„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“.
Und wenn die Frucht reif ist, ist Erntezeit. Vor dem Ernten aber steht das Säen und Wachsen.
Das Ur-Korn, die Ur-Saat, tragen wir in uns. Der göttliche Keimling kann wachsen, wenn wir bereit sind, die Hülle unserer Oberflächlichkeit und unserer oberflächlichen Empfindlichkeit gehen – ersterben – zu lassen.
Wir denken – bewusst oder unbewusst – die Hülle schütze uns, deshalb halten wir sie fest. Tatsächlich verhindert sie, dass wir wachsen können, sie beengt uns, sie schließt uns ein und gleichzeitig aus.
Wenn wir die Hülle sich aufweichen, auflösen lassen, Licht und Wärme an den Keim heranlassen, ihn mit genügend Nährstoffen versorgen, kann er wachsen, gedeihen und schließlich reifen.
Wachsen und Reifen braucht Zeit und eine Umgebung, die Wachsen zulässt. Die kärglichste äußere Umgebung kann wachsen lassen.
Ein Weizenkorn keimt in der Erde, umgeben von Dunkelheit. Und dennoch keimt es, die äußere Dunkelheit kann es nicht verhindern, im Gegenteil, sie fördert es. Der Keim wächst aus der Dunkelheit ins Licht.
So können wir auch unserer Dunkelheit entwachsen, jeder für sich erwachsen werden. Doch wir müssen dem Keim die innere Umgebung schaffen und schaffen wollen, dass er wachsen kann. Wir müssen erwachen zum Wachsen, erwachsen werden wollen. Damit der Trieb wächst, bedarf es eigenen Antriebs. Wir müssen uns bewegen.
Irgendwann ist es soweit und wir sind bereit. Frühlingserwachen. Wir lassen die äußeren Hüllen los, fangen an zu wachsen und tragen Frucht, früher oder später, unabhängig von der menschlich physischen Jahreszeit, jeder nach seiner Art und in seinem Tempo.
Wenn die Frucht reif ist, können wir Frucht zu Frucht werden lassen:
Wir können sie einlagern für kalte Zeiten,
Wir können Nahrung daraus machen,
Wir können sie verschenken.
Wir können sie wieder zu Saatgut machen,
für andere oder für uns selbst.
Was wir daraus machen, liegt an und in uns.
Wie viel wir für uns selbst behalten und
wie viel wir wann und an wen verschenken,
ist unsere Entscheidung, die nimmt uns niemand ab.
Unserer Aufmerksamkeit und unserem Vermögen sind menschliche Grenzen gesetzt. So vermögen wir nicht, die gesamte Frucht einer fruchtbaren Bestimmung zuzuführen.
Aber in Notzeiten können wir vom Vorrat, den wir angesammelt haben, zehren. Mit dem Teil, den wir als Saatgut für uns selber verwenden, können wir wieder wachsen und neue Frucht tragen.
Auf diese Weise ist jedes Ende eines Wachstumszyklus der Anfang eines neuen. Wir fallen wieder zurück in die Dunkelheit und beginnen von neuem, der Dunkelheit wieder zu entwachsen.
So ist das Leben ein Säen, Wachsen und Ernten.
Irgendwann ist zum letzten Mal Erntezeit. Die Frucht fällt aus der Ähre. Ein Anderer erntet.
Dann verliert das Weizenkorn die äußere Form und ist wieder Ur-Korn.
Dann ist wahrer Erntedank.

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