Wenn schon, denn schon

Heute war ein typischer Wenn-schon-denn-schon-Tag.
Die ganze Woche nur 4-5 Stunden geschlafen, deshalb schon übermüdet aufgewacht. Noch nicht bei der Arbeit angekommen, fällt mir auf, dass ich ja gar keinen Koffer bei mir habe. Weder Chauffeur noch ich sind auf die Idee gekommen, mit mir auch meinen Koffer auszuladen. Sofort im Hotel angerufen, der Shuttle ist noch nicht soweit weg. Ja, der muss erst zurück, der Fahrplan, kann 20 Minuten dauern. Ich habe keine Zeit, 20 Minuten zu warten. Nach etwa 7 Minuten war der Shuttle wieder da. Wortlose Kommunikation mit dem immer etwas verpeilten Chauffeur. Wortlos stellt er meine Koffer heraus, wortlos nehme ich ihn. Gemeinsame Fehlleistung. Ich glaube, darin waren wir uns wortlos einig. Wortlos eilt jeder seines Weges.

Im Büro treffe ich als erstes auf die Kollegin, die am Vorabend einen veritablen Nervenzusammenbruch hatte. Abgekanzelt, heimgeschickt, ihre Hausaufgaben zu machen. Ich bin ihr beigesprungen, anstatt Feierabend zu machen, habe ich ihr Daten ausgewertet und aufbereitet, mit denen sie besser bestehen kann. Als ich ihr freudig zeigen will, was ich gefunden habe und was ihr hilft, war sie schon wortlos und grußlos gegangen. Ein bisschen hat mich das schon fassungslos gemacht.

Ich frage sie, wie es ihr heute morgen geht. Sie antwortet: Ich habe meine Emotionen im Griff. Gut sage ich, ich habe Ansatzpunkte gefunden, ich zeige sie dir gleich. Gleich war dann nicht sofort, weil mein Laptop den USB Stick nicht erkannte, schicken konnte ich die Datei nicht, zu groß für einen Emailanhang. Also rebooten, das hilft meistens. Das Herunterfahren dauert und dauert und dauert.. Schließlich nehme ich den Laptop aus der Konsole, was nicht das beste ist, das weiß ich aus Erfahrung. Ohne Erfolg. Der Laptop fährt mittlerweile seit etwa 12 Minuten herunter. Schließlich drücke ich den Ausknopf. Die Zeit drängt, die Kollegin hat in 20 Minuten dieses wichtige Meeting, zu dem sie meine Daten braucht. Laptop meldet Hyroglyphen: Booten sie neu, wenn kein Erfolg, melden Sie sich beim Administrator –
Pah, denke ich, solche Meldung schreckt mich schon lange nicht mehr, mich kannst du nicht einschüchtern, und drücke mutig den Ausknopf ein weiteres Mal. Und – sag ich doch – klappt. Auch den USB Stick erkennt Rechnerchen inzwischen wieder, in Windeseile die Datei kopiert.

Aus dem Raum, in dem die Kollegin mit einer weiteren Kollegin der Marke „Liebste Freundin – Falsche Schlange“ verschwunden ist, dringt hysterisches Geschrei. Diese meint: Sie kann nicht in das Meeting, das gibt ein Desaster. Aber die Kollegin lässt sich nicht unterkriegen. Ich lade die Daten, Monate lassen sich leider nicht richtig sortieren. Also Pivot-Tabelle kopieren, manuell sortieren. Gelingt mir zu langsam. Französische Tastatur, ihr Rechner tut einiges, aber nicht das, was ich will. Während sie sich die Tränen trocknet, schärfen wir ihr ein: Du nimmst das genau so, wie ich das aufbereitet habe – basta, keine weitere Diskussion. Sie muss ins Meeting. Sie tätschelt ihre Wangen und versucht, die Weinspuren aus ihrem Gesicht zu verbannen. Passt – beruhigen wir sie – geht. Und auf….

Wohlgemerkt, es ist noch nicht einmal 9.00.

Später treffe ich sie wieder: War ein Erfolg diesmal, habe mit meiner Analyse ins Schwarze getroffen. Sie bedankt sie viele Male. Frau hält zusammen, eine lässt die andere im Haifischbecken nicht im Stich. Das Ganze hat mich energenisiert. Ein Gemeinsam-sind-wir-stark Gefühl bereitete sich wohlig in mir aus. Nein, wir lassen uns nicht unterkriegen.

Eigentlich hätte ich die Zeit abends und morgens gebraucht, um einen User – Acceptance – Test vorzubereiten. Habe eine Präsentation dafür gebraucht. Die hatte ich ja nun nicht. Also muss es auch ohne gehen. Da sowieso nichts geklappt hat, waren wir uns dann schnell in dem Meeting einig, dass wir mein Thema auf später verschieben, da wir so oder so nicht viel testen können. Manches regelt sich von allein, man muss nur das nötige Zutrauen haben, dass dies auch so ist.

Mittagspause. Schnell vor dem Teammeeting Datenauswerten, die die Chefin nächste Woche für das Topmanagement braucht. Ich muss heute liefern. Dateninkonsistenz. Meinen Chefreporter kontaktiert, der gottseidank schon aus der Mittagspause zurück war. Er hatte nicht richtig verstanden, welche Daten ich brauche. Sprachbarrieren. Montag kann er liefern. Nix Montag, heute! Ihm nochmals erklärt, was ich brauche und siehe da, es ging doch schneller. Aber für die Auswertung hatte ich nun keine Zeit mehr. Also muss ich das wohl auf dem Rückflug machen. Chefin eine Email geschickt, sie muss sich noch gedulden, dann ins Teammeeting. Wo ist das Team? Wo wir sonst sind, waren sie nicht. Eine Raumangabe im Outlook, die ich nicht zuordnen konnte. Mail geschickt: Liebes Team, wo seid ihr, wollt ihr das Teammeeting ohne mich machen? Inzwischen treffen schon die ersten Mails ein, die Webex funktioniere nicht. Welch ein Wunder, ich habe sie ja noch gar nicht aufgemacht… Mit 17-minütiger Verspätung launche ich die Webex. Was soll‘s, wir sind ja in Frankreich, also fast pünktlich…

Teammeeting läuft gut, wir sind ein gutes Team, ein sehr gutes Team sogar. Wir müssen Schluss machen, ich muss zum Airport, muss schon rennen, unten wartet der Fahrservice – eigentlich. Es war nämlich, als ich unten ankomme, unüblich kein Auto da. Ich warte und warte und werde unruhig. Der Flieger wartet ja nicht auf mich. Beim Fahrservice angerufen: Keiner nimmt ab. Nachricht auf Anrufbeantworter hinterlassen. Über Blackberry Email geschickt: Wo bleibt mein Shuttle? Keine Antwort. Ich stehe bei 32° in der vollen Sonne und schwitze. Was jetzt? Mitarbeiterin angerufen und gefragt, ob sie mich nicht zum Airport fahren kann. Sie kann… Auf Team ist Verlass. Ein weiteres Mal an diesem Tag konnte ich dies mitten im Chaos erfahren. Es ist ein gutes Gefühl und hilft, dass ich der Stein in der Brandung sein kann, als den mich viele Kollegen sehen. Sie verlassen sich auf mich und vertrauen mir. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich mich auch verlassen kann, wenn es bei mir gerade auch nicht läuft, wie es sollte.

Als ich in der Schlange im Checkin stehe, meldet sich dann endlich auch der Fahrservice und fragt mich, wo ich jetzt bin. Ich bin inzwischen schon auf dem Airport…. Ein Missverständnis mit dem Fahrer. Die Fahrer sind immer die gleichen. Sie haben mich schon zig Male Freitag nachmittags am gleichen Fleck abgeholt… Wieso klappt das das 101st Mal nicht? Wir sind in Frankreich…

Ich bin spät dran, so boote ich in der Wartehalle den Rechner nicht mehr hoch, um noch meine diversen Arbeiten vor dem Wochenende zu erledigen. Dann die Meldung: 1 Stunde Verspätung. Neiiiiiin! Doch. Ok, doch noch eine Runde arbeiten. Der Pilot erklärt später, eine kleinerer Flugunfall auf unserer Landebahn… Und er bitte doch darum, den Ärger über die Verspätung nicht am Flugpersonal auszulassen… Freitagabendsverspätungen sind sehr unbeliebt. Da hatte sich der ein oder andere wohl nicht im Griff. Mein Kopf ist inzwischen ziemlich leer. Meine Auswertung, die ich heute abliefern soll, wird zwar, aber irgendwie will ich noch ein Unbekanntes mehr, das mir aber vor der Landung nicht mehr gelingt.

Ausnahmsweise regnet es mal nicht, als wir aussteigen. Das Kofferband rollt an, ein paar Koffer kommen und – rumps – Band steht – und läuft auch nicht mehr an. Neiiiin, entfährt es mir. Der Kollege neben mir sagt: Wenn schon, denn schon. Ich antworte: Genau das habe ich gerade auch gedacht….

Als ich mit letztendlich verträglicher 1-stündiger Verspätung nach Hause komme, ist es schon wieder dunkel. Der Sommer, auf den ich immer noch warte, kommt wohl dieses Jahr nicht. Morgen muss ich wohl oder übel doch noch meine Auswertung fertig machen…. Wenn-schon-denn-schon-….

 Wenn schon, den schon

10 Kommentare zu „Wenn schon, denn schon“

    1. Liebe Grüße zurück! Frau Yin und Frau Yang haben gute Arbeit geleistet. Ich war eigentlich trotz alledem immer guter Dinge. Weniger Missgeschicke auf Dauer würden allerdings meine Nerven schonen. Hoffen wir mal… Genieße dein Wochenende außerhalb 🙂

      Like

      1. Guten Morgen 💙

        Schlafen in diesem Haus ist doppelt erholsamen, das is irgendwie diese Atmosphäre hier 😇 💜🙌

        Wünsche dir einen erholsamen Sonntag 💟

        Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..