ersten Blick perplex bist. Was ist eigentlich am Karsamstag passiert? Wo war Jesus? Die Bibel gibt hierzu ohne weiteres Nachdenken keine offensichtliche Antwort. Predigten stehen ja am Karsamstag heutzutage nicht mehr auf dem Tagesplan, so kann man sich über die Frage hinwegschummeln und ich muss selbst eine Antwort finden.
Greifen wir das Matthäusevangelium auf. Die Antwort ergibt sich, indem wir uns in den Schmerz Jesu hineinfallen lassen, in die letzte Minute vor seinem körperlichen Tod.
Die Welt verfinsterte sich in dem Maße, indem sie sich in Jesus verfinsterte, das Erdenlicht sich aus ihm zurückzog. Sein körperliches Leben war zu Ende, gedemütigt, hilflos, zerschunden, nackt hing er am Kreuz, körperlich vollkommen ausgeliefert. Bevor sich der Mantel seines barmherzigen Vaters um ihn legte und ihn deckte, schrie er aus tiefster Seele: Eli,Eli, lama asabathani?
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Kein Erbarmen, keine Menschlichkeit unterm Kreuz? Mein Gott, mein Gott, graust es dir nicht vor deiner Schöpfung, deinem ungöttlichem Ebenbild, warum lieferst du mich so aus? Mein Gott, wieso? So hör mich doch, ich bin dein Sohn! Siehst du denn mein Leid nicht, hörst du nicht, wie meine Seele weint?
Der Schmerz über dieses Gericht und diesen göttlichen Ratschluss entriss seiner Seele das letzte Entsetzen über Gottes Schöpfung. Ein göttlicher Aufschrei, der die Welt und die Seelen derer, die noch nicht ganz abgestumpft waren, erbeben ließ. Ein Schrei, der die Welt in ihren Grundfesten erzittern ließ. Die Felsen zerrissen, die Gräber taten sich auf, „und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen.“ (Matth 27, 52). Nichts war mehr wie vorher.
Die bei Jesu Tod aus den Gräbern stiegen, waren diejenigen, die das Land der Verheißung nur aus der Ferne gesehen hatten, aber glaubten, dass sie nur Gäste und Fremdlinge auf der Erde sind. „Denn dieses solches sagen, geben zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen“ (Hebr 11, 13).
Jesu Schrei hat sie aus den Gräbern geweckt, denn mit Jesus war es nun möglich in die ersehnte Stadt der Verheißung zu gelangen, Jesus hat mit seinem Schrei das Siegel aufgebrochen, das Tor stand nun offen. „Darum schämt sich Gott ihrer nicht, zu heißen ihr Gott; denn er hat ihnen eine Stadt zubereitet“ (Hebr 11,16).
In diesen Worten liegt die ganze Tragik Gottes: Es gibt einen Teil seiner Schöpfung, der sein Wohlgefallen hat. Über den anderen Teil schämt er sich vor sich selber. Er schämt sich für seine eigene Schöpfung, er schämt sich wohl auch vor seinem Sohn. Seine aus dem Ruder gelaufene Schöpfung hat Jesu Leiden notwendig gemacht. Jesu scheitern und Ohnmacht war Gottes scheitern und Ohnmacht seiner tauben Schöpfung gegenüber.
Gott hat Jesu Schrei gehört. Er hat alles zusammenfallen lassen, was nicht in seine Stadt gehört. Er hat „mir ein Rohr gegeben, einem Stecken gleich“ und sprach, stehe auf und miß den Tempel Gottes und den Altar und die darin anbeten“ (Offenb 11,1). Das Maß war der Stecken des Kreuzes. Der Vorhang des Tempels zerteilte sich. Auf der einen Seite waren und sind diejenigen, die sich unter und hinter dem Stecken versammelten, auf der anderen Seite waren und sind diejenigen, die Gott nicht zu seinem Volk zählte und zählt.
Diejenigen aber, die auf der Nichtglaubensseite waren, und die auf hohle Felsen bauten, deren Fundamente zerrissen in tausend Teile. Um insbesondere diese zu retten, ist Jesus gekommen. Er ist zur Rettung der Schöpfung gesandt, nicht zu deren Vernichtung. Gott will seine gesamte Schöpfung retten, nicht nur einen Teil.
Und so sammelte Jesus die zerborstenen Teile in der Zeit zwischen seinem körperlichen Tod und seiner Auferstehung ein, nahm diese Sündenlast auf die Schulter, trug sie vor Gott und bat um Vergebung dieser Sündenlast. Der Heilland trug die zerborstene, die widerborstige Schöpfung nach Hause und machte sie damit heil.
Diejenigen Teile der Schöpfung, die er tragen musste, konnten selber nicht gehen. Sie waren blind, krank, Krüppel an Leib und Seele. Er versöhnte mit diesem Tun Gott wieder mit seiner eigenen Schöpfung. Jesus hat durch seinen Tod uns – all diejenigen, die jenseits des Glaubensvorhangs sind – die göttliche Vergebung erwirkt.
Erst nachdem er diese Last von den Menschen und vor Gott getragen hat, war die Welt versöhnt, konnte Gott verzeihen und uns wieder als Kinder annehmen. Jesus konnte erst auferstehen, als er sich von der menschlichen Sündenlast entlastet hatte. Mit diesem Sündenpaket auf der Schulter war eine Auferstehung nicht möglich.
Lieber Luther, das ist so etwas wie das Missing Link zwischen Tod und Auferstehung Jesu, aber ein für uns entscheidendes. An sich dachte ich, der Karsamstag sei ein furchtbarer, weil gottloser Tag, da Jesus tot und noch nicht auferstanden war. Aber ich muss jetzt feststellen, dass es ganz und gar nicht so ist, es ist das Gegenteil. Es ist der Tag, der uns entsündigt, an dem Jesus unsere Sünden für uns vor Gott trägt und sie dort endgültig für alle Zeit und Ewigkeit für uns ablädt.
Das ist der göttliche Sterbe-Akt Jesu hinter der Vergebung der Sünden. Damit dies möglich ist, ist Jesu Tod notwendig. Gott mag schon im Alten Testament keine Menschenopfer, schon gar nicht das seines Sohnes. Isaak musste auch nicht sterben. Jesus musste sterben, weil er nur sterbend unsere Sünden in einem einmaligen Akt vor Gott tragen und für sie einstehen konnte. Jesus musste sterben, damit unsere Sünden sterben können, um dies auch für uns zu ermöglichen. Jesus hat bei Gott einen Platz für unsere Sünden geschaffen.
Adam und Eva hat Gott wegen ihres Ungehorsams aus dem Paradies der Unschuld verwiesen. Mit Jesus hat er uns wieder das Tor geöffnet. Mit Jesus schließt sich der Kreis zur Schöpfungsgeschichte, Jesus entschuldet uns wieder und bringt uns wieder unschuldig zu Gott.
Heißt das, dass wir die Generalabsolution haben für alle Sünden, die wir getan haben und tun werden? Nein, das heißt es nicht. Solange wir auf der falschen Seite des Vorhangs stehen und nicht in einem willentlichen, bereuenden Akt im Leben oder im Sterben auf die richtige Seite wechseln, bleibt der Platz bei Gott für uns offen, aber unbesetzt.
Lieber Luther, da bleibt mir fast die Luft weg. Karsamstag, der bedrohliche Tag ohne Jesus, ist ein Tag voller Jesus. Salopp ausgedrückt erleichtert er sein Reisegepäck für die letzte Reise vor der Auferstehung, bevor er endgültig wieder ganz eins wird mit seinem Vater.
Gut, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe. Dennoch, verwundert bin ich schon über das Resultat, allerdings auch nicht das erste Mal. Damit ist mir auch schon klar, über was ich an Ostern nachdenken muss.
Danke für dein offenes Ohr und
herzliche Grüße
Deborrah

Stabat Mater – Marias Schmerz

Lieber Luther,

obwohl Marienverehrung ja nicht gerade evangelisch ist, sollte das Stabat Mater auch in der evangelischen Kirche einen Platz haben. Vielleicht kennst du es ja auch als alter Mönch. Es ist so um 1200/1300 entstanden, bevor die Kirchen sich teilten. Es ist sozusagen eine gemeinsame Wurzel.

Es sei allen Müttern und Vätern zugedacht, die ein Kind verloren haben, auch dir. Sie kennen den Seelenschmerz, den das verursacht und können mit Maria mitfühlen und mitweinen und umgekehrt. Der Schmerz findet im „Stabat Mater“ eine Heimat. Maria ist in diesem Schmerz unsere Schwester und eine Mutter, zu der wir unseren Schmerz tragen können. Sie weiß, von was wir reden, und sie weiß, wie bedürftig wir in unserem Schmerz sind – auch nach langer Zeit.

Stabat mater dolorosa
Iuxta crucem lacrimosa,
Dum pendebat filius.
Cuius animam gementem,
Contristatam et dolentem
Pertransivit gladius.

O quam tristis et afflicta
Fuit illa benedicta
Mater unigeniti!
Quae maerebat et dolebat,
Pia Mater, dum videbat
Nati poenas inclyti.

Quis est homo qui non fleret,
Matrem Christi si videret
In tanto supplicio?
Quis non posset contristari,
Piam matrem contemplari
Dolentem cum Filio?

Pro peccatis suae gentis
Vidit Iesum in tormentis
Et flagellis subditum.
Vidit suum dulcem natum
Morientem desolatum,
Dum emisit spiritum.

Eia mater, fons amoris,
Me sentire vim doloris
Fac, ut tecum lugeam.
Fac, ut ardeat cor meum
In amando Christum Deum,
Ut sibi complaceam.

Sancta mater, istud agas,
Crucifixi fige plagas
Cordi meo valide.
Tui nati vulnerati
Tam dignati pro me pati,
Poenas mecum divide!

Fac me vere tecum flere,
Crucifixo condolere,
Donec ego vixero.
Iuxta crucem tecum stare
Ac me tibi sociare
In planctu desidero.

Virgo virginum praeclara,
Mihi iam non sis amara:
Fac me tecum plangere.
Fac ut portem Christi mortem,
Passionis fac consortem,
Et plagas recolere.

Fac me plagis vulnerari,
Cruce hac inebriari
Et cruore Filii,
Flammis urar ne succensus,
Per te Virgo, sim defensus
In die iudicii.

Fac me cruce custodiri,
Morte Christi praemuniri,
Confoveri gratia.
Quando corpus morietur,
Fac ut animae donetur
Paradisi gloria.

Lieber Luther, ich glaube, auch der Schmerz über all das Geschehene, für das es keine Worte gibt, muss einen Ort haben, auch ihn muss man durchleben, ihn nicht abprallen, sondern durch einen durchfließen lassen. Das Wasser der Tränen dieses Schmerzes hat heilende Wirkung auf unsere Wunden, wenn auch Meere durchfließen müssen, bis die stärksten Schmerzen nachlassen.

Ohne dem Schmerz und dem Leid seine Zeit und seinen Raum zu geben, gleich zum Halleluja überzugehen, geht nicht. Jesus ist erst am 3.Tag auferstanden. Schmerz und Leid ist notwendig, um zum Ostermorgen zu gelangen. So halten wir diesen Schmerz aus in der Hoffnung, dass irgendwann der Ostermorgen kommt. Dass dieser kommt, sei ein Osterwunsch für all diejenigen, die es betrifft.

Hier geht es zum deutschen Text.

Gregorianisch und in Latein:

Karfreitaglich traurig grüßt dich
Deborrah

Christi Mutter stand mit Schmerzen

Es ist vollbracht.

Zurück bleibt der Schmerz.
Lassen wir unsere Trauer zu.
Die Wunde bleibt,
über die Jahre schmerzt sie vielleicht weniger,
aber wird sie je ganz heilen?

Christi Mutter stand mit Schmerzen
bei dem Kreuz und weint von Herzen,
als ihr lieber Sohn da hing.
Durch die Seele voller Trauer,
schneidend unter Todesschauer,
jetzt das Schwert des Leidens ging.

Welch ein Schmerz der Auserkornen,
da sie sah den Eingebornen,
wie er mit dem Tode rang.
Angst und Jammer, Qual und Bangen,
alles Leid hielt sie umfangen,
das nur je ein Herz durchdrang.

Ist ein Mensch auf aller Erden,
der nicht muss erweichet werden,
wenn er Christi Mutter denkt,
wie sie, ganz von Weh zerschlagen,
bleich da steht, ohn alles Klagen,
nur ins Leid des Sohns versenkt?

Ach, für seiner Brüder Schulden
sah sie ihn die Marter dulden,
Geißeln, Dornen, Spott und Hohn;
sah ihn trostlos und verlassen
an dem blutgen Kreuz erblassen,
ihren lieben einzgen Sohn.

O du Mutter, Brunn der Liebe,
mich erfüll mit gleichem Triebe,
dass ich fühl die Schmerzen dein;
dass mein Herz, im Leid entzündet,
sich mit deiner Lieb verbindet,
um zu lieben Gott allein.

Drücke deines Sohnes Wunden,
so wie du sie selbst empfunden,
heilge Mutter, in mein Herz!
Dass ich weiß, was ich verschuldet,
was dein Sohn für mich erduldet,
gib mir Teil an seinem Schmerz!

Lass mich wahrhaft mit dir weinen,
mich mit Christi Leid vereinen,
so lang mir das Leben währt!
An dem Kreuz mit dir zu stehen,
unverwandt hinaufzusehen,
ist’s, wonach mein Herz begehrt.

O du Jungfrau der Jungfrauen,
woll auf mich in Liebe schauen,
dass ich teile deinen Schmerz,
dass ich Christi Tod und Leiden,
Marter, Angst und bittres Scheiden
fühle wie dein Mutterherz!

Alle Wunden, ihm geschlagen,
Schmach und Kreuz mit ihm zu tragen,
das sei fortan mein Gewinn!
Dass mein Herz, von Lieb entzündet,
Gnade im Gerichte findet,
sei du meine Schützerin!

Mach, dass mich sein Kreuz bewache,
dass sein Tod mich selig mache,
mich erwärm sein Gnadenlicht,
dass die Seel sich mög erheben
frei zu Gott in ewgem Leben,
wann mein sterbend Auge bricht!

Stabat Mater – lateinischer Text

Von der Einsamkeit Jesu

Lieber Luther,
fast würde ich sagen: bald ist es soweit. Die Bedrohung, die Jesus verspürt hat, als er wusste, dass seine Zeit nun da ist, ist bis heute zu spüren. Sie bedroht uns noch heute, ist – wie alles was einmal war – heute noch in Raum und Zeit.
Ich weiß schon lange, was mich heute bedrängt und deshalb schreibe ich dir, um mir meine Bedrängung von der Seele zu schreiben. Es geht um die unendliche Einsamkeit Jesu in den Tagen als ihn seine engsten Begleiter verließen und seine Häscher näher kamen.
Wie unendlich allein muss er sich gefühlt haben?
Wie sehr muss ihn das, was auf ihn zukommt, bedrängt haben?
Wie sehr muss er sich einen Menschen gewünscht haben, der seine Angst mitträgt?
Wo waren seine Jünger und Jüngerinnen?
Wo war seine Mutter?
Wo waren sie alle?
Sie waren alle da und doch nicht da, haben geschlafen, haben weder gesehen noch gehört. Alle waren mit sich selbst mehr beschäftigt, als mit ihrem Nächsten. Er aß mit ihnen das Osterlamm und sie begriffen nicht, was sie aßen. Wachet und betet, betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt, aber sie hörten ihn nicht und verstanden ihn noch weniger.
In seiner Not suchte er die Einsamkeit, um mit dem zu reden, der ihn allein in seiner großen Not hörte. Seine Angst war aber so groß, dass er fast irre daran wurde, „Und es kam, dass er mit dem Tode rang und betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde“ (Luk 22,44).
Er hat angesichts der menschlichen Bösheit Blut und Wasser geschwitzt. Das sollten wir in der Klarheit, wie es da steht, auch aushalten. Auch dass Mensch Mensch völlig allein gelassen hat. Sie hingen an seinen Lippen, aber seine Bedürfnisse als Mensch erkannten sie nicht. Das geht auch uns heute noch an.
Jesus rang „mit dem Tod“ und betete gegen ihn an. Sein Blut drängt hier schon die Erde. Bevor er physisch sein Blut vergießt, vergießt er es seelisch. Und Gott schickte einen Engel, der ihn stärkte. Er löste das eiserne Band der Angst, das seine Brust so einschnürte, dass er dachte zu ersticken. Der seelische Schmerz, den er verspürte, war mindestens so stark wie der physische später. Seelenschmerz kam vor körperlichem Schmerz. Jetzt war er bereit, den letzten Weg zu gehen. Gott gab ihm Stärke und Kraft. Seine Seele war vorbereitet.
Ab jetzt lief alles zwangsläufig und wie in einem Tunnel für ihn ab. Das Drehbuch hatte er schon im Kopf, nichts war überraschend.
Was kann uns trösten, uns helfen den Schmerz über das menschliche Alleinlassen Jesu, über das menschliche Versagen in der Anfechtung, angesichts der weltlichen Macht, angesichts der Not und des Elends des einzelnen, zu ertragen? Dieser Schmerz ist heute noch in der Welt, denn der Mensch hat sich in der Beziehung nicht gebessert.
Gott hat Jesus bereits seine Corona aufgesetzt, bevor er zur Schlachtbank ging, hat ihm zum König der Welt gemacht, bevor es auf sein Kreuz geschrieben wurde. Dies gab ihm die Kraft und die Würde, das was kam, wie ein König zu tragen. Die ihm so verliehene göttlichen Aura schützte ihn, so dass er die Welt, seine Jünger, seinen Verräter, seine Schergen, seine Richter, seine Verspötter, seine Mörder schon in der Halbdistanz zu seinem Vater wahrnahm.
Deshalb konnte er alles tragen wie ein Lamm, war stumm wie ein Lamm. Sein Vater war sein Hirte und hatte ihn auf die Schulter genommen. So konnte er sich verlassen, dass er nicht verlassen war, so konnte er das Leben loslassen und uns auf seine Schultern nehmen.
Oder mit dem Johannesevangelium (Joh 17,4): Gott hat ihn verklärt. Das heißt nichts anderes. Jesus war sich seines Vaters sicher. Das hat er in der äußersten Bedrängnis in Klarheit erkannt. Das hat in ihm die innere Bedrängnis geklärt. Das hat ihm – trotz dessen, was auf ihn zukam – den Blick von sich weg, wieder auf seine Jünger, auf uns, gewendet. Deshalb konnte er jetzt für uns anstatt für sich beten.
Die Einsamkeit war von ihm genommen und er war bereit seine Verantwortung als Gottessohn zu tragen, uns als Lamm auf seine Schultern zu nehmen. Jesus wird zu unserem hellwachen Hirten, während wir schlafen. Indem er seine Angst vor und sein Vertrauen in seinen Vater legt, wird er uns zum Vater.
Was schlaft ihr, wacht auf, betet, dass ihr nicht in Anfechtung verfallt. Eigentlich müsste dieses „betet“ bei uns in den Ohren klingeln, jedoch, wir sind bis heute taub, schlafen bis heute unseren Schlaf und lassen ihn bis heute allein.
Wir müssen eigentlich nur tun, was er uns gesagt hat, in sein Gebet einschwingen, damit wir zu seiner Klarheit aufschwingen. Das meint er, wenn er sagt er verklärt seine Jünger und damit in ihrer Nachfolge uns. Wir müssen aber geistig wach genug sein, damit wir bereit sind.
Mit körperlicher Wachheit hat das nichts zu tun. Einmaliges eine Nacht durchzuwachen hilft da rein gar nichts, ist frömmeln, wenn man geistig schläft und nicht den Rest des Jahres wach ist. Die Anfechtungen sind eine tägliche Bedrohung und Herausforderung. Wollen wir Jesus nicht wieder allein lassen, müssen wir immer wach sein.
Das hat übrigens Jesus schon im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen zu vermitteln versucht (Matth 25,1-13): Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Indem mir dieses Geschehens klar wird, schwingt mein Inneres um, von einem tiefen Schmerz und Mitleid mit Jesus und den überforderten Menschen, in tiefe Dankbarkeit.
Lieber Luther, es hat mir gut getan, das mit dir zu durchdenken. Lass uns doch anstimmen:
Wenn wir an andern schuldig werden und
Keiner unser Freund mehr ist,
wenn alles uns verklagt auf Erden,
dann sprich für uns,
Herr Jesu Christ
(aus: Seht hin er ist allein im Garten, ev. Gesangbuch, Nr.95, von Friedrich Walz)
Herzliche Grüße
Deborrah

Fromm und Frömmeln

Lieber Luther,

wir sind in der Karwoche. Es gibt Zeiten, da spürt man den, der uns trägt, mehr als in anderen Zeiten. Ich nenne sie „heilige Zeiten“. Alles in mir ist aufgeregt, ohne einen äußeren Grund zu haben. Es liegt etwas in der Luft, das ich verstandesmäßig nicht fassen kann und trotzdem ist es etwas Anfassbares.

Heute, und eigentlich schon länger, beschäftigt mich das Wort „fromm“. Ganze Bücher sind darüber geschrieben, „wild und fromm“. Ich kann nichts mit „fromm“ anfangen, es klingt nichts in mir auf, absolut nichts. Das hat mich schon mal betroffen gemacht. Habe ich da etwas nicht begriffen, fehlt mir da etwas? Was ist „fromm“? Kann man an „fromm“, obwohl es häufig in kirchlicher Sprache auftaucht, einfach vorbeigehen und „fromm“ nicht beachten.

Jetzt ist es mir im Sinne von „frömmeln“ begegnet. Das bewegt mich nun doch. „Frömmele“ ich und weiß es gar nicht? Weiterlesen „Fromm und Frömmeln“