1. Gott ist gegenwärtig, jeden Augenblick. Wir sehen und hören ihn nicht, weil wir es verlernt haben.
2. Der Lärm unserer multimedialen Welt übertönt den Klang unserer inneren göttlichen Stimme.
3. Wir fallen auf unsere eigene Reklame herein.
4. Die warme Glanz wahrer innerer und äußerer Schönheit wird vom effektvollen digitalen Scheinwerferlicht überblendet.
5. Das ist entgegen unserer wahren Natur, entgegen unserem innersten göttlichen Kern.
6. Wir sind selbst der größte Verhinderer unseres eigenen Friedens.
7. Wenn jeder für sich Frieden findet und hält, leistet er den größten Beitrag zum Frieden in der Welt.
8. Jeder kann lernen, den Klang seiner inneren Stimme wieder zu hören, sofern er es will.
9. Jeder kann lernen, wieder mit seinem inneren Auge zu sehen, sofern er es will.
10. Jeder kann lernen, wieder auf seine Intuition zu vertrauen, sofern er es will.
11. Jeder kann lernen, wieder sein Herz zu spüren, sofern er es will.
12. Jeder kann lernen, Gottes Gegenwart wieder zu erfahren, sofern er es will.
13. Jeder muss diesen Weg des inneren und äußeren Lernens für sich alleine gehen.
14. Er erfordert Geduld, es ist ein langer, leidvoller und dorniger Weg.
15. Innere Erkenntnis erfordert äußerliches Handeln.
16. Man muss bereit sein, sich den inneren Abgründen und Ängsten zu stellen und
17. alles Geröll und allen Schutt, der einem entgegenkommt, eigenhändig wegräumen.
18. Denkt man, man sei fertig, kommen einem schon neue Schlammlawinen entgegen.
19. Der Weg kann durch tiefe Täler und Wüsten gehen.
20. Wie leidvoll es auch ist, jeder Schritt führt zu einer inneren Reinigung und Klärung.
21. Man darf sich von Rückschlägen nicht abhalten lassen, den Weg weiter zu gehen.
22. So lernt man sein Ego zu erkennen und sich ein Stück weit von seinen Begrenzungen zu befreien.
23. Tag für Tag eröffnet sich uns die göttliche Gegenwart einen Spalt mehr.
24. Man muss sich selbst vergeben, um Gottes Vergebung annehmen zu können.
25. Man begegnet auf dem Weg seiner eigenen Sterblichkeit.
26. Sterben verliert dabei seinen Schrecken.
27. Wir erkennen, dass es nur ein Ablegen der äußeren, körperlichen Hülle ist.
28. Unser nicht körperlicher Teil, unser innerer Kern, geht in die göttliche Herrlichkeit ein.
29. Er kehrt an den Ursprung zurück, von dem er kommt.
30. Vor dem Sterbetor legen wir unsere irdenen, materiellen, anhaftenden Rucksäcke ab.
31. Wir blicken auf unser irdisches Leben zurück und klären, was es noch zu klären gibt.
32. Wenn wir mit uns im Reinen und von Schuld erleichtert sind, sind wir bereit, und gehen durch das Tor.
33. Ein Engel kommt uns entgegen und führt uns sanft in unser neues, unbegrenztes Leben.
34. Wir werden wieder Teil der göttlichen Herrlichkeit.
35. Unser Leben vollendet sich damit in seinem göttlichen Urgrund.
36. A und O werden eins.
37. Sterben ist ein freudiges Ereignis, es entgrenzt uns von unser körperlichen, irdischen Begrenztheit.
38. Das ist die frohe Botschaft.
39. Wer auf das Nichts nach dem Sterben baut, baut auf Sand.
40. Wer den Schritt vom irdischen Leben in das göttliche Leben vorbereitet geht, geht ihn leichter.
41. Die Eigenschau bleibt keinem erspart.
42. Wer Frieden mit sich und seinem Nächsten schon im irdischen Leben sucht, dem bleibt der Schrecken erspart, wenn er im Sterben auf sich selber blickt.
43. Wer Christus schon im irdischen Leben sucht, dem kommt er schon im irdischen Leben entgegen, und begleitet ihn auf seinem Weg zu innerem und äußerem Frieden und Freiheit.
44. Uns Loskaufen von unseren Sünden können wir nicht.
45. Demut, Reue und Umkehr sind Teil dieser Rückbesinnung auf unseren göttlichen Kern.
46. Der Weg führt früher oder später in die innere Freiheit.
47. Ob wir das schon im irdischen Leben angehen, liegt in unserer Entscheidung.
48. Ein Wegbegleiter, der einem Zuspruch und Mut macht und hilft, wo wir Hilfe benötigen, erleichtert das Durchhalten.
49. Kirche ist ein geschützter, heiliger Raum, in dem eine solche Entwicklung möglich ist.
50. Wahre Kirche ist nicht institutionelle Kirche.
51. Wahre Kirche ist der Raum des Erfahrens der göttlichen Gegenwart.
52. Das kann auch institutionelle Kirche sein, muss es aber nicht.
53. In der Alltagswirklichkeit ist Amtskirche in der Regel nicht Kirche in diesem Sinn.
54. Institutionelle Kirche ist mehr Veranstaltungsort als ein Raum, in dem die göttliche Präsenz im Jetzt erfahren wird.
55. Gefangen in den Routinen und Verpflichtungen verliert sich der Geist im geistlichen Alltag.
56. Die Seelsorger sind mehr mit dem Management der kirchlichen Administration und Geldnot beschäftigt als mit Seelsorge, geschweige denn geistlicher Sorge.
57. Sie brennen aus, eingepfercht zwischen Aufgabenwachstum, Anspruchsdenken der Gemeindeglieder, Sparzwängen und Selbstanspruch.
58. Alkoholismus, Kindesmissbrauch, Burn Outs, Resignation: Ausprägungen des geistlichen Standes in heutiger Zeit.
59. Die Bevölkerung unter 50 flieht die Kirche, Männer sind fast nicht mehr existent.
60. Die Institution Kirche wird vor allem von den Frauen getragen und am Leben gehalten.
61. Kirchengemeinde ist im Alltag ein gewachsener Zirkel, der nach außen geschlossen wirkt, trotz aller vordergründiger Freundlichkeit, wie eine Eingangssperre.
62. Kirchengemeinde wirkt altmodisch und anachronistisch, wie aus einer lang vergangenen Welt.
63. Das wirkt auf vom Lebensalter oder geistig Junge abschreckend.
64. Man geht freundlich miteinander um, nur nicht anecken, Friede-Freude-Mentalität.
65. Das ist für viele zu langweilig, da gibt es Spannenderes. Wo ist da das Anziehende, Herausfordernde?
66. Verschiedene Wirklichkeiten stoßen sich gegenseitig ab.
67. Der kirchengemeindliche Alltagskörper kommt so alt daher wie seine aktiven Mitglieder,
68. merkwürdig uninspiriert und uninspirierend.
69. Kirchengemeinden meinen, sie müssen ein weiterer Freizeit-Organisations-Anbieter sein und denken, sie könnten damit verhindern, dass noch mehr Mitglieder davonlaufen.
70. Sie schaden sich damit mehr als dass sie sich nützen,
71. da dies nicht ihre Kernkompetenz ist und sie da nicht wirklich konkurrenzfähig sind.
72. Sie verlieren dabei ihren Kern, ihre Kernbotschaft, ihren Sinn als Kirche, das, was sie einzigartig macht, aus ihrem Fokus.
73. Sie haben nicht verstanden, dass ein großer Bedarf an Innerlichkeit, an Spiritualität, an Kirche im urkirchlichen Sinn auch bei jungen und jung Gebliebenen besteht,
74. dass sie darauf setzen müssen, da sie auf dem Gebiet, wenn sie sich recht besinnen, die Kompetenz und jahrtausendealte Erfahrung haben, die ihnen keiner streitig machen kann.
75. dass sie die Form ändern müssen, wollen sie im Lärm unserer schnellen und oberflächlichen Zeit noch gehört werden.
76. dass Stille und Nachdenklichkeit ihr Trumpf ist, nicht Veranstaltungsmanagement und Lärm.
77. Die vielen Menschen, die Sehnsucht nach mehr Innerlichkeit und innerer Lebendigkeit haben, erreichen die Kirchengemeinden nicht.
78. Sie laufen davon oder Schauen mit Grausen hin, um sich schnell wieder abzuwenden.
79. Das moderne Berufsleben lässt sich mit amtskirchlichen Dienstzeiten und altmodischen Kommunikationsmitteln nicht vereinbaren und schließt damit ganze Berufsgruppen von der Teilnahme am kirchengemeindlichen Leben aus.
80. Alles in allem schreckt das äußere Erscheinungsbild mehr ab als dass es einlädt.
81. Die Menschen, die Bedarf an geistlicher Auseinandersetzung haben, wenden sie Kommunikationsformen zu, denen ihre Bedürfnisse besser entsprechen.
82. Es entstehen neue Urkirchen, fern von Institutionen und Ämtern,
83. Workshops, Seminare, auch von kirchlichen Einrichtungen veranstaltet, Internetforen, Blogs: eine lebendige Gemeinde, die sich ernsthaft mit Göttlichem, in welcher Glaubensrichtung auch immer, auseinandersetzt.
84. Es bilden sich neue Gemeinden, abseits vom „Gesetz“. Schon Jesus hat sich gegen den Tempel gestellt.
85. Diese neuen Kirchen (im nicht institutionellen Sinn) sind Keimzellen, die dem Glauben zu neuer Lebendigkeit verhelfen.
86. Kirchliche Rollenträger braucht es da nicht.
87. Der modern Gläubige ist von kirchlicher Institution emanzipiert.
88. Er hat sich, seiner inneren Stimme folgend, selbst Bahn gebrochen und Formen von Urkirche gefunden, die seinen Lebensumständen und seinem Lebensgefühl entsprechen.
89. Gott sorgt dafür, dass sich seine Kirche verjüngt,
90. Der Glaube geht nicht unter.
91. Gott braucht den Menschen, er braucht aber nicht die Institution Kirche.
92. Sie ist Menschenwerk und wie alles Menschenwerk irgendwann dem Untergang geweiht.
93. Suchen wir Gott, so eilt er uns entgegen, in welcher Form auch immer wir ihn suchen. Mit Institution Kirche oder ohne. Das ist eine Gewissheit, auf die wir uns verlassen können.
94. Der Weg im Leben und im Sterben führt immer ins göttliche Leben:
95. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“
Monat: Oktober 2012
Lieber Luther
Lieber Luther,
heute ist 31.Oktober 2012. Was würdest du erwarten?
Gottesdienst heute?
Fehlanzeige.
Ein Abendmahl?
Das letzte war Anfang August?
Auch reklamieren hat nichts genutzt.
Fehlanzeige.
Am liebsten würde ich meinen zornigen Protest an die verschlossene Kirchentür meiner evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde nageln. Wie du vor fast 500 Jahren. Wie gut kann ich deinen Zorn verstehen.
So will ich die Zeit nutzen und mich allein mit dir auseinandersetzen. Studierstube anstatt Kirchgang. Vielleicht verraucht ja dabei auch mein Zorn.
Wie war das nochmal mit deinen 95 Thesen?
Du sprichst darin vom Umgang mit den eigenen Abgründen, mit der eigenen Sterblichkeit, vom Geblendet-sein vom Tand. von fremden Göttern, von Blendern, vom verheerenden Zustand der Institution Kirche, von der sittlich, geistlich und spirituellen Erosion der kirchlichen Rolleninhaber. Du stellst innere Schätze gegen äußere Werte und wetterst gegen den unsäglichen Umgang der Amtskirche mit Kritikern und Abweichlern. Du stemmst dich gegen den Zeitgeist, gegen billig erkaufte geistige Wellness.
Stattdessen forderst du, Christus auf dem dornen- und leidvollen Weg durch Tod und Hölle nachzufolgen. Welch ein Kontrastprogramm.
Das eckt an, da fühlen sich viele auf das Kirchenkleid getreten. Das hieße ja, die Komfortzone aufzugeben. Du hältst den Spiegel so hartnäckig vor, dass man nicht mehr wegschauen kann. Da hilft nur noch abwerten und ausgrenzen.
Du sprichst Klartext. Das Volk versteht deine direkte Sprache. Du triffst den Nerv der Zeit. Sie schikanieren dich, aber du lässt dich nicht bremsen.
Wie dringend würden wir dich heute brauchen. Einen, der die Menschen anspricht und den das Volk hört. Einen der aufrüttelt. Einen, der nicht mit dem Strom schwimmt.
Die institutionelle Kirche löst sich in Anpassung an den Zeitgeist selbst auf. Sie diskutieren tatsächlich, ob du die 95 Thesen wirklich angeschlagen hast. Als ob das eine Rolle spielen würde. Als ob das wichtig wäre. Als ob das einen Unterschied machen würde.
Was du geschrieben hast, stimmt heute noch. Kaum Veränderung in 500 Jahren. Veränderung in der Sprache, in der äußeren Ausprägung, aber nicht im Tenor.
Wie und wo würdest du heute deine Stimme erheben? Mit welchem Medium sprechen? Wie würdest du heute deine Thesen formulieren? Wohin würdest du die Aufmerksamkeit der Menschen lenken? Was würde deinen Zorn erwecken? Was würdest du brandmarken? Oder wärst du angepasst? Würdest du resignierend den Mund halten?
Das glaube ich bei deinem Temperament eher nicht. Ich habe deine 95 Thesen in den heutigen Zeitgeist transponiert. Hier der Link. Über deine Stellungnahme würde ich mich freuen.
Herzlich Deine
Deborrah

Feenhände
Schweigen
Morgenglühen
Vulkanausbruch
Manche Dinge sind nicht aufzuhalten. Sie brechen mit Urgewalt aus einem heraus. Sie fließen ohne großes Zutun aus dem Innersten, ohne dass man zögert. Die Finger fliegen über die Tasten. Man schreibt in absoluter Übereinstimmung. Hin und wieder kurzes innehalten, nach innen hören. Hier braucht es noch eine kleine Korrektur und da stimmt ein Wort noch nicht ganz. Man weiß genau, was da heraus will, ohne es eigentlich zu wissen. Es steht schon in einem geschrieben.
Den Adrenalinschub, den dieser Vulkanausbruch verursacht, spürt man noch Tage.
Wenn das Nachbeben verhallt ist, herrscht erfüllte Leere und Erleichterung. Was schon lange nach außen gedrängt hat, ist endlich draußen.
Wie bei einer Geburt.

Plädoyer für Martha
Darf oder muss der Mensch sich Sorgen machen um seinen Nächsten? Oder lässt er alles fahren? Gott sorgt ja für einen? Er wird schon den Strick, an dem der andere mit schon blau angelaufener Zunge hängt, durchschneiden. Hauptsache ich sorge für mich. Martha oder Maria?
Martha würde sofort zur Hilfe eilen.
Dennoch hat sie schlechte Karten.
Sie wird abgekanzelt.
Sie ist die Geringere.
Sie ist zu irden.
Sie steht zu sehr mit beiden Beinen im Leben.
Sie ist keine Tagträumerin.
Sie nimmt die Verantwortung für den Nächsten.
Sie reagiert weiblich mütterlich.
Sie handelt reif.
Aber:
Sie schneidet im allgemein (männlichen) Urteil in ihrem Handeln für den Nächsten schlecht ab.
Maria hat den „guten Teil“.
Sie himmelt an,
ist Frauen-Seelchen –
im wahrsten Sinne des Wortes.
Das schmeichelt.
Das tut Männerseelen gut.
Den historischen wie den heutigen.
Ohne Martha könnte die Männerschar sehen, wo sie die Nacht über bleibt. Die hungrigen Mägen würden hungrig bleiben. Würde Manna vom Himmel fallen? Was tun, wenn kein Manna vom Himmel fällt? Nur vom Anhimmeln leben? Wunder passieren nicht jeden Tag.
Das wird hart, Ihr Männer.
Martha, Martha, nimm es gelassen. Sie haben es nicht verstanden:
„eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt“.
Heißt: Eins-Sein tut Not, jungfräuliche Seele bewahren und reife Frucht bringen. Maria ist der eine Teil, Martha der andere. Nur zusammen sind sie eins. Für die Seele zu sorgen, ist ein Teil. Die Seele im göttlichen Grund ist per se das „Gute“. Aber
ohne irdenes Gefäß,
ohne fruchtbringendes Handeln,
ohne weibliches Gebären im Körperlichen,
ohne Tun für den Nächsten,
verhungert die Seele, bliebe sie allein, unvollendet. Weil dies so ist, hat Gott die Welt geschaffen. Ohne diesen anderen Teil würde das Ganze seinen immanenten Sinn verfehlen, wäre es nicht eins. Aber es ist der fleischlich, irdene Teil, der nicht göttliche, der sündhafte, der der fehlen kann. Deshalb hat Maria das gute Teil gewählt.
Martha steht für die reife Frau. Sie nimmt nicht alles hin, sie hinterfragt. Sie sagt nicht, obwohl sie das Kraft ihrer Stellung könnte, „Maria, geh in die Küche“, sie lässt Maria gewähren. Sie fordert Jesus heraus, indem sie provozierend fragt. „Willst du nicht …“. Die vordergründige Antwort hat sie sicher schon vorher gewusst, und trotzdem hat sie ihn gefragt, weil sie die Begründung gereizt hat. Und sie versteht sie. Da gibt es nichts zu widersprechen.
Martha ist es, die nach Lazarus Tod Jesus entgegeneilt. Sie weiß was zu tun ist. Sie weiß, wer helfen kann. Daraus entwickelt sich der faszinierendste Dialog, den Jesus in der Bibel mit einer Frau führt.
Da sprach Martha zu Jesus: Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben! Aber auch jetzt weiß ich, was immer du von Gott erbitten wirst, das wird Gott dir geben. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder soll auferstehen! Martha spricht zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll. (Joh 11, 22-28)
Martha glaubt ohne Wenn und Aber. Das, was Maria noch lernen musste, war für Martha längst ein „Wissen“. Sie sieht Jesus bereits als den Christus, felsenfest, ohne Zögern, ohne Wanken, reif. Sie ist darin das weibliche Pendant zu Petrus, sie ist Petrusin. Weit herausragend, tief verkannt.
Nein Martha, lass die nicht irritieren, schneide den Strick um den Hals deines Nächsten durch, lass ihn nicht ersticken.

„Ich weiß … „
Suscipe
Nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit.
Nimm mein Gedächtnis, meinen Verstand,
meinen ganzen Willen.Was ich habe und besitze
hast du mir geschenkt.
Ich stelle es dir wieder ganz und gar zurück
und übergebe alles dir,
dass du es lenkst nach deinem Willen.Nur deine Liebe schenke mir mit deiner Gnade,
und ich bin reich genug
und suche nichts weiter.
(Ignatius von Loyola)
Macht mich das frei von menschlicher Sorge?
Von Menschen, die sich um mich sorgen?
Von Verantwortung für mich selbst?
Ermächtigt mich das zum „Ich brauche deine Sorge nicht?“
Nein, das ist arrogant.
Gottes Liebe wirkt im sozialen Geflecht, im Umgang miteinander, im Geben und Nehmen. Sie ist keine egoistische, selbstverliebte, auf sich selbst bezogene Veranstaltung.
Ganz im Gegenteil. Sie überantwortet eine ganz besondere Sorgfalt im Umgang mit anderen in unsere Verantwortung. Gottes Liebe begegnet uns am direktesten in unserem Handeln für andere, in der Sorge um den anderen.
Das „dass du lenkest nach deinem Willen“ bedarf, solange wir Mensch sind, des Verstehens, was immer eine menschliche Interpretation ist. Göttlicher Wille bedarf des menschlichen Handelns im jeweiligen Kontext. Sonst läuft er ins Leere.
Diese Verantwortung können wir nicht abschieben. Auch nicht in unseren Katastrophen. Da können wir uns nicht in unseren Schmollwinkel zurückziehen und sagen: „Handle du.“. Der göttliche Wille gebiert sich in unserem Willen.
Gerade in den Katastrophen.
Gerade da bedarf es besonderer Achtsamkeit.
Gerade da bedarf es unseres Handelns.
Giftpilz oder Speisepilz?
Essen oder nicht?
Die Entscheidung liegt allein bei uns.
Leere Gedanken
Heute ist ein leerer Tag. Es geht mir weder gut, noch schlecht. Meine Gedanken mögen sich nirgends festhalten. Sie kommen und gehen, ohne dass ich für einen eine besondere Leidenschaft entwickeln würde.
Muss ich beunruhigt sein?
Bin ich erschöpft?
Bin ich ausgebrannt?
Auch darüber mag ich nicht nachdenken.

Heilige Tage
Liebe Teresa,
meine Lehrerin, Schwester und Freundin, heute ist Dein Gedenktag. Den ganzen Tag über bin ich schon in Gedanken bei Dir, denn Du bist mir nahe und erfüllst mich ganz.
Ich denke zurück, als Du mich gelehrt hast zu beten, als Du mir erklärt hast, was innere Burgen sind. Ohne Deinen Schleier, der mir Sicherheit und Selbstverständlichkeit verleiht, wäre ich oft verloren.
Danke auch für die Stunden, die Du mit mir gebetet hast, damit ich nicht so ein einsamer Beter sei. Vorne rechts ist dein Platz heute noch. Aufrecht und würdevoll kniest Du da. Von Dir geht eine Ruhe und Sicherheit aus, die auch auf mich ausstrahlt. Auf Dich ist immer Verlass, wenn die Kirche auch ansonsten leer ist.
Du hast Zeit Deines Lebens mit männlicher Kontrolle und Bevormundung leben müssen. Du hast sehr darunter gelitten. Du konntest Dich nicht so entfalten, wie Du das heute vielleicht tun könntest. Sie wollten Dich dumm und stumm halten. Das ist Ihnen aber nicht gelungen. Was Du sagen wolltest, hast Du am Ende auch gesagt und sei es durch die Blume. Sie konnten dich nicht klein halten und nicht klein kriegen, da hattest Du einen zu machtvollen Beschützer.
Was würdest Du heute wohl machen? Christliches Glauben und alles was dazugehört zu lehren und zu leben, war zu Deiner Zeit sicher leichter. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich, sondern eher exotisch, eine Randerscheinung ewig Gestriger. Du würdest wahrscheinlich über die geistliche Armut in der heutigen Zeit zutiefst erschrecken.
Dein „Werke, Schwestern, Werke“, habe ich immer im Ohr. Frommer Müßiggang, das selige Schwelgen in Gedankenparadiesen, war Dir immer ein Gräuel. Du warst eine Frau der Tat und hast das auch von Deinen Mitschwestern eingefordert.
Die Arbeit, die heute zu leisten ist, besteht im Dienst an denen, die auf den ersten Blick gar nicht bedürftig aussehen, bei der Masse der Bevölkerung, im ganz alltäglichen Dienst am Nächsten. Ich bin mir sicher, hier würdest Du heute die Ärmel aufkrempeln. Dieser Gottesferne könntest du nicht tatenlos zusehen.
Du warst eine Kämpferin und darin bist Du mir nahe. Um Deine Ziele zu erreichen, bist Du auch mal einen Schritt zurückgegangen, hast Deine Widersacher schmeichelnd hartnäckig umgarnt. Da kann ich sicher noch von Dir lernen.
Der Geist, der aus Deinen Schriften weht, kommt mir heute noch zugute und gibt mir Kraft und Leitlinie. Wenn ich ansehe, wie viel Mühsal, Schmerzen und Ungemach Du auf Dich genommen hast, um Deine Mission zu erfüllen, brauche ich nicht jammern.
Danke für alles Lehrreiche,
Danke, dass Du so gegenwärtig bist,
Danke, dass Du mir heute so nahe warst!
Deine Schwester
Deborrah
Herbst
Herbst. Das Leben in Veränderung. Was das Jahr über gewachsen ist, geht der Vollendung entgegen. Natur in ihrer Fragilität.

Die Zeichen des Umbruchs sind nicht zu übersehen. Die Farben können nicht darüber hinwegtäuschen. Sie sind wie Potemkinsche Dörfer vor dem Grau des Novembers.

Gewachsene Strukturen lösen sich auf. Die Lebensgeister entfliehen der Materie.

Gott als das stets sich verändernde Leben. Er wirkt und seine Natur wird, auch in der Auflösung.

„Das Ziel und Ende, zu dem alle Dinge als zu ihrer letzten Vollendung hindrängen, ist an keine bestimmte Weise gebunden. Es entwächst der (begrenzten) Weise und geht in die (unbegrenzte) Weite.“ (Meister Eckhart)

Dämmerung
Misstrauen
Bisher ist mir nur etwas zu „Vertrauen“ eingefallen.Schwieriger wird es beim Miß-Trauen, der anderen Seite der Medaille.
Es ist wie Giersch. Hast du einmal eine Pflanze in deinem Garten, bekommst du sie nicht mehr los. Sie vermehrt sich. Du findest Möglichkeiten, sie nützlich einzusetzen. Dem sind aber Grenzen gesetzt. Immer wieder wächst der Giersch neu und bildet Ableger. Irgendwann kommst du nicht mehr mit, du kannst ihn nicht mehr nützlich verarbeiten. Also versucht du ihn auszutilgen, reißt in aus. Wie sehr du dich auch anstrengst, es bleibt ein winziges Würzelchen, das wieder austreibt und neue Pflanzen und Ableger hervorbringt.
So ist es auch mit dem Miß-Trauen.
Wenn es einmal in dich gepflanzt ist, bringst du es nicht mehr los. Eine Begebenheit reicht – und schon ist es wieder da. Entgegen allen Wünschen und Selbsterziehungsversuchen. Es kriecht in dir hoch und überwuchert alles andere. Es erinnert an deinen Erfahrungsschatz. Es ist ein Echo deiner gesammelten schlechten Erfahrungen.
Ich mag dieses Echo nicht. Wie schalte ich es aus? Wie ist die Angst zu bezwingen, dass das Echo nicht nur leerer Schall ist, irre führender Innenhall? Oder vielleicht doch nicht? Versuchst du dir ein X für ein U vorzumachen?
Danken
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“.
Und wenn die Frucht reif ist, ist Erntezeit. Vor dem Ernten aber steht das Säen und Wachsen.
Das Ur-Korn, die Ur-Saat, tragen wir in uns. Der göttliche Keimling kann wachsen, wenn wir bereit sind, die Hülle unserer Oberflächlichkeit und unserer oberflächlichen Empfindlichkeit gehen – ersterben – zu lassen.
Wir denken – bewusst oder unbewusst – die Hülle schütze uns, deshalb halten wir sie fest. Tatsächlich verhindert sie, dass wir wachsen können, sie beengt uns, sie schließt uns ein und gleichzeitig aus.
Wenn wir die Hülle sich aufweichen, auflösen lassen, Licht und Wärme an den Keim heranlassen, ihn mit genügend Nährstoffen versorgen, kann er wachsen, gedeihen und schließlich reifen.
Wachsen und Reifen braucht Zeit und eine Umgebung, die Wachsen zulässt. Die kärglichste äußere Umgebung kann wachsen lassen.
Ein Weizenkorn keimt in der Erde, umgeben von Dunkelheit. Und dennoch keimt es, die äußere Dunkelheit kann es nicht verhindern, im Gegenteil, sie fördert es. Der Keim wächst aus der Dunkelheit ins Licht.
So können wir auch unserer Dunkelheit entwachsen, jeder für sich erwachsen werden. Doch wir müssen dem Keim die innere Umgebung schaffen und schaffen wollen, dass er wachsen kann. Wir müssen erwachen zum Wachsen, erwachsen werden wollen. Damit der Trieb wächst, bedarf es eigenen Antriebs. Wir müssen uns bewegen.
Irgendwann ist es soweit und wir sind bereit. Frühlingserwachen. Wir lassen die äußeren Hüllen los, fangen an zu wachsen und tragen Frucht, früher oder später, unabhängig von der menschlich physischen Jahreszeit, jeder nach seiner Art und in seinem Tempo.
Wenn die Frucht reif ist, können wir Frucht zu Frucht werden lassen:
Wir können sie einlagern für kalte Zeiten,
Wir können Nahrung daraus machen,
Wir können sie verschenken.
Wir können sie wieder zu Saatgut machen,
für andere oder für uns selbst.
Was wir daraus machen, liegt an und in uns.
Wie viel wir für uns selbst behalten und
wie viel wir wann und an wen verschenken,
ist unsere Entscheidung, die nimmt uns niemand ab.
Unserer Aufmerksamkeit und unserem Vermögen sind menschliche Grenzen gesetzt. So vermögen wir nicht, die gesamte Frucht einer fruchtbaren Bestimmung zuzuführen.
Aber in Notzeiten können wir vom Vorrat, den wir angesammelt haben, zehren. Mit dem Teil, den wir als Saatgut für uns selber verwenden, können wir wieder wachsen und neue Frucht tragen.
Auf diese Weise ist jedes Ende eines Wachstumszyklus der Anfang eines neuen. Wir fallen wieder zurück in die Dunkelheit und beginnen von neuem, der Dunkelheit wieder zu entwachsen.
So ist das Leben ein Säen, Wachsen und Ernten.
Irgendwann ist zum letzten Mal Erntezeit. Die Frucht fällt aus der Ähre. Ein Anderer erntet.
Dann verliert das Weizenkorn die äußere Form und ist wieder Ur-Korn.
Dann ist wahrer Erntedank.
Werdet wie die Kinder
Vertrauen
„Vertrauen wagen dürfen wir getrost, den du, Gott, bist mit uns …. „
Ja, vertraue ich?
Vertraue ich bedingungslos?
Wem vertraue ich?
Oder vertraue ich nur zu meinen Konditionen?
Vertraue ich auch, wenn ich verletzt bin?
Vertraue ich dem, der mich menschlich enttäuscht?
Vertraue ich, wenn nichts als Schweigen ist?
Vertraue ich auf meinen Weg?
Vertraue ich meinem Vertrauen?
Wieso ist Vertrauen so wichtig?
Wieso brauche ich Vertrauen?
Wieso gebe ich Vertrauen?
Was ist Vertrauen?
Wann gebe ich es?
Wann verweigere ich es?
Ist Vertrauen ein Vorschuss, den ich gewähre,
in Erwartung, dass irgendwann etwas zurück kommt?
Von einem Mitmenschen?
Von Gott?
Ist es eine Komfortzone,
in die ich mich begebe,
damit meine Angst weicht und
ich mich sicher fühle?
Brauche ich Antworten auf all diese Fragen?
Vertrauen kennt keine Fragen und braucht keine Antworten.
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit,
Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt.
Und so wandere ich weiter, einfach vertrauend. Ganz einfach.